Trendwende am turbulenten Immobilienmarkt
Ein Dämpfer für Immobilienspekulanten auch im teuren Haltern am See?
HALTERN AM SEE. Beginnen nun auch in der sündhaft teuren Seestadt Haltern als begehrte Wohnstadt trübere Zeiten für Immobilienbesitzer und -spekulanten? Sie profitierten Jahrzehntelang unangemessen von anhaltenden Preisexplosionen auf dem örtlichen Immobilienmarkt. Derzeit sinken endlich die Immobilienpreise in fast allen großen Städten und auch auf dem Land um durchschnittlich 10 Prozent, entgegen dem Trend der preistreibenden Inflation. Und zwar in Deutschland ebenso wie in anderen Ländern weltweit – mit etwas Verzögerung auch im Ruhrgebiet und seinem ländlichen Umland. Noch ist die Sorge um ein folgenschweres Platzen der Immobilienblase nicht vom Tisch. Die Turbulenzen am Immobilienmarkt sind unübersehbar und gehen auch am örtlichen Immobilienmarkt in Haltern nicht spurlos vorüber – im Gegenteil, der Boom ist auch hier bald vorbei, mit oder ohne Crash.
Zuletzt kostete ein Baugrundstück in Haltern das Zwei- bis Dreifache des bundesweiten Durchschnitts und der Preis verdoppelte sich alle zehn Jahre. Astronomische Grundstückspreise, die weit über dem Bodenrichtwert mit ihren absoluten Spitzenwerten liegen, wurden In Haltern nicht nur in guten Lagen verlangt. Und Häuser unter einer halben Mio. € waren und sind kaum noch zu bekommen. Selbst bei sanierungsreifen Altbauten hofft man weiterhin auf erzielbare Höchstpreise, weit über dem tatsächlichen Objektwert. Mancher will auch jetzt schnell noch ohne große Verluste verkaufen, bevor die Preise weiter sinken, obwohl momentan immer noch hohe und weiterhin steigende Mieteinnahmen zu erzielen sind. Und wer neu bauen möchte, wird aktuell davon abgehalten durch deutlich gestiegene Bauzinsen, drastisch steigende Baupreise, Lieferprobleme bei Baumaterialien und Fachkräftemangel bei den Handwerkern, so dass manches Bauprojekt auf Eis liegt oder der Traum vom eigenen Haus begraben werden muss.
Ungebremster Preisanstieg auf dem ungeregelten Immobilienmarkt
Eigentumswohnungen mit jährlichen Preisanstiegen um 15% haben sich in den letzten 10 Jahren um 85% verteuert, Ein-und Zweifamilienhäuser um 75% und Baugrundstücke um 65%. Wohnimmobilien lagen damit um bis zu 30% über ihrem tatsächlichen Wert. Die Zahl der privaten Haushalte, die das finanzieren können, nimmt auch in der wohlhabenden Stadt Haltern immer mehr ab, zumal bei drastisch steigenden Baupreisen und deutlich gestiegenen Bauzinsen. Haltern mutierte im letzten Jahrzehnt ungebremst zur teuersten Wohnstadt in der Region und übertrifft sogar Münster bei den Grundstückspreisen, zum Nachteil ihrer Bewohner und zum Vorteil der Grundbesitzer. Der örtliche Immobilienmarkt wurde allzu lange ungeregelt dem „freien Spiel der Marktkräfte“ überlassen. (Und sogar die eigene städtische Flächengesellschaft in Haltern beteiligt sich an diesem lukrativen Spiel, anstatt preisdämpfende Konzepte zu entwickeln, wie in anderen Städten).
