Halterner Kommunalwahlprogramme als Lippenbekenntnisse:
Der Ausverkauf von Stadt und Landschaft geht weiter – Wem gehört die Stadt?
"Wir gehen mit dieser Stadt um, als hätten wir noch eine zweite
im Kofferraum“ (frei nach Jane Fonda)
HALTERN AM SEE. Bezahlbares Wohnen für alle Altersgruppen einerseits und Schutz der wertvollen Landschaft andererseits - das waren die großen Versprechen im Kommunalwahlkampf der Halterner Ratsparteien. Ein knappes Jahr später ist erkennbar: Es geht trotz aller Lippenbekenntnisse ungebremst weiter mit dem Landschaftsverbrauch und Preisanstieg zugunsten zahlungskräftiger Minderheiten und Investoren unter dem Vorwand, „jungen Halterner Familien zu preisgünstigem Wohneigentum zu verhelfen“. Doch den meisten ist damit nicht geholfen, und auch nicht der schwindenden Landschaft.
Wer sind die wahren Profiteure und Preistreiber auf dem „heißen Immobilienmarkt“ in der begehrten Wohnstadt Haltern? Deren Bürgerinnen und Bürger fragen längst: Wem gehört eigentlich die Stadt? Denn der Ausverkauf von Stadt und Landschaft geht ungebremst weiter, als gäbe es keine Nachhaltigkeit, keine alternativen Wohnungskonzepte, keine Überalterung, keine Klimakatastrophe, keinen Flächenfraß und kein Artensterben.
Fast ein Jahr nach der Kommunalwahl ist noch kein einziges Projekt für diese Wahlperiode in Planung, das dem Versprechen nach bezahlbarem Wohnen in Haltern halbwegs nahekommt, geschweige nach flächensparender Umorientierung zugunsten der Innenentwicklung. Die nächsten 5 Siedlungsprojekte sind wiederum am grünen Stadtrand verstandortet. Öffentlich geförderte Wohnungen tendieren in Haltern gegen Null und eigene Wohnungsbauaktivitäten etwa mit einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft sind ebenfalls nicht vorgesehen – hier herrscht der freie Immobilien-Markt mit dem absoluten Vorrang der flächenzehrenden Einfamilienhäuser in möglichst attraktiver Lage. Deshalb geht es mit dem Landschaftsverbrauch und dem Preisanstieg munter weiter wie bisher: Unter dem Lockruf „Anspruchsvolles Wohnen in der Natur“ vermarktet aktuell die eigens gegründete städtische „Flächenentwicklungsgesellschaft“ (FEG) in Regie der Halterner Stadtwerke mit Hilfe eines Projektentwicklers aus Köln das neueste Baugebiet von fast 6 ha am grünen Stadtrand mit einem eingeplanten „großzügigen Grünzug“.
Die Rede ist vom Baugebiet Nesberg mit einem angeblich „harmonischen Übergang von einer Wohnsiedlung in die freie Landschaft“ – allerdings in hörbarer Autobahnnähe. Wertvolles Ackerland wird wieder einmal zu Bauland, um 80 kleinteilige und flächenintensive Einfamilienhaus-Grundstücke zahlungskräftigen Interessenten und Anlegern für einen horrenden Preis anzudienen. Trotz Überhitzung am Immobilienmarkt fallen die Preise nicht, und mit jedem neuen Baugebiet steigen sie weiter in schwindelerregende Höhen. So wird Haltern zum teuren „Speckgürtel“ am Rande des Ballungsraums Ruhrgebiet, dessen Einwohner gezielt hergelockt werden. So wachsen die Baugebiete, zugleich die Verkehrspendlerströme und die Kosten für zusätzliche Infrastruktur – zu wessen Nutzen? Beim Klimaschutz sind sich alle einig, dass der CO²-Ausstoß ab sofort zu verringern ist; beim gleichrangigen Arten- und Flächenschutz hingegen meint man, diesen vorerst auf Übermorgen oder auf die Nachbarstädte verschieben zu können, denn der Ruf nach Bauland ist unersättlich?
