Leserbrief / Kommentar zur gutachterlichen Prüfung
Seniorenwohnanlage in Haltern-Sythen: Unterlassene Bebauungsplanänderung im vereinfachten Verfahren als grobe Gesetzesverletzung

Nachdem der unabhängige Gutachter, den der Kreis Recklinghausen bei der rechtlichen Überprüfung des umstrittenen Baugenehmigungsverfahrens der Stadt Haltern für die Seniorenanlage in Sythen eingeschaltet hat, den Bürgern Recht gegeben hat,  dass die Bauausführung nicht durch den Bebauungsplan gedeckt ist, hätte die Stadt dafür keine Befreiung bzw. Baugenehmigung erteilen dürfen. Doch die Fehlentscheidung lag schon darin, dass die Stadt zuvor kein gesetzlich erforderliches vereinfachtes Änderungsverfahren für den Bebauungsplan mit Öffentlichkeits- und Ratsbeteiligung durchgeführt hatte. Dazu hier der Kommentar: 

„Grobe Gesetzesverletzung aus Versehen?“

Um festzustellen, dass die erteilte Baugenehmigung der Stadt für die umstrittenen baulichen Änderungen des Seniorenbauprojektes Sythen in drei Punkten rechtswidrig war, bedurfte es keines 13-monatigen Prüfverfahrens durch die Aufsichtsbehörde und beauftragte externe Fachjuristen.

Denn es lag für alle erkennbar eine grobe Missachtung der grundlegenden und allseits bekannten Gesetzesregelung des § 13 Baugesetzbuch durch die städtische Bauverwaltung vor. Dessen Kenntnis und Anwendung gehört zum „kleinen Einmaleins“ eines jeden Sachbearbeiters und erst recht jeder Führungskraft im Bau- und Planungsamt. Im vorliegenden Fall hätte ein vereinfachtes und beschleunigtes Änderungsverfahren für den rechtskräftigen Bebauungsplan nach § 13 BauGB per Ratsbeschluss zwingend eingeleitet werden müssen, bevor Baugenehmigungen für die architektonischen Änderungen erteilt werden.

Immer dann, wenn bauliche Änderungen zwar nicht die wesentlichen Grundzüge der Planung berühren, aber dennoch in Einzelpunkten vom rechtskräftigen Bebauungsplan abweichen, ist laut Gesetz ein vereinfachtes Änderungsverfahren unumgänglich. Es gewährleistet die hier unterbliebene Beteiligung der Öffentlichkeit, auf die sie ein Anrecht hatte, und auch der wichtigsten Träger öffentlicher Belange, und zwar in kürzester Zeit und in vereinfachter Verfahrensabwicklung. Das weiß man eigentlich im Rathaus...

"Ein Stück aus dem Tollhaus" - Rücksichtnahme auf Investoren-Interessen?

Hat man im Rathaus dennoch für diesen rechtlich vorgeschriebenen Schritt den Aufwand und die kurze Zeitverzögerung gescheut – im Interesse des Investors - oder wollte man der voraussehbaren Kritik der Anwohner ausweichen oder zuvorkommen?
Stattdessen wird nun das versäumte Bebauungsplan-Änderungsverfahren im Nachhinein durchgeführt, um die rechtswidrige Baugenehmigung nach Baufertigstellung planungsrechtlich abzusichern - ein Stück aus dem Tollhaus!

Das zerknirschte Eingeständnis der Verwaltungsspitze, die Verwaltung habe „nicht richtig gehandelt“ – sprich: versehentlich oder vorsätzlich rechtswidrig gehandelt – lässt sich nicht mit bloßen „Fehlern“ oder einem „Versehen“ im Baudezernat entschuldigen, auch nicht mit abweichenden Rechtseinschätzungen o.ä. Auch liegt keine bloße „Überschreitung der Ermessensspielräume“ vor, sondern eben eine grobe Missachtung einer grundlegenden Gesetzesregelung mitsamt den Beteiligungsrechten von Rat und Öffentlichkeit.

Man darf gespannt sein auf den vom Kreis angeordneten Maßnahmenkatalog der Stadt, „wie derartige Vorfälle künftig vermieden werden sollten“.

Wilhelm Neurohr

Autor:

Wilhelm Neurohr aus Haltern

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