Giftiges Grundwasser liefert Stoff wie für einen Krimi

Keine Entwarnung gibt es bei der Grundwasserbelastung durch sprengstofftypische Verbindungen in Haltern-Sythen. Die Brunnennutzung in Lehmbraken bleibt weiterhin untersagt. Und: „Sythen Grund“, die Besitzerin der ehemaligen Wasag-Fläche, hat gigantische Sanierungsaufgaben vor der Brust.
Das größte Problem ist die Belastung des Grundwassers. „Es gibt derzeit kein Verfahren, so große Schadstoff-
fahnen im Grundwasser zu sanieren“, erläuterte Dr. Winfried Entenmann, Gutachter der „Sythen Grund“. Seine Suche nach den Ursachen für die Belastung könnte den Stoff für einen Krimi liefern. Erst akribische Nachforschungen in einem Archiv in Berlin brachten den Gutachter weiter. Die Untere Wasserbehörde des Kreises konnte über Jahre die Ursachen für die Schadstoffe im Grundwasser nicht lokalisieren. Jetzt habe man die „nicht erklärbare Grundwasserverunreinigung ermittelt“, so Friedhelm Kahrs-Uhde, Leiter des Vestischen Umweltzentrums.
Es war wie die Suche nach dem „missing link“. Mithilfe von „versteckten Akten“ konnte Gutachter Dr. Entenmann „Licht in die Grauzone zwischen 1916 und 1922/23 bringen“. Bislang waren drei Flächen als belastet (inzwischen saniert) ausgemacht, aufgrund der Aktenrecherche kam eine vierte dazu.
Auf dem Gelände wurde nicht nur Munition für den 1. Weltkrieg hergestellt, sondern im Zeitraum 1918 bis 1922 auch Munition recycelt, indem man sie aufsägte, den Sprengstoff im Wasser aufheizte, der nach einiger Zeit an der Oberfläche schwamm, abgeschöpft und wiederverwertet wurde. Das „Siedewasser“ wurde in großen Becken aufgefangen, versickerte aber anschließend im Boden. Ein dritter, „belastungsrelevanter“ Zeitraum war im 2. Weltkrieg, als auf dem Gelände Granaten produziert wurden und TNT ins Grundwasser gelangte.
In der Nähe dieser einstigen Produktionsstätten wies der Gutachter Nitroaromate im Mauerwerk der alten Gebäude, in Bauschutt, Boden und Grundwasser nach. Nitroaromate sind der Grundstoff des Sprengstoffs TNT. Diese Substanzen sind krebserregend, können Blutarmut auslösen und das zentrale Nervensystem schädigen. „Der erheblich belastete Bauschutt kann vor Ort gebrochen, gesiebt und gewaschen werden“, so Dr. Entenmann. Mit einer großen Bodensanierung soll im Sommer begonnen werden.
Eine Sanierung des Grundwassers ist nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft nicht möglich. Schutzbrunnen sollen deshalb verhindern, dass sich die Schadstoffe weiter über das Grundwasser ausbreiten und nach 80 oder 36 Jahren (darüber streiten Gutachter) im Stausee ankommen. In den Brunnen wird das kontaminierte Grundwasser gesammelt und in „Reaktionsbecken“ geschickt, wo Ozon die Schadstoffe vernichtet. Offen ist, wie viel Ozon zum Einsatz kommen muss, um diesen Effekt zu erzielen.
Aktuell hat der Kreis vier Messstellen in einer Tiefe von 80 bis 120 Meter bohren lassen, „um zu gucken, ob das Nutzungsverbot für die Brunnen noch greifen muss“, so Kahrs-Uhde. Weitere sieben Messstellen folgen noch in diesem Jahr, „um über die gesamte Breite des Werksgeländes zu schauen“. Die Ergebnisse liegen im Frühjahr 2012 vor. (ist)

Autor:

Michael Menzebach aus Haltern

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