„Immobilienkauf ist nicht nur der beste Weg, der schnellste Weg, der sicherste Weg, sondern auch der einzige Weg, um reich zu werden.“
– Marshall Field
Astronomische Grundstückspreise in Neubaugebieten am Stadtrand
Der Bodenrichtwert beträgt am Halterner Nesberg 400 € pro qm als Ausgangswert der Verhandlungen beim Grundstückskauf. Die Preisverhandlungen mit den 58 vorherigen privaten Grundbesitzern des Ackerlandes könnten jedoch am Ende durch gegenseitiges Überbieten der Kaufinteressenten auf 700 bis 800 €/qm hinauslaufen, das ist zu befürchten. „Der Preis für ein Grundstück könnte astronomisch hoch sein“, so wird der Projektplaner Robert Strauß in der Lokalzeitung zitiert. Alle 10 Jahre verdoppeln sich dadurch laut Grundstücksmarktbericht die Grundstückspreise in Haltern - wohl kaum bezahlbar für „junge Familien aus Haltern“, aber verlockend für Spekulanten mit Goldgräbermentalität. Die Statistik zeigt überdies: Die Eigenheimbesitzer werden immer älter und Jüngere können sich kaum noch ein Eigenheim leisten. (Wegen der Niedrigzinsen können sie kaum noch Eigenkapital bilden und der Eigenkapitalanteil liegt mit 50% höher als vor 5 Jahren).
Nur die SPD-Ratsfraktion vermisste im Stadtentwicklungsausschuss die Berücksichtigung von bezahlbarem Wohnraum und kritisierte den hohen Flächenverbrauch durch Einfamilienhäuser – alle anderen Ratsparteien lobten das „schöne kleinteilige Konzept“. Im Kommunalwahlprogramm der Halterner „Stadtpartei“ CDU heißt es: „Der Traum vom Einfamilienhaus soll nicht ausgeträumt sein- im Gegenteil. (…) Wir müssen auch als Stadt noch weiter in der Flächenentwicklung tätig werden, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, denn bei den derzeitigen Preisen können sich nur wenige ein Grundstück mit Hausbau leisten.(…) Wir setzen uns dafür ein, weitere Flächen zur Wohnbebauung zugewiesen zu bekommen, nur dadurch können wir preisregulierend eingreifen.“
„Betrachten Sie Marktschwankungen als Ihren Freund und nicht als Ihren Feind; profitieren Sie von der Dummheit anderer, anstatt daran teilzunehmen.“
– Warren Buffet
Bodenpreisregulierungen durch weitere Neubaugebiete an den Stadträndern?
In nächster Zeit steht nebst dem Nesberg noch die Erschließung weiterer Neubaugebiete im Grünen an den Halterner Stadträndern mit Landschaftverbrauch an, so z. B. in Hullern-Buttstraße, in Lavesum-Schafstall, in Bossendorf Schulte Hülsen, in Lippramsdorf Birkenallee, Sythen-Lehmbraken Erikastraße sowie für das Gewerbegebiet Görtzhof usw. Mit den neuen flächenzehrenden Baugebieten am Stadtrand wird allerdings das genaue Gegenteil einer Preisdämpfung auf dem Grundstücksmarkt im sündhaft teuren Haltern bewirkt.
Das Konzept des Neubaugebietes Nesberg ist jedenfalls alles andere als eine „Preisbremse“, nämlich ein absoluter Preistreiber, darauf kann man wetten. Die parteipolitischen Argumente für eine damit angeblich erstrebte Preisregulierung sind entweder Naivität oder eine simple Verschleierungstaktik. Die FDP-Ratsfraktion behauptet sogar in der Lokalpresse, sie wolle damit „regulatorisch auf den Bodenrichtwert“ einwirken. Doch offensichtlich nehmen die Marktgesetze und die Spekulanten in der Realität auf die Ideologen keine Rücksicht. Die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum als Menschenrecht ist jedoch eine Kernaufgabe des Wohlfahrtsstaates und kann nicht allein dem kommerziellen Wohnungsmarkt überlassen bleiben.
„Warten Sie nicht mit dem Kauf von Immobilien. Kaufen Sie eine Immobilie und warten Sie.“
– Will Rogers
Planung am eigenen Bevölkerungsbedarf vorbei zugunsten von Spekulanten?
