Erweiterung Hof Hagedorn im Außenbereich
Gleiches Planungs- und Baurecht für alle Bürger – oder Bürger 1. und 2. Klasse?

Wie mit dem „Halterner Landrecht“ das Bau- und Planungsrecht ausgetrickst wird

HALTERN AM SEE. Wieder einmal soll in Haltern ein rechtlich eigentlich unzulässiges Großvorhaben im landschaftlich schützenswerten Außenbereich nachträglich per Flächennutzungsplanänderung und Bebauungsplan als „Sondergebiet“ rechtlich abgesichert und „nachgebessert“ werden, (wie schon in der Vergangenheit beim Prickings Hof, bei Jupps Biergarten, am Treibsand Silbersee oder beim Ketteler Hof und bei mehreren Wochenendhausgebieten). Trotz ihrer vom Landesbauministerium für rechtswidrig erklärten Außenbereichssatzung hatte die Stadt vor 3 Jahren dennoch eine fragwürdige Baugenehmigung für die überzogene bauliche Erweiterung des großflächigen Einzelhandelsbetriebes Hof Hagedorn erteilt und dafür die rechtswidrige Satzung solange einfach aufrechterhalten. Somit hat man vollendete Tatsachen geschaffen, entgegen dem Planungsrecht. Die Kommunalaufsicht und Obere Bauaufsicht hatten dieses bedenkliche Vorgehen gebilligt und die Landschaftbehörde hatte für die Baugenehmigung sogar die Befreiung vom Landschaftsschutz ermöglicht – ein Präzendenzfall, den man eigentlich vermeiden wollte.

Wegen der fehlenden planungsrechtlichen Grundlage wird hierfür nun mit 6 Jahren Verzögerung  erneut das berüchtigte „Halterner Landrecht“ trickreich zur nachträglichen Legalisierung bemüht, bei dem wiederum die Aufsichtsbehörden entgegenkommend mitspielen ("Lex Hagedorn"). Für einen kleinen familienbetriebenen Hofladen mit angeschlossener Gastronomie, von denen es mehrere im Halterner Stadtgebiet legal gibt, bedürfte es aber keiner Planverfahren, denn diese sind im Außenbereich zulässig. Doch hier geht es um eine ganz andere, unverträgliche Größenordnung, bei der man dem Betreiber bei der Ausbreitung in die wertvolle Landschaft gefällig sein möchte. Dazu erstrebt man ein bauleitplanerisches „Sondergebiet Hofladen“, das die Baunutzungsverordnung eigentlich gar nicht vorsieht. Sondern nur „großflächige Einzelhandelsbetriebe“ als „sonstige Sondergebiete“ werden bei dieser Dimension ermöglicht, sofern keine schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Verkehr entstehen - was hier aber der Fall ist.

Die Lokalzeitung nennt das wohlwollend „nachbessern“ und bezichtigt kritische Einwender, sie wollten das Vorhaben „verhindern“. Dabei ging es denen lediglich darum, die Erweiterungsmaßnahmen statt um das Zwei-bis Dreifache des Bestandes auf den gesetzlich zulässigen Umfang zu beschränken, da das für alle Bürger gleichermaßen gültige Bau- und Planungsrecht keine Sonderrechte für einflussreiche Gewerbetreibende vorsieht. Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich, unabhängig von ihrem sozialen Status, so heißt es im Artikel 3 des Grundgesetzes, denn es gibt keine Bürger 1. und 2. Klasse und niemand steht über dem Gesetz. (Ein pensionierter Verfassungsrichter drückte es einmal so aus: "Ein Gesetz, dass nicht für alle gilt, das gilt für niemanden; dann haben wir Anarchie.")

An der Schwelle zum großflächigen Einzelhandelsbetrieb auf grüner Wiese

Beim Eigenheim oder der Garage und dem Wintergarten gilt konsequent gültiges Planungs- und Baurecht für alle. Anders beim Touristenmagnet „Hof Hagedorn“ in Lavesum, einem früheren kleinen Hofladen mit Café als Familienbetrieb , das sich längst immer mehr bis ins Landschaftsschutzgebiet ausdehnt bis zu einem quasi großflächigen Einzelhandelsbetrieb auf der grünen Wiese mit über 120 Beschäftigten und mit ausgedehnter Gastronomie und Sonntagsverkauf . Hinzu kommen hunderte versiegelte Parkplätze mit hohem Verkehrsaufkommen, zuzüglich mehrere Wohnhäuser für die Betreiber sowie neuer Lager- und Wirtschaftsgebäude. An den Wochenenden im Sommerhalbjahr ist das gefährliche Verkehrschaos und der Rückstau an der Hofeinfahrt für die Anwohner im Dorf Lochtrup eine Zumutung. Eine aktuelle Verkehrszählung und Lärmmessung hatte die Stadt seinerzeit nicht unterstützt.

Inzwischen werden dort längst nicht mehr nur selbst erzeugte Produkte vom eigenen Hof zur bloßen Selbstvermarktung verkauft wie Gemüse, Kartoffeln und Erdbeeren sowie Blumen zum Selberpflücken, sondern in erheblichem Umfang mit Aufpreis auch Fleischwaren von der Halterner Fleischerei Redlich und einem Dorstener Betrieb, diverse Geschenkartikel von auswärtigen Herstellern, Blumen aus Holland, Weihnachtsbäume aus dem Sauerland, Weine aus dem Lande, Südfrüchte aus fernen Regionen und vieles mehr, mit der Erlaubnis auch zum Sonntagsverkauf. Die Verkaufsflächen einschließlich Außenverkaufszonen und das Verkaufssortiment wurden also sukzessive erweitert bis an die Schwelle zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb auf der grünen Wiese. Damit ist die rechtliche Zulässigkeit im Außenbereich verwirkt und entfallen, denn dessen Schonung ist bei Betriebserweiterungen das oberste Gebot.

