Mit dem Kanu auf der Lippe: Geselliges Treiben

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Leise platschend schlagen die Paddel ins Wasser, man spürt den Wellengang unter dem Rumpf: Wer in Haltern nach Abenteuern sucht, muss sich nur einmal mit dem Kanu auf die Lippe begeben. Hier lernt man die Seestadt aus einer ganz neuen Perspektive kennen.

Die Seestadt als fremder Ort: Silke Karacsonyi ist neu in Haltern. "Bisher habe ich außer dem Römermuseum und der Innenstadt noch nicht viel gesehen", gibt die gebürtige Lüneburgerin zu. Damit sich das ändert, hat sie sich an diesem Sonntag in eine bunte Schar von Ausflüglern eingereiht, die auf einem Parkplatz einem kleinen Abenteuer entgegensehen.

Das Transportmittel der Wahl: Ein Kanu, oben offen, etwas schaukelig. Die Strecke: Die Lippe von Flaesheim bis Sickingmühle. Die Begleiter: Eine bunte Gruppe erwartungsfroher Ausflügler und ein routinierter Tourbegleiter.

"Ich mache das aus der Freude am Kanufahren und an den Menschen", erklärt Reiner Ostkirchen lächelnd. Der erfahrene Tourbegleiter ist ein Bär von einem Mann, der mit sympathischem Lächeln und ruhiger Ausstrahlung schon viele Gruppen sicher über das Wasser gebracht hat. "Klar, man kann kentern", gibt Ostkirchen zu, "aber dafür haben wir ja die Schwimmwesten. Dann wird das Boot einfach ans Ufer geschoben, beim Umdrehen das Wasser herausgelassen und dann geht es weiter." Die Lippe sei sehr sicher, verspricht Ostkirchen, den alle an diesem Tag nur Reiner nennen.

Und tatsächlich wirkt sein Auftreten beruhigend: Mit Strohhut, Bermudas und Sandalen gleicht Reiner eher einem entspannten Touristen als einem Extremsportler. "Für mich ist jede Tour wie ein kleiner Urlaub", verrät Ostkirchen, der hauptberuflich in einer Bank tätig ist. Als er die Vorzüge einer Kanutour beschreibt, wird er sogar ein bißchen poetisch: "Es ist bei jeder Jahreszeit schön: Im Frühling sieht man das erste aufkeimende Grün am Ufer. Im Sommer spürt man die Erfrischung des kühlen Wassers an den Händen, und später im Jahr duftet es auch auf dem Fluss nach Herbst, wenn das bunte Laub an den Bäumen rauscht."

So abwechslungsreich wie die Impressionen, die Reiner vor Abfahrt beschreibt, ist an diesem Sonntag auch die Truppe: Da sind die sonntäglich unrasierten Familienpapas mit ihren quierligen Halbwüchsigen, da sind die jungen und reiferen Pärchen, die Freunde und die Abenteuerlustigen. Und mittendrin Silke Karacsonyi, die Neubürgerin, die endlich ihre neue Heimat kennenlernen will. Zaghaft hebt sie die Hand, als Reiner fragt: "Wer ist denn schon einmal gepaddelt?" An diesem Tag sind die Erfahrenen nicht in der Mehrzahl.

Kein Problem für den Tourguide: Routiniert und freundlich verlädt er die Teilnehmer in die Dreier- und Viererkanus, sogenannte "Kanadier", die nicht grundlos an Indianerkanus aus alten Filmen erinnern. Schließlich waren die nordamerikanischen Ureinwohner die ersten, die diese Bootsform bauten und nutzten. Es schaukelt etwas, als die Ausflügler zum ersten Mal in die Boote gehen. Ein Ruck, und plötzlich ist man mitten auf dem Wasser. Überraschtes Lachen hallt über die Lippe.

"Und ich fürchtete schon, wir würden im Regen absaufen", lacht Silke und paddelt fröhlich los. Hinter ihr am Heck des Bootes schaut Reiner lächelnd auf das kleine Kanu-Geschwader, das noch etwas kreuz und quer durcheinander fährt. "Ein kleiner Tipp für Dich..." sagt der Tourguide und erklärt einem Familienvater im Nachbarboot, wie er als Steuermann am besten das Ruder führt.

