Der verlockende 6. April als Frühsommertag:
Totales Verkehrs-Chaos am „heißen Samstag“ im Dorf Lavesum
Foto: Parkplatz- und Verkehrschaos auf der Kreuzung Rekener Str./ Lochtruper Straße/Sundernweg/Buchenstraße
HALTERN-LAVESUM. Nach wochenlangen kühlen Regentagen hatten die Meteorologen einen heißen 6. April versprochen. Und alle machten sich am besagten Samstag mit Autos, lauten Motorrädern, Quads, Wohnmobilen und Cabrios auf den Weg – nach Lavesum. So einen Samstag mit kilometerlangen und stundenlangen Rückstaus auf der Rekener Straße, zugeparkten Feldwegen und Dorfstraßen, unpassierbaren Kreuzungen, stockendem Linienbus und vollen Radwegen hatte man hier selbst an Sommerwochenenden und touristischen Spitzentagen noch nicht erlebt.
Die Anwohner waren genervt und die motorisierten Touristen aus nah und fern ebenso. Die erweiterten Großparkplätze der kommerziellen Freizeitzentren Ketteler Hof, Wildpark und Reiterhof Granat sowie Hof Hagedorn als Ausflugsziele reichten nicht aus, um den Touristenandrang zu bewältigen. War das eine Ausnahmesituation oder ein Vorgeschmack auf die kommende Sommersaison, in der die Touristen scharenweise in die kommerziellen Einrichtungen nach Haltern gelockt werden, ohne Rücksicht auf Klima, Landschaft und Verkehrswende - und ohne Interessenausgleich zwischen Anwohnern und Massentourismus?
Ausgewichen wurde beidseitig auf der zugeparkten engen Lochtruper Straße zum Leidwesen der dortigen Anwohner, die wohl selten so eine hohe Lärm- und Feinstaubbelastung sowie Parksuchverkehr von der Landstraße ertragen mussten. Denn auf der Rekener Straße in Lavesum war eine Verkehrsdichte wie auf einer belebten Bundesstraße mit Rückstau bis zur Autobahnabfahrt, so dass es dort drei Stunden lang gar nicht oder nur noch stockend voran ging. Deshalb wurden die dortigen Feldwege wie der Dillenweg auf voller Länge zugeparkt und von dort wurde zu Fuß weiter zum Ketteler Hof marschiert. Auch die Zufahrt zum Wildpark Granat wurde als Parkstreifen zweckentfremdet. In Lochtrup sah man Autokennzeichen sogar von Frankfurt und Göttingen bis Moers. Mit der problematischen Ausweitung des Hofes Hagedorn in die geschützte Landschaft hat sich der touristische Zustrom, der Autoverkehr und die Parkplatzsituation nochmals unverträglich erhöht.
Gefahrvoller Kreuzungsbereich bleibt ohne Problemlösung
Im besonders belasteten Ortsbereich Lochtrup hatten Fußgänger und Radfahrer auf der ungeregelten Kreuzung Rekener Straße/Sundernweg/Lochtruper Straße/Buchenstraße keine Chance der gefahrlosen Überquerung, weil sich dort die ein- und ausfahrenden Motorfahrzeuge gegenseitig behinderten und die gesamte Kreuzung blockierten. Eine dichtere Taktung des nur stündlich verkehrenden Linienbusses als Alternative ist im Rahmen der „Verkehrswende“ kein Thema, so dass er nur schwach besetzt inmitten der Autokolonnen mitfährt. Auch der langjährige Wunsch der Anwohner nach einem Fußgängerüberweg oder einer Ampel an dieser Problemkreuzung waren vom Landesstraßenbetrieb und der Stadt verworfen worden. Statt des gewünschten Tempolimits 30km/h erhöhte der Straßenbaulastträger im Gegenteil das zulässige Tempo vor und nach dem Ortsschild von 50 km/h sogar auf 70 km/h.
Auch städtische Kampfansage gegen den Motorradlärm bleibt unerfüllt
Insbesondere die Motorradfahrer sehen darin geradezu eine Aufforderung zu einer weiteren Tempoüberschreitung und zu genussvollen Lärmverstößen. Das zurückliegende Versprechen der Stadt, den Motorradlärm einzudämmen und die Geschwindigkeit zu drosseln, wurde kläglich eingestellt, nachdem Banner an Brücken mit bloßen Ermahnungen von den Motorradfans entwendet wurden.
Kein städtisches Engagement zur Lösung der dörflichen Verkehrsprobleme
Die Verkehrsprobleme an den Wochenenden in Lavesum mit den Touristen-Hotspots wurden weder auf dem „Ortsteilforum“ einer Lösung zugeführt noch werden sie vom mitgliederstarken Ortsverein Lavesum der „Haltern-Partei“aufgegriffen, von dem man seit der letzten Kommunalwahl ohnehin nur sehr selten etwas hört und sieht, wenn es nicht gerade um neue Baugebiete im Grünen geht. Die Stadt selber sieht offenbar keinen Handlungsbedarf in Sachen Verkehrsprobleme infolge der motorisierten Touristenströme in den Dörfern der „autogerechten Stadt“ Haltern .
