Aktueller Wohnflächen-Vergleich
Die Bewohner von Haltern am See haben überdurchschnittliche Wohnflächen-Ansprüche

Foto: Immonet  

HALTERN AM SEE. Die Menschen in Deutschland wohnen auf immer mehr Raum in immer größeren Wohnungen und verbrauchen somit mehr Fläche, Dies wurde vor zwei Tagen in den Medien als Ergebnis einer aktuellen Studie über den steigenden Wohnflächenanspruch vermeldet. Mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von 50 qm pro Kopf oder 104 qm pro Wohnung bzw. Haushalt liegen die Bewohner der Stadt Haltern bei ihren Wohnflächenansprüchen deutlich über dem Durchschnitt, so hatte auch schon die Flächenstudie von 2021 für Haltern festgestellt.

Dabei liegt die Wohnungsgröße in den Eigenheimen mit 125 bis 157 qm Wohnungsgröße sogar noch weit darüber, wobei die oberen 10% der meist einkommensstarken Bewohner mit 83 qm Wohnfläche pro Person noch weitaus mehr Wohnfläche für sich beanspruchen. Damit tragen sie stärker zu steigendem Energieverbrauch und CO²-Emissionen bei und zum umweltschädlichen „Flächenfraß“ für ausgedehnte Wohnsiedlungen statt zur Entsiegelung von Böden. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht.

Nun bestätigt auch die aktuelle Studie von „Empirica regio“ mit Analyse von 9000 Städten und Gemeinden, dass weniger die Bewohner in den teuren Großstädten, sondern vor allem in den ländlichen Gemeinden wie Haltern für ihre Wohnungen immer mehr Wohnfläche beanspruchen, die trotz steigender Mieten und Immobilienpreise seit 2015 pro Kopf deutlich um 3,7% gestiegen ist, nachdem sie zuvor gesunken war: Im Durchschnitt bewohnen in Deutschland die Menschen 47 qm pro Kopf oder 91,9 qm pro Haushalt, vor allem in den Kleinstädten und Vororten; in den Großstädten beansprucht man nur 40,9 qm pro Kopf oder weniger als 80 qm pro Haushalt. Aber auf dem Land, wo Einfamilienhäuser mit einem großen Flächenverbrauch dominieren, bewohnen die Menschen im Durchschnitt 51,4 qm pro Kopf. Insgesamt kommen 0,2 Quadratmeter pro Jahr hinzu

Einpersonen-Haushalte und überalterte Bevölkerung erhöhen die Pro-Kopf-Wohnfläche

Es leben immer weniger Menschen in einer Wohnung, nämlich weniger als 2 Personen pro Haushalt oder Wohnung. In Haltern waren es bislang noch 2,1 bis 2,2 Personen, mit sinkender Tendenz, auch wegen der demografischen Entwicklung. Senioren bleiben oft allein in ihren zu groß gewordenen Wohnungen oder Eigenheimen, auch deshalb, weil sie keine bezahlbaren oder öffentlich geförderten und barrierefreien Single-Wohnungen mit einem passenden Zuschnitt in entsprechender Lage finden. Die wachsende Zahl an Einpersonen-Haushalten und der von der Pandemie verstärkte Wunsch nach geräumigen Wohnungen mit Blick auf Homeoffice wird das Flächenwachstum weiter vorantreiben. In Haltern wird einseitig der flächenintensive Einfamilienhausbau favorisiert, der die Begehrlichkeiten nach großzügigen Wohnflächen noch steigert und kaum Rücksicht auf die Wohnbedürfnisse der weit überwiegenden Ein- und Zweipersonen-Haushalte nimmt.

Wer hat wie viel Platz? – Manche Mieter werden bescheidener

Der Immobilienmarkt mit seinen dramatisch steigenden Mieten und Baupreisen hatte nur für kurze Zeit eine rückläufige Tendenz zu kleineren Wohnungen bewirkt. Der wieder zunehmende Wohnflächenanspruch trotz sündhaft teurer und weiter steigender Preise für das Wohnen bringt jedoch Gewinner und Verlierer hervor, wie die FAZ 2021 recherchierte:
Vor allem Jüngere können sich eine größere Wohnung oder gar eigene vier Wände kaum noch leisten. Im Corona-Lockdown sehnen sich viele Deutsche nach mehr Platz, einem zusätzlichen Arbeitszimmer oder einer größeren Terrasse.