Nach einer Weile finden die Nachwuchs-Kanuten ihren Takt. Die Boote ziehen ruhig über das Wasser, unter der Brücke bei Flaesheim hindurch, dann nach Bossendorf und weiter nach Lippramsdorf. Manchmal kommt die Ufervegetation etwas nahe, dann ducken sich die Paddelnden lachend. "Da vorne im Busch sitzt eine tolle Spinne", scherzt Reiner, "die wollen wir uns wohl genau ansehen?" Ein Ansporn für Silke, mit ihrem Paddel in Richtung Flussmitte zu arbeiten. Humor und gute Laune sind schon vorhanden, und nun auch noch das gute Wetter... und die Landschaft.

Es stimmt, was Reiner zuvor angekündigt hatte: "Wenn man mit einer Gruppe zusammen auf der Lippe ist, wird es irgendwann ganz still." Und tatsächlich stellt sich diese andächtige Ruhe schnell ein, als die sechs Kanus für ein paar Minuten zusammenkommen und einfach nur nebeneinander treiben. Silke reckt ihr Gesicht zur Sonne und genießt die Wärme. Ein Vater legt seine Schirmmütze über den Kopf und lehnt sich entspannt zurück. Ein Junge testet das kühle Lippewasser und befeuchtet sich den Kopf. Stille Idylle, als die Boote an Kühen und Schafen vorbeitreiben.

"Die Wildnis liegt direkt vor der Haustür", scherzt Reiner, als die Kanuten über das ganze Grün entlang der Lippeufer staunen. Ganz nebenbei erklärt er die Geschichte des Wasserweges seit den Römern und zeigt, wie die Lippe nun langsam immer mehr zurück zu ihrer Natur finden darf.

Und auch die Teilnehmer finden Ruhe beim leisen Treiben über die Lippe, meistern gemeinsam eine kleine Stromschnelle und kentern mit etwas Glück an diesem sonnigen Tag nicht. "Bisher gefällt mir Haltern jedenfalls gut", freut sich auch Silke, die Neubürgerin. "Eine Kanutour ist wie ein kleiner Urlaub", hatte Reiner zuvor gesagt. Als die Kanuten am Ende der Strecke aus ihren Booten steigen, sehen sie es genauso.

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Drei Fragen an:

Reiner Ostkirchen, Kanutourbegleiter

F: Für wen ist das Kanufahren geeignet?

A: Wir haben Teilnehmer aus allen Altersgruppen, von der Schulklasse bis zur Rentnergruppe. Selbst kleineren Kindern kann dank der Schwimmwesten nichts passieren. Zudem ist die Lippe ein sehr ruhiges und sicherers Gewässer.

F: Was unterscheidet die Lippe denn von anderen Gewässern?

A: Wir haben auf der Lippe keinen Verkehr, wie etwa auf dem Kanal oder dem Rhein. Daher ist es viel naturnaher, zumal die Lippe in den letzten Jahren zunehmend renaturiert wird. Die Angler berichten sogar von der Rückkehr der Lachse in diesen Fluss, was für die gestiegene Wasserqualität spricht. Auf dem Rhein würde ich Gruppen auch nie ohne Begleitung fahren lassen, während wir nach Einweisung Kanus für die Lippe durchaus auch einmal so vermieten.

F: Gibt es besondere Erlebnisse, an die sie gerne zurückdenken?

A: Jede Tour ist anders und etwas Besonderes. Einmal führte ich einen Zehnerkanadier mit Grundschülern, die so synchron paddeln konnten, dass wir ungeahnte Geschwindigkeiten erreichten. Manchmal starten Schwäne auf uns zu, dass sie kurz vor den Kanus abheben und wir den Luftzug ihrer Schwingen spüren. Es gibt so viel zu erleben, selbst hier auf der Lippe.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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