Grundstücksspekulanten
Grundstücksspekulationen mit verteuertem Ackerland machen auch Halterner Landwirten zu schaffen

HALTERN AM SEE. In ganz NRW sind die Pacht- und Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen steil gestiegen. Vor allem im Münsterland haben sich die Preise in den letzten zehn Jahren verdoppelt bis vervierfacht. Der Grund: Investoren und Spekulanten sind am Grundstücksmarkt aktiv, die mit Landwirtschaft nichts zu tun haben. Die Hälfte aller Kaufverträge für landwirtschaftliche Flächen wurden mit Nicht-Landwirten geschlossen.

Seitdem Ackerland zum Spekulationsobjekt von Banken, Konzernen und Kapitalanlegern geworden ist und die Flächen der Landwirtschaft entzogen werden, geraten auch viele der fast 150 Halterner Landwirte mit insgesamt über 4.600 ha Fläche bei ihren Pacht- und Kaufabsichten in die Abhängigkeit der landwirtschaftsfremden Spekulanten mit ihren Wucherpreisen. Allerdings können sie auch günstig verkaufen oder selber zu Höchstpreisen verpachten.

Die Kaufpreise haben sich in NRW zwischen 2010 und 2020 von 28.000 € auf 60.000 € pro Hektar mehr als verdoppelt. Im Bundesdurchschnitt kostete demgegenüber 1 ha Ackerland in 2018 nur 25.500 € nach einem Anstieg in 10 Jahren um 133%. Laut Landwirtschaftkammer NRW gingen 51% der verkauften Ackerflächen im Land in 2022 nicht mehr an Landwirte. Die Finanzinvestoren und institutionellen Anleger bestimmen die Marktpreise. Durch Zukäufe von Unternehmens- und Gesellschaftsanteilen („Share deals“) werden dabei oft die Schutzvorschriften des Grundstücksverkehrsgesetzes umgangen und die Ersparnis der Grunderwerbssteuer erzielt. Die Preisdimensionen der Verpächter sind für die Landwirte nicht mehr finanzierbar, deren Existenz dadurch bedroht ist. Schon jetzt sorgt unter anderem der Kampf um die Äcker für steigende Preise bei regionalen Produkten.

Dreistellige Millionenumsätze durch Grundstücksgeschäfte mit Ackerland

Ackerland ist inzwischen eine beliebte Geldanlage. Der Umsatz durch Grundstücksgeschäfte mit Ackerland liegt landesweit bei 193 Mio €. Viele einflussreiche Unternehmen in NRW wollen laut WDR keine Auskunft über ihren Flächenbesitz geben oder genauer erklären, was sie mit den Flächen in Zukunft vorhaben. Eine transparente Erfassung der Käufer und damit der relevanten Akteure auf dem Flächenmarkt gibt es deutschlandweit nicht. Für eine bessere Regulierung wäre das aber eine wichtige Grundlage.

Der Kauf und die Verpachtung von Ackerland (auch für viele außerlandwirtschaftliche Investoren) entwickelt sich zu einer äußerst attraktiven Geldanlage, mit einer höheren und vor allem sichereren Rendite als bei anderen Anlagen. Das "Deutsche Institut für Altersvorsorge" wirbt damit:  "Investieren in Ackerland - Ackerland ist ein nicht alltägliches Investment, auf den zweiten Blick jedoch durchaus interessant und lohnenswert." Angesichts der enorm steigenden Bodenpreise verkaufen die Bauern selber ihr eigenes Land kaum noch, sondern behalten es lieber als Wertanlage, um es nur noch zu verpachten. Damit entsteht ein spekulativer „Teufelskreis“ auf dem Bodenmarkt für Agrarflächen.