Bauunternehmen und Investoren bestimmen, was, wo, wie und für wen gebaut wird
Das hielt manche Kommunalpolitiker in Haltern nicht davon ab, Krokodilstränen zu vergießen über die angeblich nicht zu bremsenden Grundstücks- und Immobilienpreise sowie den Mietenanstieg in ihrer Stadt. Denn man hat in Wahlkämpfen den Bewohnern eigentlich „bezahlbares Wohnen für alle Bevölkerungsgruppen“ versprochen. Stattdessen überlässt man jedoch den kommerziellen Rendite-Jägern das Feld der Bau- und Wohnungsplanung, indem örtliche Investoren und Bauunternehmen sich selber ihre Bebauungspläne nach ihren Wünschen und Vorstellungen entwerfen dürfen, wie jüngst im Halterner Ortsteil Lavesum oder zuvor in Lippramsdorf und Bossendorf. Die Stadt Haltern hat faktisch ihre städtische Planungshoheit teilweise abgetreten und damit mehr oder weniger privatisiert, (wie es eine Maklerlobby schon vor Jahren gesetzlich zu verankern versuchte, am liebsten mit eigenem Fachpersonal in den kommunalen Planungsämtern).
Immobilienspekulanten haben die Trendwende noch nicht verinnerlicht
Von „sozial gerechter Bodenordnung“ als gesetzliche Vorgabe für die Kommunen im Baugesetzbuch ist in der Praxis keine Spur in Haltern. Und die Immobilienspekulanten haben die aktuelle Trendwende am Immobilienmarkt noch nicht verinnerlicht, sondern hoffen auf möglichst geringe Einbußen bei ihren fortgesetzten Profit-Erwartungen. Also vorerst „weiter so“? So bleibt Haltern am See wohl auch noch eine kurze Weile ein unbezahlbar „teures Pflaster“ im „Speckgürtel“ der großen Ruhrgebietsstädte und „El Dorado für Spekulanten“. Allzu sehr und allzu lange haben sich alle Beteiligten daran gewöhnt, dass Haltern im Umland der großen Ruhrgebietsstädte Höchstpreise und Höchstgewinne ungehindert ermöglicht. Etwa 30% bis 40% der Immobilien in Haltern werden nicht selber genutzt, sondern dienen Anlegern als lukrative Kapitalanlage, darunter auch besonders gewinnbringende, weil überteuerte Seniorenwohnungen. Nun aber stoßen die Immobilienakteure allmählich an die Grenzen des Bezahlbaren für Käufer und Mieter und befördern somit selber die Trendwende hin zur Preissenkung auf dem Immobilienmarkt.
Unersättliche Profitgier führte zu spekulativen Übertreibungen am Immobilienmarkt
Anfang November berichteten die Medien, dass die Zahl der Korruptionsverfahren in NRW (Bestechung und Bestechlichkeit) sich in den letzten jahren verdoppelt und verdreifacht hat - und zwar im Wesentlichen im Baugewerbe. Das dürfte die meisten kaum verwundern, denn die bisherigen „spekulativen Übertreibungen“ können im Klartext auch mit „unersättlicher Geldgier“ umschrieben werden. Sich als handelnder Akteur dabei hinter den Marktgesetzen von knappem Angebot und hoher Nachfrage zu verstecken, wäre nicht redlich. Denn In Haltern und anderswo war es nicht der anonyme Markt, der „bedauerlicherweise“ die ausufernde Preisentwicklung erzeugte, sondern es sind die handelnden Menschen vor Ort als Individuen, die wegen ihrer egoistischen Eigeninteressen dem Sozialstaatsprinzip zuwider handeln. In der „Halterner Zeitung“ wurde dies im Juli 2022 so kommentiert: „Grundstückspreise werden in Haltern wie anderswo individuell ausgehandelt, schon lange gehen die Preise erbarmungslos steil nach oben. (…) Zum Verhandeln gehören auch immer zwei. Käufer und Verkäufer. Da ist sich jeder selbst der Nächste.“ Und natürlich freut sich auch der „kleine Eigenheimbesitzer“ in Haltern, dass hier sein bescheidenes älteres Häuschen ohne sein Zutun innerhalb von wenigen Jahrzehnten seinen Wert verdoppelt und verdreifacht hat. Vermögensbildung durch Zeitablauf. Das ist nun vorbei.
