Caritas-Tour zwischen Armut und Gesundheit: Halterner Radstation als Vorbild

Interessiert beobachteten Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann (links) und Domvikar Dr. Klaus Winterkamp die Arbeit in der Radstation der Caritas Haltern.
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"Armut macht krank". Das Jahresthema der Caritas zieht sich als roter Faden durch die Tour des Diözesancaritasverbandes Münster, die am Montag in Haltern startete. Bis Freitag besuchen der Vorsitzende, Domvikar Dr. Klaus Winterkamp, und Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann mit Abteilungsleitern die acht Caritasverbände, Sozialdienste katholischer Frauen und Sozialdienste Katholischer Männer im Kreis Recklinghausen. Beschäftigungsprojekte der Caritas Haltern, die medizinische Kinderschutzambulanz in der Vestischen Caritas-Kinder- und Jugendklinik Datteln und das Thema "Armut im Alter" im St. Elisabeth-Hospiz in Datteln standen auf dem Programm des ersten Tages. "Wir wollen uns die Erfolge und Probleme der Verbände nicht nur in Münster anhören, sondern uns auch ihre Arbeit vor Ort anschauen," erklärte Kessmann.
Zum Beispiel die Radstation als Teil der Jugendwerkstatt in Haltern. Obwohl die Stadt sich über die geringste Arbeitslosenquote im Kreis Recklinghausen freut, haben 600 Bürger trotz bester Konjunktur keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt, erklärte Michael Halberstadt den Gästen aus Münster. Er koordiniert die verschiedenen Beschäftigungsprojekte bei der Caritas Haltern, in der 62 junge Erwachsene und Arbeitslose ausgebildet oder qualifiziert werden. Sie zu beschäftigen werde durch die Reformen der Arbeitsförderung immer schwieriger, die die Bundesregierung beschlossen habe. Das Möbelkaufhaus sei gefährdet, drei Anleitern habe man bereits kündigen müssen, sagte Caritas-Geschäftsführer Willi Grave.
Um Arbeitslosigkeit vorzubeugen, arbeiten in Haltern Caritas und Schulen eng zusammen. Dirk Strothkamp, Sozialarbeiter der Hauptschule, bekannte, dass gerade die Radstation für manche Schüler sehr wichtig für den Einstieg in das Berufsleben sei: "Einige brauchen mehr Zeit", so Strothkamp.
Mit Bildung gegen Armut vorzubeugen bemühen sich Stadt und Caritas auch in der Schulmensa des Gymnasiums und der Realschule durch die erweiterte Betreuung. Kristin Allerdisse beobachtet hier, dass immer mehr Kinder problembelastet und Eltern überfordert sind. "Sie drohen unterzugehen", sagte sie. Immer problematischer werde auch mangelndes Wissen über Ernährung. Sie unterstützt die Familien darin, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu bekommen, bietet Hausaufgabenbetreuung und Freizeitangebote an.
Überforderte Eltern sehen Dr. Tanja Brüning und Prof. Paulussen auch zunehmend in der Kinderschutzambulanz der Vestischen Caritas-Kinder- und Jugendklinik. Anderthalb Jahre nach Eröffnung haben sie inzwischen jeden Tag bei einem vorgestellten Kind den Verdacht, dass es vernachlässigt oder misshandelt worden ist. Jugendämter bitten um Hilfe und immer häufiger ruft auch die Kriminalpolizei aus benachbarten Kreisen an. Kinderschutzzentren sind in der Schweiz Standard an jeder Klinik, so Prof. Paulussen, in Deutschland noch sehr selten. In Nordrhein-Westfalen biete nur eine Klinik in Bonn ähnliche Hilfe an.
Der Grund für die Überforderung der Eltern liege, so Paulussen, häufig in der Bildungsarmut der Familien. Wobei Misshandlungen durchaus in allen Bevölkerungsschichten vorkämen. "Bildung ist der Schlüssel", sagte Paulussen. Klar müsse allen Eltern sein, dass eine Ohrfeige kein Erziehungsmittel sei und schon gar nicht für einen Säugling. Aus vielen Familiengeschichten weiß Tanja Brüning, dass sich Gewalt vererbe. Hier müsse in der Vorbeugung angesetzt werden.
Gesetzesänderungen sieht Diözesandirektor Heinz-Josef Kessmann nicht als alleinige Lösung. Es müsse neu darüber nachgedacht werden, wie Vorbeugung tatsächlich gelingen könne. Problem bleibe die Balance zwischen der Eigenverantwortung der Eltern und der Notwendigkeit, die Kinder vor ihnen zu schützen. Dass selbst bei relativ engmaschiger Betreuung Misshandlungen nicht verhindert werden können, erlebt Brüning immer wieder.
Die steigende Zahl bekannt werdender Missbrauchsfälle sieht Paulussen als hoffnungsvolles Zeichen für eine breitere Debatte in der Öffentlichkeit. Die sei dringend notwendig, um das "Hinsehen" zu fördern. Zudem könne dies ein Schritt sein zu einer Finanzierung medizinischer Kinderschutzambulanzen. Bislang gebe es die nämlich nicht und müsse die zeitaufwändige Arbeit über Spenden finanziert werden.
Die Notwendigkeit von Spenden wurde auch im St. Elisabeth-Hospiz in Datteln betont. Über zehn Prozent der Kosten müssen nach den Vorgaben der Krankenkassen darüber finanziert werden. Am liebsten, so Caritas-Geschäftsführer Heinrich Hoffmann, wäre ihnen eine Belegung von 100 Prozent. Aber dagegen spricht der Alltag in einem Hospiz, den Gabi Frodl als Pflegedienstleitung aufzeigte: "Wir wollen das Zuhause ersetzen und soviel Normalität in den letzten Stunden und Tagen ermöglichen

Interessiert beobachteten Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann (links) und Domvikar Dr. Klaus Winterkamp die Arbeit in der Radstation der Caritas Haltern.
spezielles Gerät zur gynäkologischen Untersuchung von Kindern demonstrierte Dr. Tanja Brüning den Caritas-Gästen aus Münster (links: Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann)
Autor:

Michael Menzebach aus Haltern

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