Das Planungskonzept für das Neubaugebiet Nesberg geht erkennbar am eigentlichen Bedarf der Halterner Bevölkerung vorbei. Denn es fehlen in Haltern vor allem bezahlbare und barrierefreie Seniorenwohnungen sowie Mietwohnungen für die überwiegenden 1-2-Personen-Haushalte und vor allem 1.500 bis 2.000 preisgebundene Sozialwohnungen (hier ist Haltern mit nur 1,5% Sozialwohnungsanteil Schlusslicht im Lande). Dadurch findet seit Jahren ein sozialer Bevölkerungsaustausch statt: Zahlungskräftige Schichten aus den Ruhrgebietsstädten erwerben hier im teuren Haltern Wohneigentum und Einkommensschwächere müssen notgedrungen ihre Heimatstadt verlassen in preiswertere Nachbarstädte, so auch viele Senioren mit kleinen Renten, die hier jahrzehntelang gelebt haben, aber auch junge Leute, die in preiswertere Nachbarstädte abwandern. Die Einkommensstarken und Vermögenden bleiben in Haltern unter sich, die anderen verlassen das „teure Pflaster“. Dabei böte der hohe Altbaubestand in Haltern (um 60%) Möglichkeiten der Sanierung, Modernisierung und Erweiterung im Innenbereich zugunsten preisgünstigen Wohnraumes.
Stattdessen machen sich oft auswärtige Kapital-Anleger im Stadtgebiet breit, die Immobilien als reine Geldanlage betrachten und den Bau oder Kauf eines Eigenheimes für die eigene Nutzung für „wirtschaftlich dumm“ erklären, sondern lieber zu Höchstpreisen vermieten oder mit Gewinn wiederverkaufen. (Jüngst wurde eine 103 qm-Wohnung in dem neuen „Klotzbau“ an der Rekener Straße im Dorf Lavesum auf einem Immobilienportal für 499.000 € zum Verkauf angeboten). Jedes 3. bis 4. Wohnbauvorhaben in Haltern dient demgemäß nicht der Eigennutzung durch die ortsansässige Bevölkerung, sondern als Kapitalanlage oder Renditeobjekt für (oftmals auswärtige) Investoren. Ihnen gehören bereits große Teile der Stadt, zumeist unbemerkt. Und an den Wochenenden gehört die Stadt den Touristen aus dem gesamten Ruhrgebiet, von denen viele Ausschau halten nach einer dauerhaften Wohnmöglichkeit in der Erholungsstadt. Die bauliche Erschließung weiterer Freiflächen schreitet preistreibend fort und wird als „alternativlos“ deklariert, während flächensparende und kostendämpfende Alternativkonzepte bevorzugt im Innenbereich oder innovative Projekte verworfen werden.
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ (Albert Einstein)
Absage an das zukunftsweisende Konzept des Mehrgenerationenhauses
Entgegen ihren Wahlversprechen wurde von einer Ratsmehrheit aus CDU/WGH/FDP das überzeugende Konzept der Genossenschaft „Buntes Wohnen“ für ein flächensparendes und zukunftsweisendes Mehrgenerationenprojekt im geplanten Nesberg-Wohngebiet (oder auf einem anderen städtischen Grundstück) abgelehnt, um stattdessen bevorzugt Häuslebauern mit ausreichendem Kapital zu einem Einfamilienhaus im Grünen zu verhelfen. Demgegenüber heißt es gönnerhaft im kommunalen CDU-Wahlprogramm: „Im Mittelpunkt der CDU-Politik stehen die Bürgerinnen und Bürger aller Altersstufen. Sie sollen sich in unserer Stadt Haltern am See, die sich durch eine hohe Lebens- und Wohnqualität auszeichnet, wohlfühlen. (…) Die CDU unterstützt grundsätzlich Angebote generationsübergreifender und alternativer Wohnmöglichkeiten.“
Auch die WGH und die FDP befürworten lediglich „grundsätzlich“ die Idee eines gemeinschaftlichen Mehrgenerationenhauses, aber bitte nicht auf wertvollen städtischen Grundstücken, die allein den zahlungskräftigen Erbauern teurer freistehender Einfamilienhäuser vorbehalten bleiben sollen. Damit wurde eine große Chance für ein zukunftsweisendes und nachhaltiges Vorzeigeprojekt vertan und die Glaubwürdigkeit der Ratsmehrheit verspielt. Die lobenswerte Eigeninitiative von Bürgern wurde zurückgewiesen.
„Man sollte nie daran zweifeln, dass eine kleine Gruppe kluger, engagierter Bürger die Welt verändern kann. In der Tat ist das der einzige Weg, der jemals Erfolg hatte.“ (Margaret Mead)
Nur ganz wenige junge Familien kommen am Nesberg zum Zuge
Die verfügbaren städtischen Grundstücksanteile auf dem Nesberg reichen aber offenbar nur für gerade einmal 10 junge Halterner Familien. Die weiteren 70 Grundstücke aus Privatbesitz werden auf dem Markt an Meistbietende aus Nah und Fern verscherbelt? Die tatsächliche Entwicklung sollte sorgfältig im Blick behalten werden.