Goldgräbermentalität bei der Jagd nach „Betongold“ – Party ist bald vorbei
Bei hiesigen Maklern, Bauunternehmen, Investoren, Kapitalanlegern und Grundbesitzern sowie den Immobilienabteilungen der Banken breitete sich in den letzten 20 Jahren angesichts der ungebremsten Preisspirale geradezu Goldgräbermentalität aus. Die Aussicht auf leistungslose Kapital- und Vermögenssteigerung („Betongold“) durch Immobilienbesitz und -vermarktung in Haltern ist allzu verlockend. Die überdurchschnittlich einkommensstarke und wohlhabende Bevölkerung in der Stadt (und die einkommensstarken Neubürger aus dem Umland) mit gehobenen Wohnflächenansprüchen im Grünen als Zielgruppe ließen hier jedes Maklerherz höher schlagen. Doch die Party am gewinnbringenden Immobilienmarkt scheint bald vorbei zu sein.
Zins- und Preisanstieg: Träume vom eigenen Haus platzen und Mieten steigen
Denn derzeit steigen, wie erwähnt, die Bauzinsen und vor allem die Baukosten und lassen für viele den Traum vom eigenen Haus platzen (auch wenn eine Minderheit im wohlhabenden Haltern noch genügend Eigenkapital aufbringen kann). Für manche könnte das aber auch den Weg in den Ruin bedeuten und sie zur Schuldnerberatung führen. Viele weichen deshalb auf Mietwohnungen aus, die in der Eigenheim-Stadt Haltern jedoch rar sind, und verdrängen hier andere Bedürftige, so dass die Mietpreise absehbar weiter steigen. Bezahlbare Wohnungen für Normalverdiener sind in Haltern absolute Mangelware. Angebot und Nachfrage passen nicht übereinander. Neu gebaut werden allenfalls teure Komfortwohngen oder anspruchsvolle Eigentumswohnungen für gehobene Ansprüche, sogar in dörflichen Randlagen. Das treibt den Mietpreisspiegel im gesamten Stadtgebiet nach oben.
Der Mietenwahnsinn geht in Haltern weiter – Wahre Verlierer der Trendwende
Der Mietenwahnsinn in Haltern geht trotz oder wegen der Preisabsenkung am Immobilienmarkt vorerst weiter. Er lässt große Bevölkerungsgruppen mit ihrem Bedürfnis nach bezahlbarem Wohnraum völlig außer Acht und verdrängt sie aus der teuren Stadt. Denn öffentlich geförderter (sozialer) Wohnungsbau – der aktuell wegen der Kostenexplosion generell ins Stocken gerät - gilt in der Halterner Kommunalpolitik quasi als Störung der „homogenen Bevölkerungsstruktur“. Denn die gehobene Mittelschicht möchte hier am liebsten „unter sich bleiben“ in ihren ausgedenten Eigenheimsiedlungen im Grünen. Derweil reichen die Mietpreise in Haltern teilweise fast an Hamburg, Düsseldorf, Heidelberg oder Wiesbaden heran. Die wahren Verlierer am Immobilienmarkt sind also weniger die Immobilienbesitzer, die aktuell oder in Kürze vielleicht 10% an Gewinnerwartung zurückschrauben müssen nach jahrzehntelangem Zugewinn um 50% bis 100%. Sondern die auf bezahlbare Mietwohnungen angewiesene Klientel ist erneut am meisten betroffen, weil nun die verhinderten Bauherren sich auch noch auf die verknappten Angebote auf dem Mietwohnungsmarkt stürzen.
Ratsfraktion beantragt bedarfsgerechte Wohnungsangebote in der Stadt
Deshalb ist es zu begrüßen, dass nunmehr eine Ratsfraktion (SPD) in Haltern die Einrichtung eines Fachressorts Wohnungswesen in der Stadtverwaltung beantragt hat, um ein bezahlbares und nachfrageorientierte Wohnraumangebot für alle Bevölkerungsschichten anzustreben und die Abwanderung der Klein- und Normalverdiener in die preiswerteren Nachbarstädte zu vermeiden, weil seit Jahren der angespannte Wohnungsmarkt in Haltern Preise in astronomischer Größenordnung hervorbringt.
Wilhelm Neurohr, 17. November 2022
> Siehe auch frühere Beiträge des Autors zu dem Thema im Lokalkompass:
Autor:Wilhelm Neurohr aus Haltern | |
Webseite von Wilhelm Neurohr |
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