Zur Diskusssion um Bausünden im Stadtgebiet Haltern
„Fragwürdige Genehmigungspraxis und planerische Versäumnisse“

Leserbrief zum Zitat der Baudezernentin im Halterner Stadtspiegel vom 4. Dezember 2019

Nachdem sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger zu Recht über Maßstab sprengende Bauvorhaben im gewachsenen Halterner Ortsbild empört haben, wird in der Ausgabe des Stadtspiegels vom 4. Dezember die scheidende städtische Baudezernentin mit der folgenden fragwürdigen Aussage zitiert:„Wenn sich ein geplantes Bauvorhaben in die nähere Umgebung einfügt, hat der Bauherr einen gesetzlichen Anspruch auf eine Baugenehmigung.“

Damit behauptet die Stadtverwaltung, die gestalterisch umstrittenen und überdimensionierten Bauvorhaben in den Baulücken würden sich -entgegen dem Empfinden der Bürger – in die nähere Umgebung angeblich einfügen und sie müsse deshalb rechtlich den Investorenwünschen uneingeschränkt stattgeben. Wenn das so stimmte, würde die Stadt ihre sonst stets verteidigte städtische „Planungshoheit“ sowie ihren Gestaltungswillen und Ermessensspielraum aufgeben und somit den privaten Investoren das Feld der Stadtgestaltung überlassen. Private Interessen würden damit über öffentliches Interesse und Nachbarschaftsinteressen gestellt.

Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden

Tatsache ist demgegenüber, dass nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes sich das Merkmal des „Einfügens“ innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (im Sinne des § 34 Baugesetzbuch) sowohl auf Art und Maß der baulichen Nutzung, als auch auf die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche bezieht. Laut Landesbauordnung NRW von 2018 ist auch die vorhandene Höhe der umgebenden Bebauung maßgebend, (aber leider nicht mehr, wie früher, auch die prägende Dachform wie z. B. Flachdach oder geneigtes Sattel- oder Walmdach).
Vor allem schreibt das Bundesbaugesetz unmissverständlich vor, dass das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden darf und die Bauvorhaben mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sein müssen. Nach diesen planungsrechtlichen Maßstäben hätten jedenfalls die umstrittenen Baugenehmigungen in Haltern so nicht erteilt oder nur mit einschränkenden Auflagen erteilt werden dürfen.

Von Nachbarstädten lernen

Warum gelingt es ringsum den benachbarten Städten im Münsterland, auf dieser Rechtsgrundlage solche Bausünden wie in Haltern zu vermeiden und mit positiven Beispielen angepasster Neubebauung in Baulücken aufzuwarten, während nur in Haltern diese Konflikte so massiv auftreten?
In Haltern scheint auch das Instrument von rechtsverbindlichen städtebaulichen „Gestaltungssatzungen“ unbekannt zu sein, obwohl die Stadt nach dem Baugesetzbuch hierzu ermächtigt ist und den Investoren damit Gestaltungsvorgaben machen kann. Auch wird in anderen Städten im Vorfeld von Bauanträgen oder Baugenehmigungsverfahren intensive Bauberatung durch qualifizierte Architekten in der Verwaltung vorgenommen, wenn die freischaffenden Architekten (oder manchmal sogar die eigene Stadtsparkasse als Bauherr oder Immobilien-Vermarkter) sich als gestalterisch unsensibel erweisen und dem Profitinteresse den Vorrang geben vor gestalterischer Qualität.

Stadt ist Opfer eigener Planungssünden

Die Stadt ist also nicht so ohnmächtig gegenüber den Fehlentwicklungen, wie vom Baudezernat in den Fachausschüssen und öffentlich dargestellt. Vielmehr sind die Halterner Stadtplaner Opfer ihrer eigenen eklatanten Versäumnisse, wie das krasseste Beispiel einer Bausünde im Ortsteil Lavesum (Neuer Baukoloss an der Rekener Straße/Ecke Talstraße) belegt. Dort ist zuvor die gesamte Neubausiedlung mit ca. 90 Wohngebäuden auf dem grünen Höhenzug zwischen Rekener Straße/ Napoleonsweg/Talstraße und Hochstraße) seinerzeit ohne eigentlich erforderlichen ordnungsgemäßen Bebauungsplan erstellt worden, sondern man hat das Baugebiet unzulässiger Weise als ein „innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils“ gemäß § 34 BauGB deklariert und sich damit jedweder städtebaulichen Gestaltungsmöglichkeit entledigt. (Damit war der Begriff des „Halterner Landrechtes“ im Volksmund geboren….)

Die gestaltungswilligen Halterner Nachbarstädte erstellen demgegenüber sogar bei angestrebten Baulückenerschließungen im bebauten Innenbereich dafür eigens Bebauungspläne oder erlassen die erwähnten Gestaltungssatzungen, um ihren gestalterischen Einfluss und ihre Planungshoheit im öffentlichen Interesse zu sichern. Vielleicht setzt man sich einfach mal mit den Kollegen in den benachbarten Planungsämtern zum Erfahrungsaustausch zusammen, wie diese eine gelungene Stadtgestaltung mit Anerkennung in der Bürgerschaft hinbekommen haben? Sonst geht es mit der ungeregelten Verunstaltung des Stadtbildes immer so weiter, was niemand in Haltern wollen kann. Für den neuen Baudezernenten (mit der Qualifikation eines gelernten Verwaltungsbeamten) wird dieses Thema zu einer ersten großen Herausforderung.

Wilhelm Neurohr
(Dipl.-Ing. für Städtebau und Landesplanung)

Autor:

Wilhelm Neurohr aus Haltern

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