Pachtpreise kaum noch bezahlbar

Die Pachtpreise sind deshalb auf Rekordstand und wachsen ungebremst weiter. Dabei stiegen die Preise sowohl für Ackerland als auch für Grünland in 2020 gegenüber der letzten Erhebung zweistellig. Kleinstbetriebe mit weniger als 5 ha zahlen dabei die höchsten Pachtpreise von durchschnittlich 963 €/ha. Die steigenden Pachtpreise sorgen für viel Unruhe bei den Bauern. Eine Konsolidierung der Pachtpreise ist nicht in Sicht. Die Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen steigen ungebremst weiter.

Im Jahr 2020 kosten die Pachtverträge die deutschen Landwirte so viel Pacht wie nie zuvor. Allein in den letzten 10 Jahren verteuerte sich Pachtland in Deutschland um 45 Prozent. Für die Bauern steigen somit auch die Kosten für das wichtigste und knappste Produktionsmittel, den Boden. Im Bundesmittel kletterten die Pachtpreise um knapp 10 Euro auf 372 Euro je Hektar Pachtfläche (Acker- und Grünland).

Preise weit oberhalb des Ertragswertes

In seiner „Flächenstudie“ für Haltern hat der Autor dieser Zeilen bereits vor 2 Jahren festgestellt: „Ein Hauptgrund für die enormen Preissteigerungen ist die allgemeine Kapitalmarktentwicklung der letzten Jahre: In Zeiten niedriger Zinsen haben immer mehr Geldanleger, auch außerhalb der Landwirtschaft, den Boden als Kapitalanlage für sich erkannt. Boden stellt derzeit eine sichere und vergleichsweise rentable Anlage dar, die im Unterschied zu anderen Anlageformen, wie zum Beispiel Immobilien, wenig Arbeit macht und kaum Risiken birgt."

Aus dem Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bodenmarktpolitik von 2015 geht hervor, dass die Zahl der Investoren, die nicht aus der Landwirtschaft stammen, seit einigen Jahren stark zugenommen hat. Käufer, die Flächen zur Vermögensanlage erwerben, sind häufig in der Lage, Preise weit oberhalb des Ertragswertes zu zahlen. Viele aktiv wirtschaftende Landwirte können oder wollen da nicht mithalten. Oft sind es zahlungskräftige überregionale Investoren auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten.

Wie geht es weiter für die Landwirte?

Viele Landwirte fragen sich daher zu Recht, wie es weiter geht. Fakt ist, dass Ackerfläche immer knapper und teurer wird und die Bevölkerung immer weitere Bauflächenansprüche stellt. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass die Preise in absehbarere Zeit stark sinken werden. Einige landwirtschaftliche Akteure fordern, dass deshalb der Staat stärker regulierend in den Bodenmarkt eingreift, um den Preisanstieg zu bremsen um landwirtschaftliche Flächen als Produktionsgrundlage für Landwirte und eine nachhaltige Lebensmittelerzeugung zu erhalten.

Landwirtschaftliche Flächen sind nicht vermehrbar

Angeheizt wird der Pachtmarkt durch viele Faktoren: Ausgangspunkt ist jedoch, dass landwirtschaftliche Flächen nicht vermehrbar sind, die Nachfrage aber stark wächst. Das führt am Ende zu einem schärferen Wettbewerb, um die noch verfügbaren Flächen und zu kräftig steigenden Preisen. Viele Flächen werden infolge der Käufe durch nichtlandwirtschaftliche Akteure der landwirtschaftlichen Nutzung dauerhaft entzogen, so dass eine stetige Abnahme der landwirtschaftlich genutzten Flächen zu verzeichnen ist. Der knappe Boden verteuert die Preise.

Dabei stehen nicht nur Landwirte miteinander in Konkurrenz. Der Wettbewerb wird auch durch Kommunen, den Staat, die Energiewirtschaft und außerlandwirtschaftliche Investoren angeheizt. Fakt ist: Allein von 2004 bis 2019 gingen in Deutschland über 650.000 Hektar Agrarfläche für den Bau von Siedlungen, Gewerbegebieten und Straßen verloren, bei einer Gesamtfläche von etwa 16,6 Millionen Hektar, so die Feststellung in „agrar heute“.