Eine Studie von Empira aus 2018 für 80 Städte in Deutschland belegt, dass mit steigenden Neubauaktivitäten die Grundstückspreise und Durchschnittsmieten eher steigen statt gedämpft werden. Und Haltern liegt mit seinen Neubauaktivitäten von 45 Wohnbauten pro 10.000 Einwohner weit über dem Landesdurchschnitt von 37 Wohneinheiten je 10.000 EW, darum steigen hier auch die Preise höher als im Landesdurchschnitt – und mit den Grundstückspreisen steigen auch die Mietpreise exorbitant, sogar auf den dörflichen Ortsteilen ohne Infrastruktur.
Ausbreiten oder Zusammenrücken?
Der Grundstücksmarkt in Haltern sei „leergefegt und die Nachfrage riesig“, titelte die Halterner Lokalzeitung dramatisierend und brachte sogleich eine rührselige Story von einer bauwilligen Familie aus der Ruhrgebietsstadt Bottrop, die seit Jahren vergeblich ein Grundstück oder Haus im grünen Haltern sucht, bevorzugt in Sythen. Über 7.500 Zuzügler vorwiegend aus dem Ruhrgebiet haben es jedoch in den letzten vier Jahrzehnten erfolgreich nach Haltern geschafft, davon 2.000 allein in den letzten 10 Jahren, und weitere zigtausend, die es sich finanziell leisten können, würden ungeachtet der Wachstumsgrenzen ebenfalls noch gerne ins kleine grüne Haltern ziehen – solange, bis von dem begehrten Wohnen in der naturnahmen Erholungslandschaft nur noch wenig übrig ist. (Verwiesen sei auf das beliebte Kinderbuch „Eine schöne grüne Wiese“, bei der die Großstadtbewohner solange an den Stadtrand aufs Land ins Grüne ziehen, bis es auch hier so aussieht wie in der Großstadt mitsamt Gewerbegebieten - und man nun zur nächsten grüne Wiese weiter zieht wie die Heuschrecken nach dem Flächenfraß…).
Der neue Bürgermeister bescheidet sich laut Pressezitat vom 9. Juni in den kommenden Jahren mit einer Zielzahl für Haltern von „40.000 Einwohnern in kleinen Schritten“, während sein Vorgänger die Stadt von bisher 38.000 auf über 45.000 Einwohner schnell anwachsen lassen wollte. (Als willkommener Nebeneffekt beim Überspringen der 40.000-er Marke ist auch der Sprung von der Besoldungsgruppe B 5 nach B 6 für einen Bürgermeister verbunden). Die amtlichen Bevölkerungsprognosen und die regionalplanerischen Zielvorgaben erlauben aber angesichts des Geburtenrückgangs und Sterbefallüberschusses nur eine Bevölkerungszielzahl deutlich unter 40.000 für Haltern, zumal eine unvertretbare Konkurrenzsituation zu Nachbarstädten vermieden werden soll.
In Haltern hätten jedoch nur dann noch einige tausend Neubürger Platz, würde man etwas zusammenrücken, indem die Bewohner auch in Haltern nur die landesweit übliche Wohnfläche pro Wohnung oder Haus beanspruchen, statt sich weit über dem Durchschnitt auszubreiten, wie eine aktuelle Flächenstudie für Haltern ermittelt hat. Umso unverständlicher, dass ausschließlich die flächenintensiven Bauweisen in Haltern den Vorrang erhalten, denn damit ist keine Preisdämpfung am Grundstücksmarkt zu erreichen, wie von den Ratsparteien CDU, WGH und FDP propagiert. Solange man allein den Privatinvestoren den örtlichen Immobilienmarkt überlässt, gibt es keine Preisregulierung, sondern die Versuchung zur Grundstücksspekulation.
Geld allein macht nicht glücklich. Es gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu.“
– Danny Kaye
Externe Nachfrage mitsamt Spekulation wird mit dem Bedarf verwechselt
Von den rund 11.000 Einfamilienhäusern in Haltern sind ca. 3.500 gar nicht selber genutzt, sondern als Rendite-Objekte ganz oder teilweise fremdvermietet. Immer mehr Häuser, Grundstücke oder Eigentumswohnungen in Haltern dienen auswärtigen Renditejägern als bloße Kapitalanlage, ebenso die Investitionen in private Seniorenwohnanlagen mit überteuerten Mieten. Sogar nicht bebaubares Ackerland, Brachland oder Waldgrundstücke werden als reine Anlageobjekte immer begehrter und von Banken und Immobilienhändlern angeboten, deren Kaufpreise um 150% und deren Pachtpreise um fast 60% gestiegen sind, wie auch die Landwirtschaftskammer beklagt. Der Verknappung und Verteuerung landwirtschaftlicher Flächen einerseits steht die spekulative Umwandlung von Ackerland in Bauland mit exorbitanten Gewinnsteigerungen als „5. Fruchtfolge“ gegenüber.