In der Realität müssen vor allem einkommensschwächere Mieter diese Träume angesichts der rasant steigenden Preise jedoch begraben. Gerade in angespannten Wohnungsmärkten bleiben viele Mieter in ihren alten Wohnungen, weil sie sich eine größere nicht leisten können. In den Metropolregionen reagiere die Bauwirtschaft schon auf das Phänomen, dort werden kleinere Wohnungen als früher gebaut.

Mittlere Wohnungsgröße bis 100 qm

In einem Bericht für das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) wird genau nachgezeichnet, welche Gruppen in Deutschland auf wie viel Fläche wohnen: Der durchschnittliche Deutsche hat demnach exakt 41 Quadratmeter für sich zur Verfügung. (Anmerkung: In Haltern sind das 50 qm mit steigender Tendenz). Die „oberen 10 Prozent“, also die Menschen mit der meisten Fläche, können sich auf mehr als 83 Quadratmeter je Kopf ausbreiten. Die „unteren 10 Prozent“ haben höchstens 22 Quadratmeter für sich. Wird anstelle der Wohnfläche je Kopf die gesamte Wohnfläche betrachtet (unabhängig davon, wie viele Personen in der Immobilie leben), dann ist die mittlere Wohnung in Deutschland 92 Quadratmeter groß. (Anmerkung: In Haltern sind das 104 qm und mehr). Das sind im Schnitt zwei Quadratmeter mehr als vor zehn Jahren.

Einen gegenläufigen Trend gibt es in den Ballungsräumen und hochpreisigen Großstädten: Dort, wo große Wohnungen knapp und angesichts hoher Mieten teuer sind, geben sich viele Mieter bei Neuverträgen mit weniger Fläche zufrieden, stellt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fest. Wo die Mieten teurer sind, geht es auch beengter zu.

Eigentümer haben viel mehr Platz als Mieter

Allerdings zeigen sich enorme Unterschiede zwischen Eigentümern und Mietern. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes leben Immobilieneigentümer im Mittel in 125 Quadratmeter großen Wohnungen (in neuen Einfamilienhäusern sogar in 157 qm), die durchschnittliche Mietwohnung ist hingegen nur 75 Quadratmeter groß. Ein Eigentümer hat je Kopf gerechnet 48 Quadratmeter für sich, ein Mieter hingegen nur 35 qm.

Die Zahlen legen nahe, dass mittlerweile besonders Gutverdiener in ein Eigenheim umziehen. So besitzen mehr Selbstständige eine eigene Immobilie, aber immer weniger Beamte und Angestellte. Laut dem IW-Gutachten ist das Haushaltseinkommen der Immobilienkäufer deutlich gestiegen: von durchschnittlich 3.000 Euro netto im Jahr 2010 auf 4.000 Euro netto im Jahr 2017.

Zwischen 2015 und 2018 schrumpften noch die Wohnungsgrößen stetig

Noch im Jahr 2018 kam eine Studie von Geomap zu dem Schluss, dass in Deutschland der Trend zur kleineren Wohnung gehe – und das bei steigenden Kaufpreisen. Untersucht wurden die Angebote für neue Wohnungen in den 16 deutschen Landeshauptstädten zwischen 2015 und 2018. Demnach sank die durchschnittliche Wohnungsgröße von 99 auf rund 95 Quadratmeter, während die Preise um etwa 16 Prozent stiegen.

Als Grund gaben die Studienautoren zum einen die steigende Zahl der Single-Haushalte an, die meist weniger Wohnfläche benötigen, zum anderen die Ambitionen der Käufer, bei steigenden Preisen die richtige Balance zwischen Lage, Preis und Größe zu finden. Die durchschnittliche Wohnungsgröße in den Städten sank laut Geomap im untersuchten Zeitraum um fünf Prozent. In der Stadt Haltern ist eher der umgekehrte Trend erkennbar.