Kommunale Bauprojekte auf landwirtschaftlichen Flächen

Ein immer drängenderes Problem für die Bauern ist der Flächenverbrauch durch die Kommunen und den Staat. Dazu gehört in Zeiten knappen Wohnraums vor allen der großflächige Neubau von Wohnanlagen oder die Errichtung ganzer Stadtviertel oder auch von Gewerbegebieten. Auch Bau von Straßen oder Stromtrassen fällt in diese Kategorie. Diese Expansionen finden meist auf den landwirtschaftlichen Flächen als „Verfügungsmasse“ statt. Haltern verzeichnet eine jährliche Abnahme der landwirtschaftlichen Nutzflächen von 74 ha.

Der Flächenverbrauch der Kommunen und der Wirtschaft zählt mittlerweile zu den größten Problemen für die Landwirte, auch wenn einige durch den Verkauf von Ackerland als künftiges Bauland an den Ortsrändern profitieren, wie auch in Haltern nicht selten als „vierte Fruchtfolge“ der Fall. Inzwischen sind im Internet zahlreiche Tipps zu finden, wie man beim Verkauf von Ackerland „die Steuerlast optimieren“ kann. Der Wertzuwachs durch Landverkauf kann hierbei ein Vielfaches des Ackerlandpreises erreichen, dessen Erlös in die Zukunft des landwirtschaftlichen Betriebes investiert werden kann. Doch gehen dadurch wertvolle landwirtschaftliche Flächen unwiederbringlich verloren und die Verknappung an Ackerland oder Pachtland wird verschärft. Landwirtschaftlichen Betrieben wird in einem rasanten Tempo der essenzielle Produktionsfaktor Boden und somit die Existenz entzogenen. Das Höfesterben geht weiter, die Kulturlandschaftspflege unterbleibt.

Bauern sind auf teures Pachtland angewiesen

In den westlichen Bundesländern waren 44% der landwirtschaftlichen Flächen in Eigentum und 54 Prozent gepachtet (Stand 2016), bundesweit sogar zwei Drittel Pachtland und nur ein Drittel Eigentum, also überwiegend Pachtland. In NRW beträgt der Anteil der gepachteten Flächen 62,5%. Im Jahr 2020 waren in Nordrhein-Westfalen von den insgesamt 1 473 200 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche 842 500 Hektar verpachtet. Auch in 2022 wachsen die Betriebe überwiegend durch Zupacht von Flächen. Knapp 58% der 1,5 Mio. Hektar landwirtschaftlich genutzter Flächen in NRW sind (laut landwirtschaftlicher Zählung 2020) verpachtet, das sind 0,8 Mio. Hektar.

In 2020 lagen die Pachtpreise für Ackerland um 53,7% höher als in 2010. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes lag der durchschnittliche Pachtpreis 2020 bei 518 Euro pro Hektar. Das waren 181 Euro mehr als im Jahr 2010. Für Ackerland mussten die Landwirte pro Hektar im vergangenen Jahr im Schnitt 614 € an Pacht zahlen (2010: 402 €), für Grünland 266 € (2010: 183 €).

Große regionale Unterschiede bei Kauf- und Pachtpreisen

Nach wie vor sind die Preisunterschiede für die Kauf- und Pachtpreise von Ackerland zwischen den Bundesländern, aber auch zwischen den Regionen in den Bundesländern sowie zwischen den einzelnen Kreisen des Münsterlandes sehr groß. Während in NRW der Kaufpreis für 1 Hektar Ackerland bei 53.000 € liegt, beträgt er im Bundesdurchschnitt mit 25.500 € weniger als die Hälfte. Regional ist der Kreis Borken mit 100.000 €/ha der Spitzenreiter (Stand 2018), gefolgt vom Kreis Coesfeld mit 89.000 €/ha. Allein in 2018 kletterten die Preise um 5.000 €/ha. Die Münsterlandkreise haben landesweit die größten Preissteigerungsraten, wie der LWL feststellte.

