Forensik in Haltern: Bezirksregierung könnte Veto des Rats aufheben
Haltern. Die außerordentliche Ratssitzung zum Thema Forensik-Standort in Haltern am See konnte die Erwartungen bei weitem nicht erfüllen. Da waren sich die Ratsmitglieder und etwa 80 Bürgerinnen und Bürger einig. Die meisten von ihnen kritisierten, dass nach wie vor die vom NRW-Gesundheitsministerium versprochene und beschworene Transparenz nicht vorhanden war.
Bürgermeister Bodo Klimpel zog nach der etwa zweieinhalbstündigen Sitzung dieses Fazit: „Zunächst einmal begrüße ich es, dass das Ministerium schnell nach dem Bekanntwerden des Standortes an Schacht 1/2 bereit war, bei uns Stellung zu beziehen. Allerdings blieb doch am Ende eine Reihe von Fragen offen, warum im Landgerichtsbezirk Essen von insgesamt 17 geprüften Flächen ausgerechnet nur die beiden in Haltern am See übrig geblieben sind. Wir werden nun in aller Ruhe prüfen, wie wir weiter vorgehen werden.“
Uwe Dönisch-Seidel, Landesbeauftragter für den Maßregelvollzug, sowie Falk Schnabel, Gruppenleiter für den Maßregelvollzug im Gesundheitsministerium, erläuterten im Schnelldurchgang, warum bestimmte Flächen im Landgerichtsbezirk Essen nicht für eine forensische Klinik geeignet gewesen seien.
Mindestens 50 Metern zur Wohnbebauung
Sie differenzierten nach „harten Kriterien“ (Verfügbarkeit, ausreichende Größe von fünf Hektar, Abstand von mindestens 50 Metern zur Wohnbebauung, Zuschnitt) sowie nach „weichen Kriterien“ (frühester Zeitpunkt der Verfügbarkeit, therapeutische Rahmenbedingungen, Wirtschaftlichkeit, Personalgewinnung). Ein weiteres Kriterium war die planungsrechtliche Zulässigkeit. Auch wenn der letzte Punkt für beide Halterner Standorte (AV 9 und Schacht 1/2) nicht erfüllt wurde, standen nach Ministeriumsangaben am Ende nur noch diese beiden Flächen in der engen Auswahl, weil alle anderen untersuchten Standorte durchs Raster gefallen waren. Begründung: Sie stünden nicht zur Verfügung oder seien zu klein. Gerade das wollten die Zuhörer nicht glauben, fiel ihnen doch auf, dass bei vielen der Flächen in Dorsten, Bottrop, Essen, Gelsenkirchen und Marl die RAG Eigentümerin ist und – so Falk Schnabel – nicht verkaufen wolle. Dazu Schnabel: „Enteignen können wir aber nicht.“
„Enteignen können wir aber nicht“
Warum sich die Verantwortlichen in Düsseldorf letztlich für Schacht 1/2 und damit gegen den vor einem Jahr genannten Schacht AV 9 in der Hohen Mark ausgesprochen haben, begründete er so: „Die Fläche auf 1/2 ist bereits versiegelt, es müssen keine Rodungen vorgenommen werden, es gibt eine bessere Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr und wir können früher über diesen Standort verfügen.“ In diesem Zusammenhang machten die Ministeriumsvertreter noch einmal deutlich, dass es einen sehr großen Bedarf an neuen Plätzen in forensischen Einrichtungen gebe. Der Halterner Peter Eltrop, kaufmännischer Direktor in der Haardklinik und in weiteren psychiatrischen Einrichtungen des LWL, sieht keinerlei Probleme in der räumlichen Nähe zwischen der Haardklinik und dem Standort 1/2: „Wir haben in Dortmund eine noch größere Nähe, die uns in keiner Weise Minuspunkte beschert.“
Als reine Bauzeit für die 45-Millionen-Euro-Investition gaben die Referenten zwei Jahre an. Zu den nun anstehenden Klärungen der baurechtlichen und -planerischen Fragen könne auch das Einvernehmen mit der Stadt Haltern am See gehören. Die Frage, was passiert, wenn der Rat dieses Einvernehmen nicht billigt, wurde so beantwortet: „Dann entscheidet darüber die Bezirksregierung, ob sie die Ratsentscheidung ersetzen kann.“
Wie weit die Wahrnehmungen zwischen den Beteiligten auseinander gehen, wird an folgenden Äußerungen deutlich: Während das Ministerium von einer bisher in Deutschland einzigartigen Transparenz und Bürgerbeteiligung redet, erklärt CDU-Fraktionsvorsitzender Franz Schrief: „Dagegen ist die Papstwahl eine öffentliche Veranstaltung.“
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