Dies offenbart sich aktuell auch bei einem weiteren Halterner Wohnbauprojekt auf Ackerflächen am grünen Stadtrand, nämlich in Lippramsdorf an der Birkenallee. Statt die hier vorgesehenen 15 bis 30 Einfamilienhäuser mit Hilfe eines Baulückenkataster in zahlreich vorhandene Baulücken im Ortsteil unterzubringen, wird anderthalb Hektar wertvolles Acker- und Weideland am Rande eines Landschaftsschutzgebietes geopfert und der Standort für „alternativlos“ erklärt, im Interesse eines Vorhabenträgers und eines Landwirtes - sehr zum Verdruss der ortsansässigen Bürger, die sich in einem Leserbrief deshalb deutlich gegen das Projekt in der erhaltenswerten Landschaft aussprachen.
„Neunzig Prozent aller Millionäre werden dies durch den Besitz von Immobilien. In der Immobilienbranche wurde mehr Geld verdient als in allen industriellen Investitionen zusammen. Der kluge Investor von heute steckt sein Geld in Immobilien.“
– Andrew Carnegie
Traum vom pfleglichen Umgang mit Naturressourcen
Aber auch vor dem (laut städtischem Flächennutzungsplan und Landschaftplan) streng geschützten Außenbereich macht die Fehlentwicklung nicht halt, wie das Beispiel des Halterner Ortsteils Lochtrup zeigt: Da wurde einem Gewerbetreibenden - anders als bei jedem anderen Bauherrn - das viereinhalbfache der gesetzlich zulässigen Bebauung und Flächenversiegelung von der Stadt rechtswidrig genehmigt (wie 3 Jahre später vom Petitionsausschuss des Landtages festgestellt). Und ringsum wächst zudem ein Wohngebäude nach dem anderen dort in der schützenswerten Kulturlandschaft auf zweifelhafter Rechtsgrundlage, gegen alle Bedenken von Natur- und Landschaftsschützern und übergeordneten Planungszielen.
Demgegenüber heißt es im Kommunalwahlprogramm der Halterner CDU: „Die Grundidee der Bewahrung der Schöpfung und des pfleglichen Umgangs mit Ressourcen der Natur und der Landschaft ist tief verankert im Markenkern der CDU.“ Nach den verbindlichen Nachhaltigkeits-Vorgaben des Klima- und Artenschutzes ist der Flächenverbrauch bis 2030 jedoch zu halbieren. Nicht allen Bauwünschen kann deshalb bereitwillig stattgegeben werden, will man die beliebte Erholungsstadt Haltern mit ihrem wertvollen Naturpotenzial nicht in Gänze opfern. Schließlich beschwört die Halterner CDU als „Stadtpartei“ in ihrem Kommunalwahlprogramm die „hohe „Lebens- und Wohnqualität“ in Haltern, aber: „Der Traum vom Einfamilienhaus soll nicht ausgeträumt sein - im Gegenteil“.
„Pläne die Luft und das Wasser, die Wildnis und Natur zu beschützen, sind auch Pläne, den Menschen zu beschützen.“ (Stewart Udall)
Wenn Träume zu Albträumen werden
Der Traum vom Leben in einer ausgedehnten Eigenheimsiedlung am grünen Stadtrand kann für junge Familien in Haltern jedoch zum Albtraum werden, wenn es um die Finanzierung geht, um die Verkehrspendelei und um die absehbaren Folgen für Flächen- und Klimaschutz. Und für die Stadt als Ganzes kann ebenfalls die nicht nachhaltige Zersiedelungstendenz der Landschaft mitsamt dem zunehmenden KFZ-Pendelverkehr aus den Stadtrandsiedlungen zum Albtraum werden, wenn der Flächenfraß das Artensterben und die Klimakatastrophe örtlich und regional beschleunigt. Auch in Haltern breiten sich die Unwetterlagen ebenso aus wie das Waldsterben oder die Nitratbelastung unseres Trinkwassers.
