Kriminalität: Volkssport Fahrerflucht
Wie eine häßliche Wunde zieht sich der Kratzer über den Lack, dellt sich der Kotflügel, klafft die zerschlagene Höhle des Scheinwerfers: Unfallschäden sind nie schön anzusehen. Noch unangenehmer ist es aber, wenn der Verursacher über alle Berge ist. Unfallflucht ist ein grassierendes Problem: Allein im vergangenen Jahr wurden 3568 Fälle im Bereich des Polizeipräsidium Recklinghausen dokumentiert.
Einmal nicht aufgepasst oder den Rückspiegel nicht beobachtet, und schon ist es passiert: Durch Parkrempler werden jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe verursacht. Umso ärgerlicher ist es, wenn man selbst Opfer eines Remplers wurde, sich der Verursacher aber der Verantwortung entzieht. In letzter Zeit scheint Fahrerflucht immer häufiger vorzukommen, wenn man die Unfallmeldungen liest. 3000 Euro Schaden an einem geparkten Mercedes in Dorsten, Täter geflohen. 1500 Euro Schaden an einem VW Polo in Marl, Täter geflohen. 1000 Euro Schaden an einem Auto in Datteln, 1500 Euro an einem Fahrzeug in Marl, ebensoviel an einem Gladbecker Auto, 1000 Euro Schaden an einem PKW in Bottrop, 3000 Euro wiederum in Recklinghausen... und alle diese Meldungen stammen aus nur einem einzigen Polizeibericht des Präsidiums Recklinghausen, datiert auf den 19. Mai diesen Jahres.
Was ist da los auf der Straße?
Fahrerflucht sei leider Alltag im Streifendienst, erklärt Michael Franz, Pressesprecher der Polizei Recklinghausen. Und die Zahlen sind gestiegen: "Wir hatten in Gladbeck 2014 noch 281 Sachbeschädigungen mit Fahrerflucht, vergangenes Jahr waren es 349. In Dorsten waren es 2015 immerhin 23 mehr als im Jahr 2014."
Straftat mit teuren Folgen
Dabei ist Fahrerflucht alles andere als ein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat mit erheblichen Folgen. Wer nicht sofort den Geschädigten oder die Polizei verständigt, oder sich vom Unfallort entfernt, ohne mindestens eine halbe Stunde zu warten, macht sich strafbar - selbst wenn er einen Zettel am beschädigten Fahrzeug hinterlässt. Dem Täter drohen Geldstrafen, Punkte in Flensburg bis hin zum Entzug der Fahrerlaubnis. Bei Schäden bis 600 Euro bleibt es zwar meist bei geringen Geldstrafen, aber darüber wird es teuer. Drei Monate ohne Führerschein, zwei Punkte in Flensburg und Strafgeld in Höhe eines Monatsgehaltes werden bei Schäden bis etwa 1300 Euro fällig.
Liegt der Schaden darüber, wie bei vielen der oben genannten Vorkommnisse im Kreis Recklinghausen und Bottrop, sieht der Täter seinen Führerschein mindestens sechs Monate nicht mehr wieder. Dazu "verdient" er drei Dauerpunkte in Flensburg, die frühestens nach zehn Jahren wieder gelöscht werden können, und muss für die Strafgelder tief in die Tasche greifen.
Die Kosten für den verursachten Schaden müssen flüchtige Rempler übrigens auch selbst tragen. Versicherungen haben keine Toleranz bei Fahrerflucht: Während die Haftpflicht zwar die Reparaturkosten für den Geschädigten zunächst auslegt, holt sie sich das Geld jedoch vom Verursacher wieder. Von der Kaskoversicherung hat der Täter schon gar nichts zu erwarten, was über ein fristloses Kündigungsschreiben hinausgeht.
Opfer hilflos zurückgelassen
Während Macken und Schrammen in Verbindung mit Fahrerflucht schon ärgerlich genug sind, ist unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nach einem Personenschaden noch schwerwiegender. Erst vergangene Woche lieferten sich etwa zwei Unbekannte ein Rennen durch Gladbeck und zwangen so einen jungen Autofahrer zum Ausweichen, der darauf gegen einen Laternenpfahl fuhr. Zum Glück wurde der Mann nicht schwer verletzt, aber die Verursacher kümmerten sich nicht um den Unfall. Kein Einzelfall: Laut dem Statistischen Bundesamt gab es 2015 bundesweit über 17 000 Fälle von Fahrerflucht nach Unfällen mit Personenschaden. Wer dabei erwischt wird, dem drohen bis zu drei Jahre Haft.
Aber kann der Täter überhaupt hoffen, unbemerkt zu entkommen?
"Erfreulicherweise sind die Aufklärungsquoten ständig besser geworden", freut sich Polizeisprecher Michael Franz. "Bei den Fahrerfluchten mit Personenschaden konnten wir in 81 Prozent aller Fälle den Täter ermitteln. Bei den Sachbeschädigungen sind es immerhin 50 Prozent." Zum Erfolg habe auch die Veröffentlichung aller Fälle über 1000 Euro Schadenswert und die begleitende Suche nach Augenzeugen beigetragen: "Oft melden sich Zeugen, nachdem sie den Aufruf in der Zeitung gelesen haben", so Franz. Bleibt zu hoffen, dass die steigenden Quoten den Trend zur Fahrerflucht abbremsen können.
Autor:Oliver Borgwardt aus Dorsten |
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