Radwegeausbau und ÖPNV haben in Lavesum keinerlei Priorotät
Bei dem Engagement für sichere Radwege an der Merfelder Straße oder an der Granatstraße über den Ketteler Hof hinaus nach Reken und Lippramsdorf begnügen sich Politiker und Verwaltung mit dem vom Landesbetrieb und RVR mitgeteilten Verschieben des Ausbaus in spätere Jahrzehnte. Das passt für die Touristenstadt Haltern, wo in den letzten 20 Jahren kein Meter Radweg neu gebaut wurde. Auch die vielen guten Vorschläge aus der Bürgerbeteiligung zum Förderprogramm für die Hohe Mark (z.B. Einrichtung von Fahrradstraßen und Elektro-Pendlerbussen zu den touristischen Zielen) blieben unbeachtet. Somit muss sich auch Lavesum noch auf viele Jahre Verkehrschaos an den Sommerwochenenden einrichten?
Bewohner der Seniorenwohnanlage besonders betroffen
Besonders die Bewohner der Seniorenwohnanlage Kastanienhof direkt an der lauten Rekener Straße (mit Autostellplätzen rings um das Gebäude und einer Tankstelle gegenüber) können einem leid tun, denn sie haben keine Rückzugsmöglichkeit in einen vom Verkehr abgewandten grünen Außenbereich mit Aufenthaltsqualität. Aber von den Fenstern und Balkonen lässt sich der Durchgangsverkehr gut betrachten, und auch die übrigen Dorfbewohner können ja am Wochenende mal auf die Nutzung ihre Gärten und Terrassen verzichten, um sich nicht dem Motorlärm und den Abgasen auszusetzen.
Unausgewogenes Touristikkonzept bedarf Diskussion um Interessenausgleich
Der einstige Schwerpunkt des Touristikkonzeptes der Stadt Haltern - mit dem Angebot der naturnahen stillen Erholung für Wanderer, Radfahrer, Reiter und Wassersportler in der Erholungslandschaft - hat sich im laufe der Jahre immer mehr verlagert auf kommerzielle Vergnügungs- und Freizeitangebote und eine Serie von Event-Veranstaltungen, mit der immer mehr motorisierte Menschen von weither angelockt werden, denen es weniger um das Naturerlebnis in der Halterner Landschaft geht als vielmehr um allerlei Erlebnisse und Zeitvertreib (zur Freude der Betreiber profitabler Einrichtungen) sowie um bloße "Spritztouren" durch die Landschaft. Nachhaltigkeit gerät immer mehr in den Hintergrund und die Belastung oder Überlastung der Erholungslandschaft wird gar nicht erst thematisiert, geschweige die Klimabelastung durch den hohen CO2-Ausstoß und die geschädigten Wälder in Haltern.
So wird die verkehrsintensive Ausweitung solcher Freizeiteinrichtungen in der eigentlich schützenswerten Landschaft gerade auch in Lavesum immer weiter forciert. Dabei wäre für Haltern insgesamt längst eine Diskussion fällig über die Interessenkonflikte zwischen weiterem Massentourismus und geplagten Anwohnern sowie zwischen Klima- und Landschaftsschutz versus Freizeitnutzung und Verkehrsaufkommen. Das sind durchaus konfliktträchtige Themen und Auseinandersetzungen, die nicht gescheut werden sollten im Sinne der jüngst vom Kreistag Recklinghausen beschlossenen "Trierer Erklärung":
- „Unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Bewertungen politischer Themen, auch unterschiedliche Positionen sind Teil unserer Demokratie. Demokratie braucht Auseinandersetzung, Demokratinnen und Demokraten müssen auch Streit aushalten und Widerspruch akzeptieren. Eine wehrhafte Demokratie lebt von einer aktiven und wachen Zivilgesellschaft vor Ort.“
Wilhelm Neurohr, 06. April 2024
PS. Und hier der Kommentar des Halterner Bürgermeisters anderntags beim Werbeverein "Haltern tut gut":
"Kein Grund zum Meckern"
"Wenn es am Wochenende Mal keinen Parkplatz in Haltern oder den Ortsteilen mehr gibt, ist das kein Grund zum Meckern. Es ist gut, dass so viele Menschen nach Haltern kommen. Wir haben hier Magnete und Anziehungspunkte. Das sind Standortvorteile gegenüber Nachbargemeinden."
Autor:Wilhelm Neurohr aus Haltern | |
Webseite von Wilhelm Neurohr |
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