Noch sind die Notwendigkeiten des Umdenkens und Umsteuerns nicht bei allen politischen Entscheidungsträgern angekommen. Geradezu trotzig wird bekannt: „Auch wir halten den Flächenverbrauch und den damit verbundenen Wegfall von hauptsächlich landwirtschaftlichen
Nutzflächen für sehr kritisch, allerdings gehen wir ich nicht so weit wie zum Teil die Grünen in NRW und sperren uns kategorisch gegen jegliche Neubaugebiete. (…) Bei uns wollen nicht weniger Leute wohnen, sondern die Nachfrage nach Wohnraum ist weiterhin ungebremst.“ (Aus dem CDU-Kommunalwahlprogramm Haltern).
„Kaufen Sie Land, es wird nicht mehr nachproduziert.“
– Mark Twain
Die Bevölkerungsstruktur aus dem Blick verloren?
Entspricht die anhaltende Nachfrage aus der gesamten Region aber dem tatsächlichen Bedarf der Halterner Bevölkerung, die zu 83 % aus Ein- und Zweipersonen-Haushalten sowie Einkind-Kleinfamilien besteht. Die 31% Single-Haushalte und die demnächst 45% Senioren in Haltern, die kein Eigenheim mehr am Stadtrand bauen, werden in der städtischen Wohnungsbaupolitik fast völlig vernachlässigt. Nur eine Minderheit von 17% sind Familien-Haushalte ab 4 Personen mit 2 oder mehr Kindern, die als Alibi für die Landschaftszersiedlung mit freistehenden Eigenheimen herhalten müssen. Auf diese 17% ist aber die gesamte Eigenheimpolitik in Haltern ausgerichtet. Sie geht damit an der Bevölkerungsmehrheit vorbei - und auch am Zukunftsbedarf der vielen Senioren.
Zudem steigen auch die Mietpreise in Haltern rasant um jährlich 3% bis 4%; für Neubauwohnungen werden teilweise schon Mietpreise von über 12,- € Kaltmiete pro qm und mehr verlangt. Die Kaufpreise und Mietpreise von Häusern und Wohnungen in Haltern nähern sich teuren Großstädten wie Hamburg oder Heidelberg an. In NRW insgesamt schrumpft der Wohnraum, den Normalverdienende bezahlen können. Die Mieten steigen zum Teil rasanter als die realen Einkommenszuwächse. Hinzu kommt: Zwischen 2000 und 2019 hat sich der Bestand an mietpreisgebundenen Wohnungen in NRW nahezu halbiert. Die Stadt Haltern weigert sich mit ihrer einseitigen Eigenheimpolitik seit Jahren beharrlich, ihren Anteil an öffentlich geförderten Mietwohnungen in der Stadt spürbar zu erhöhen, sondern überlässt es Privatinvestoren, hier und da einige teure Komfortwohnungen als Mietobjekte mit hoher Rendite zu errichten.
Neustart in der Wohnungspolitik und gemeinwohlorientierte Bodenpolitik
Deshalb braucht es für einen Neustart in der Wohnungspolitik dringend einen Politikwechsel: Um Bodenspekulationen zu verhindern, sollen Kommunen auf Vorschlag der SPD-Landtagsfraktion in NRW eine Grundsteuer C erheben dürfen. Bodenpolitik muss wieder gemeinwohlorientiert sein. Dazu müssen Kommunen aktive Akteure auf dem Wohnungsmarkt sein können. Denn es fehlen bis zum Jahr 2040 bei uns in NRW rund eine Million Wohnungen. Deshalb ist noch in dieser Legislaturperiode des Landtags eine Offensive für starken und bezahlbaren Wohnungsbau überfällig, um deutlich mehr mietpreisgebundener Wohnraum zu schaffen. Dazu müssen die einzelnen Kommunen inititativ werden, nicht zuletzt auch die säumige Stadt Haltern.
Andernfalls hat das gravierende soziale Folgen und führt zu einer finanziellen Überlastung von Haushalten mit geringen Einkommen wie Single-Haushalten, älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen, Geringverdienern, Alleinerziehenden und Familien mit mehreren Kindern.
Wer die Belange der Bürgerinnen und Bürger in der Stadt und der Wählerschaft vertritt, sollte deren Interessen stärker und differenzierter in den Blick nehmen – denn die Stadt gehört den Bürgerinnen und Bürgern, denen die Kommunalpolitik verpflichtet ist.
Wilhelm Neurohr
29.06.2021
Autor:Wilhelm Neurohr aus Haltern | |
Webseite von Wilhelm Neurohr |
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