Auch die IHK hatte Bedenken wegen der überzogenen Größenordnung

Bei dem rechtswidrigen Satzungsverfahren hatte auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) die Überschreitung von damals bereits 860 qm Verkaufs- und Außenverkaufsflächen zuzüglich großzügig geplanten zweigeschossigen Gastronomie-Gebäudes bemängelt, weil längst nicht mehr von einer „mitgezogenen landwirtschaftlichen Nebennutzung“ im rechtlichen Sinne die Rede sein kann. Zu einer ähnlichen Einschätzung kam auch ein Rechtsgutachten, das ein Nachbar des Hofbetriebes damals erstellen ließ.

Ausweitung und Bodenversiegelung ignorieren die Gesetzesvorgaben

Rechtlich zulässig wäre im Außenbereich nur eine „der bestehenden Betriebsfläche untergeordnete Betriebserweiterung und keine wesentliche Kapazitätserweiterung“, (d.h. max. 50% und nicht 250%, wie im vorliegenden Fall). Außerdem müsste eine Erweiterung „in einer Flächen sparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise ausgeführt werden.“ Alles das haben die Stadt und der Betreiber ignoriert, obwohl dieser sich stolz mit dem Ökoprofit-Zertifikat schmückt, das verbindlich zu einer Ressourcen schonenden Betriebsweise verpflichtet. Wörtlich  heißte es in der Selbstverpflichtung:  "Wir verpflichten uns, alle geltenden Rechtsvorschriften einzuhalten, Ressourcen zu schonen, Umweltbelastungen so gering wie möglich zu halten."

In dem nun vorgesehenen nachträglichen bauleitplanerischen Verfahren werden alle rechtlichen und inhaltlichen Anforderungen erneut auf den Prüfstand gestellt werden müssen und sind keine bloße Formsache. Auf die neue Begründung der Stadt, warum nun alle Schutzziele für den Außenbereich über den Haufen geworfen werden sollen, mitsamt der erforderlichen Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen, darf man gespannt sein.

Unvereinbar mit den Zielen der Regionalplanung und Landschaftsplanung

Auch die Unvereinbarkeit mit den übergeordneten Zielen der Regional- und Landesplanung wegen der Schutz- und Erholungsfunktionen dieser wertvollen Kulturlandschaft von überregionaler Bedeutung scheint die Stadt nicht zu beeindrucken. Der eigene städtische Flächennutzungsplan sah bisher hier einen landwirtschaftlichen Bereich vor, in dem keinesfalls eine bauliche Entwicklung vorzusehen sei, denn eine solche würde zu einem "städtebaulichen Mißstand" führen. Und der rechtsgültige Landschaftplan sieht hier die Erhaltung und Anreicherung der Landschaft vor. Ist das jetzt alles überholt und hinfällig?

Deshalb erstaunt es, wenn aus dem Rathaus verlautet, man habe sich im Vorfeld mit dem Regionalverband Ruhr (RVR) verständigt, obwohl dieser sich ansonsten vor allem für den Landschafts- und Freiraumschutz einsetzt und in seinem neuen Regionalplan auch die Hochwertigkeit der Landschaft an diesem Standort ausweist. Es ist nicht einsehbar, warum in Zeiten des notwendigen Klima- und Artenschutzes der unverzichtbare Flächenschutz an diesem Standort plötzlich obsolet sein soll und rein betriebswirtschaftlichen Privatinteressen geopfert werden soll ("Lex Hagedorn"). Mit 12.000 qm Neuversiegelung des Bodens für neue Gebäude und 240 Parkplätze geht jeder Anspruch der Nachhaltigkeit verloren.

Grüne Ratsfraktion stimmt gegen das überdimensionierte Erweiterungsvorhaben

Deshalb stimmte die grüne Ratsfraktion in Halterner Stadtentwicklungsausschuss gegen das Planverfahren zur nachträglichen Legalisierung des überdimensionierten Erweiterungsvorhabens, da das Maß mit einem sensiblen, schützenswerten Außenbereich verloren gehe. Die CDU-Vertreter sprechen  (mit einer eigenen juristischen Wortschöpfung) von einem „Heilungsverfahren" für das "wichtige und bedeutende Wirtschaftsunternehmen für Lavesum“.  (Die FDP und die WGH, die sich fast nur noch als Anhängsel und  Mehrheitsbeschaffer für die CDU-Ratsfraktion verstehen, unterstützten natürlich das rechtlich fragwürdige "Heilungsverfahren").

Derweil schimpfte die SPD-Fraktionsvorsitzende über die „doppelte Arbeitskraft, die nun unnötigerweise für die Planverfahren investiert werden müsse“. Dabei war es der damalige SPD-Stadtverbandsvorsitzende als Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, der nach einer Betriebsbesichtigung am Hof Hagedorn eigenmächtig sein grünes Licht für das schon damals heftig umstrittene Erweiterungsvorhaben öffentlich verkündete, ohne die dem entgegenstehende Rechtslage zu würdigen. War auch die SPD zu sehr im „Halterner Landrecht“ befangen?

Autor:

Wilhelm Neurohr aus Haltern

Webseite von Wilhelm Neurohr
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