Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen - Eltern trifft keine Schuld!

Informierten zum Thema Essstörungen: Hans-Jürgen Gebauer, Bernd Overwien (Moderator), Dr. Rüdiger Haas, Katrin Ruck, Willi Hülshoff und Katarina Alt. Foto: LWL/Seifert
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LWL-Experten beantworten Fragen und stellen Therapiemöglichkeiten vor

Kreis. Die Zahl der essgestörten jungen Menschen nimmt nicht zu, aber die Altersgrenze sinkt. 11- oder 12-jährige Mädchen und Jungs mit einer Essstörung seien heute keine Seltenheit mehr, berichtete Dr. Rüdiger Haas, Ärztlicher Direktor der LWL-Klinik beim Haard-Dialog. Auch die dritte Ausgabe der Informationsveranstaltung in der Marler Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ist auf reges Interesse seitens betroffener Eltern, Angehöriger und auch Patienten gestoßen.

Wie schnell ein bislang eher unauffälliges Kind in eine Essstörung rutschen kann, darüber sprach der Jugendpsychiater Dr. Rüdiger Haas, in seinem Vortrag. Wie der sprichwörtliche Geist aus Aladdins Wunderlampe verspreche der Verzicht auf Nahrung den jungen Menschen häufig die Lösung ihrer Probleme. „Zuerst funktioniert das gut“, so Haas, „die Jugendlichen erhalten durch ihren Verzicht vermehrt Aufmerksamkeit und auch positive Kommentare auf den Gewichtsverlust. Aber mit der Zeit dreht sich das Leben der Betroffenen fast ausschließlich um das Thema Essen, und der einst so sympathische Geist mutiert zu einem riesigen Kobold, der jegliche Nahrungsaufnahme verbietet.“
Wie das Behandlungsteam die jungen Patienten mittels individuell zugeschnittener Ernährungspläne wieder an ein normales Essverhalten führt, darüber referierte Willi Hülshoff. Der Leiter einer auf Essstörungen spezialisierten Station machte deutlich, dass für die Eltern entlastend ist, die Verantwortung für das Essverhalten erst einmal an die Experten abzugeben. So könnten die Familien sich wieder auf positive Aspekte in ihrer Beziehung konzentrieren.

Wenn Patienten 500 Gramm in der Woche zunehmen ist schon viel erreicht

„Wir bringen hier viel Geduld und Empathie für unsere Patienten auf“, so Hülshoff, „ Niemand erwartet, dass die Jungen und Mädchen in wenigen Wochen wieder gesund sind. Wenn unsere Patienten 500 Gramm in der Woche zunehmen ist schon viel erreicht.“ Mit der Gewichtszunahme einher gehe auch die Wiederaufnahme eines „normalen“ Lebens mit dem Besuch der Klinikschule, sowie Sport- und Freizeitaktivitäten. Wie wichtig es für die Betroffenen ist, aus dem Gedankenkarussell auszusteigen und einmal nicht an die nächste Mahlzeit zu denken, darüber referierte Katrin Ruck. „Wenn die Gedanken nicht nur ums Essen kreisen, dann werden manchmal auch die Probleme deutlich, die sich hinter dieser Störung verbergen“, berichtete die Kunsttherapeutin aus ihrer Erfahrung. Sie zeigte anhand vieler Praxisbeispiele wie die Beschäftigung mit unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen wie Aquarellmalen, Specksteinschleifen oder großflächigen Bildformaten die Patienten wegführen kann von alten Denkmustern hin zu neuen Sichtweisen und Perspektiven.„Was sagen Sie den Eltern, die sich die Schuld an der Essstörung ihres Kindes geben“, so lautete eine der ersten Fragen aus dem Publikum im anschließenden Dialog, die Dr. Haas beantwortete: „Dann sagen wir ihnen, dass wir ihnen dieses Gefühl zugestehen aber wir halten sie nicht für schuldig und vermitteln das auch. Niemand hat sich eine Essstörung gewünscht, weder Eltern noch die Kinder.“

Eine Essstörung ist eine langwierige Erkrankung

Viel diskutiert wurde auch die Problematik, wie sich die Familie nach einer stationären Therapie verhalten soll. „Übernehmen sie nicht sofort wieder die Verantwortung für das Gewicht ihres Kindes“, so eine Empfehlung der Psychologischen Psychotherapeutin Katharina Alt“, „lassen sie diese bei dem niedergelassenen Kollegen und ihrem Kind.“.
„Eine Essstörung ist eine langwierige Erkrankung“, dämpfte Dr. Rüdiger Haas die Hoffnung auf eine schnelle Genesung. Alleine der stationäre Aufenthalt nehme häufig zwölf bis sechzehn Wochen in Anspruch. „Bis zur vollständigen Genesung vergehen oft noch einmal zwei Jahre in therapeutischer Begleitung. Da ist eine Menge Geduld gefragt, aber die zahlt sich am Ende aus!“

Die nächste Informationsveranstaltung Haard-Dialog, diesmal zum Thema Angst findet am Dienstag, 8. Mai, in der LWL-Klinik Marl-Sinsen statt. Informationen und Anmeldungen unter: 02365-802-2126.

Autor:

Michael Menzebach aus Haltern

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