Die Stadt Haltern forciert flächenintensives Wohnen

Von den über 18.000 Wohnungen in Haltern befinden sich 62% (etwa 11.000 Wohnungen) in Ein- und Zweifamilienhäusern und nur knapp 35% (etwas über 6.000 Wohnungen) in Mehrfamilienhäusern, die überwiegend ohne öffentliche Förderung frei finanziert wurden (ohne Preisbindung oder Sozialbindung). In Deutschland insgesamt liegt die Wohneigentumsquote dagegen nur bei 46,5 % und in NRW bei 43,7% (Stand 2018). Somit liegt Haltern bei den Eigenheimen weit über dem Durchschnitt und bei den Mietwohnungen weit unter dem Durchschnitt. Damit forciert die städtische Bau- und Planungspolitik die flächenintensivste Wohnform mit entsprechenden Preisentwicklungen am Immobilienmarkt und mit maßlosen Steigerungen weit über dem Durchschnitt. Der gestrige Appell der NRW-Landesbauministerin Scharrenbach, an die Gemeinden, die Fördergelder für sozialen Wohnungsbau abzurufen, verhallt in Haltern ungehört. Auch das Förderprojekt des Bundes: "Auf weniger Platz leben" wird nicht in Anspruch genommen.

Der Anteil öffentlich geförderter Sozialwohnungen liegt derweil in Haltern bei lediglich 4,4%, Tendenz sinkend. (Mehr als 41% wurden davon vor 1970 gebaut). Der Anteil an Sozialwohnungen in Haltern liegt somit deutlich unter dem Durchschnitt von Kommunen mit ähnlicher Größe (11,2%), oder im Landesdurchschnitt (9,3%), wobei bis 2025 fast jede Vierte dieser Wohnungen aus der Sozialbindung herausfällt. Der preisgebundene Mietwohnungsbestand wird damit ohne Neuförderung von unter 300 auf unter 200 bis zum Jahr 2035 in Haltern absinken, wie die NRW-Bank errechnet hat. Das ist erklärtermaßen in Haltern so gewollt, um eine „homogene“ Bevölkerungsstruktur für die gehobene und einkommensstarke Mittelschicht zu bewahren, die hier auch entsprechende Wohnflächenansprüche realisieren kann.

Empfehlenswerte Streitschrift: „Verbietet das Bauen!“

Ein Trendumkehr zum flächensparenden (und bezahlbaren) Wohnen und Bauen wäre dringend geboten. Wie das erreicht werden kann, hat Daniel Fuhrhop in seiner provokanten Streitschrift „Verbietet das Bauen“ konstruktiv dargelegt, deren Lektüre sehr empfehlenswert ist. Da der Neubau von Wohnungen alles andere als sozial ist, liefert er innovative und mutige Ideen, um Altbauten zu erhalten, Leerstand zu beseitigen und unsere Städte flächensparend neu zu beleben.

In den Rezensionen heißt es: „Daniel Fuhrhop zeigt in seiner Streitschrift eine Fülle von Ideen und Argumenten auf, um Neubau überflüssig zu machen, alte Substanz zu erhalten, Leerstand zu beseitigen und unsere Städte neu zu beleben - zum Gewinn von Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft. Diese muntere und höchst emotional geschriebene und eigentlich ganz einfache Streitschrift sei allen potentiellen Bauherren, Architekten, Politikern, nicht zuletzt allen Bürgern dringend ans Herz gelegt. Hoffen wir, dass in zwanzig Jahren es alle kapiert haben.“ Ohne die selbstkritische Einsicht der flächenverbrauchenden Bewohner, ihre eigenen Flächenansprüche zu reduzieren, wenn Energieeinsparung, Flächen- und Klimaschutz sowie Umwelt- und Bodenschutz ernst genommen werden sollen, geht es nicht.

Wilhelm Neurohr

Eine Vertiefung des Themas enthält die Flächenstudie des Autors mit dem Wohnbau-Kapitel III, kostenfrei als pdf-Datei erhältlich unter Wilhelm.Neurohr@web.de

Autor:

Wilhelm Neurohr aus Haltern

Webseite von Wilhelm Neurohr
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