Bei den Pachtpreisen liegt NRW mit 614 €/ha an der Spitze und weit über dem Bundesdurchschnitt von 375 €/ha, gefolgt von Niedersachsen mit 595 €/ha und Schleswig-Holstein mit 547 €/ha. Demgegenüber kostet in Bayern die Pacht für 1 ha Ackerland nur 344 €/ha, in Baden-Württemberg sogar nur 291 € pro ha oder in Rheinland-Pfalz 248 €/ha. In den ostdeutschen Bundesländern wie Thüringen oder Sachsen liegt der Pachtpreis bei etwas über 200 €/ha, im Saarland sogar bei nur 104 €/ha. Einer der Treiber für diese Entwicklung sind neben der allgemeinen Inflation unter anderem auch Solarprojekte. Landbesitzer können mit der Verpachtung an Solarinvestoren bis zu zehnmal mehr Pacht pro Hektar erzielen als mit einem herkömmlichen Pachtvertrag. Geboten werden hierfür oft 2.000 bis 3.000 € Pacht pro Hektar.

Betriebsvergrößerungen über zusätzliche Pachtflächen

Der Anteil der gepachteten Flächen an dem insgesamt bewirtschafteten Land, hat sich weiter erhöht. Doch Neupachten kostet die Bauern ein Vermögen. Das war zumindest in den 15 Jahren vor 2015 noch komplett anders. Damals nahm der Eigentumsanteil stetig zu. Ganz offensichtlich wachsen die Betriebe mittlerweile vor allem über die Zupacht von Flächen, denn eines wird auch klar: Die Betriebsgrößen haben ebenfalls weiter zugenommen. Denn die Bauern stehen unter Wachstumszwang, wollen sie ihren Betrieb wirtschaftlich betreiben und nicht dem Höfesterben Vorschub leisten.

Es geht also auch hier wie bei den Tierhaltern der Trend zu großen Betrieben. Der Anteil der Großbetriebe mit einer Pachtfläche ab 100 Hektar lag im vergangenen Jahr um knapp 30 Prozent höher als noch vor zehn Jahren. In Haltern gibt es (nach der agrarstrukturellen Erhebung von 2016) rund 30 Großbetriebe mit über 50 ha und 56 Mittelbetriebe zwischen 20-50 ha sowie 53 Kleinbetriebe unter 20 ha. Im Durchschnitt haben die Halterner Landwirtschaftsbetriebe 35 ha Nutzfläche. Im Internet findet man unter Kleinanzeigen zahlreiche verzweifelte Gesuche von Halterner Landwirten nach Ackerpachtflächen. Im Stadtgebiet gibt es insgesamt 19.952 ha Ackerland, davon 22 Prozent Grünland. Pro Einwohner verzeichnet die Stadt statistisch 1.228 qm landwirtschaftliche Nutzfläche.

„Ackerland in Bürgerhand“

Um den Teufelskreis zu durchbrechen, bilden sich vielerorts Genossenschaften (insbesondere bei den Bio-Bauern), um die Böden zu retten für den Biolandbau. Die Sicherung landwirtschaftlicher Flächen durch gemeinsamen Flächenerwerb angesichts der hohen Bodenpreise, die sich in einer Generation nicht mehr refinanzieren lassen, ist das Anliegen solcher Genossenschaften. Damit soll verhindert werden, dass Ackerland weiterhin zum Spekulationsobjekt wird für Investoren außerhalb der Landwirtschaft, die am Kauf und Verkauf zu Höchstpreisen verdienen wollen.

Wilhelm Neurohr, 06. Juni 2023

Autor:

Wilhelm Neurohr aus Haltern

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