Erntedank beim Heimatverein: Haarscharfe Landpartie

Willi Husmann nahm die Besucher mit auf eine Treckerfahrt. Dieses froschgrüne Nachkriegsmodell war eine der jüngeren Landmaschinen vor Ort. Fotos: Ralf Pieper
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  • Willi Husmann nahm die Besucher mit auf eine Treckerfahrt. Dieses froschgrüne Nachkriegsmodell war eine der jüngeren Landmaschinen vor Ort. Fotos: Ralf Pieper
  • hochgeladen von Michael Menzebach

Einfach den Schlüssel drehen und ab auf den Acker? Nicht ganz - was für eine Arbeit es war, vor 70 Jahren einen Traktor betriebsbereit zu machen, konnte man auf dem Erntedankfest des Heimatvereins Lippramsdorf erfahren. Die Ausstellung alter Landmaschinen war dabei nur ein Mosaikstein einer gelungenen Landpartie im Halterner Westen.

Wie ein graublaues Urtier steht der Lanz auf dem Rasen vor dem Heimathaus. Trotz seines altertümlichen Aussehens verrät der bullige Aufbau enorme Kraft, die unter der 70 Jahre alten Karosserie schlummert. Doch wie startet man ein solches Kraftpaket. "Das ist etwas umständlich", verrät Willi Husmann. Der Lippramsdorfer ist nicht nur ein anerkannter Experte für das Plattdeutsche, sondern kennt sich auch mit den alten Traktoren bestens aus. "Wir hatten früher auch einen Lanz auf dem Hof", erinnert er sich schmunzelnd und zeigt den Besuchern, wo an der Front der Landmaschine der Glühkopf zu finden ist. Diese beulenförmige Ausbuchtung musste erst mit einer speziellen Benzinlampe erhitzt werden, bevor man damit den Brennstoff und somit auch den Motor zünden konnte. Oder vielmehr anwerfen, denn diese auch heute noch alltägliche Bezeichnung für den Motorenstart ist bei den alten Landfahrzeugen durchaus wörtlich zu verstehen. "Dafür montiert man das Lenkrad ab", erklärt Husmann. Die Besucher sind verwirrt... das Lenkrad abnehmen? Wieso das? Schnell wird aber klar, dass das massive Lenkrad mit einer speziellen Stange als Kurbel dient, um mit viel Schwung für den Motorstart zu dienen. "Man kann den Zweitakt-Motor auch falschrum laufen lassen, dann wird der Vorwärtsgang zum Rückwärtsgang, und umgekehrt", lächelt Husmann. Ganz schön kompliziert also, die vermeintlich so primitive Technik.

Dabei kann Gutes auch so einfach sein: Beim Heimatfest in Lippramsdorf konnte man allerorten erleben, wie man ohne Maschinen und mit viel Tradition gute Dinge herstellen kann. Zum Beispiel beim Blaudruck, wo die Mitglieder des Heimatvereines hübsche westfälische Muster auf helles Leinen drucken. "Wir benutzen Pflanzenfarben", erklärt Luzie Lewe, "die sind nur bis etwa 60 Grad waschbar, aber dafür auch ungiftig." So entstehen eine ganze Menge verschiedener Textilien vom Küchentuch bis zum Paradekissen, die im typischen münsterländischen Stil verziert sind.

Typisch für das Münsterland ist auch die bäuerliche Tradition, die von den Mitgliedern des Heimatvereins auch in ganz alltäglichen Situationen gezeigt wird. So schwangen die Männer etwa den Dreschflegel, um das Korn aus dem Weizenstreu zu schlagen. Reichere Bauern vor etwa hundert Jahren leisteten sich eine sogenannte Wannemühle, ein mechanisches Gerät, dass diese Aufgabe mit weniger Mühe durchführen konnte. Für den Wiesenschnitt und die Grasernte für das Winterfutter brauchte man hingegen ein anderes Gerät, dessen Vorgänger schon im Mittelalter gebraucht wurden: Die Sense. "Wenn man eine Sense schärft, nennt man das auf Platt 'haar'n'. Daher kommt auch unser Begriff 'haarscharf' - das hat mit unserem Kopfhaar nichts zu tun", verrät Willi Husmann.

Es gibt viele solcher kleinen "Aha"-Momente an diesem Tag: Wer interessiert zuhört, kann eine Menge über alte Techniken und Traditionen lernen, die uns heute nur noch in Redewendungen im Alltag begegnen. Wer sich lieber entspannen wollte, konnte das aber auch problemlos tun: Der Heimatverein hatte leckeren Kuchen und frisches Landbrot gebacken, und auch die Grillkohle wurde an diesem sonnigen Herbsttag nicht kalt. Kleine Vorführungen lockerten das Tagesprogramm auf, und für die Kinder gab es jede Menge Spielmöglichkeiten. Ein schöner Tag auf dem Land: Für die Besucher des Heimatvereines war es genau das, was sie sich gewünscht hatten.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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