Kampfansage zur Kommunalwahl 2025 in Haltern
„Demokratie lebt vom Wechsel – auch vor Ort“

Grafik: Smart City Münster

HALTERN AM SEE. Seit 25 Jahren stellt die CDU in Haltern als stärkste Ratsfraktion ununterbrochen den Bürgermeister. Zuvor hatte nur einmal die SPD für 5 Jahre den Bürgermeister zwischendurch von 1994 bis 1999 gestellt. Sonst wäre die Stadt Haltern sogar ein halbes Jahrhundert seit der kommunalen Neugliederung 1975 ausschließlich von CDU-Bürgermeistern regiert worden. Mit einem Perspektivenwechsel und einem zeitgemäßen Zukunftskonzept will nun die parteilose Bürgermeister-Kandidatin Dr. Vanessa Giese, die von SPD und Grünen einstimmig nominiert wurde, bei der Persönlichkeitswahl die jahrzehntelange konservative Vorherrschaft im CDU-beherrschten Halterner Rathaus mit seinen verfestigten Strukturen beenden und den amtierenden Bürgermeister ablösen – eine politische „Kampfansage“ im fairen Wettbewerb mit modernem Gestaltungsanspruch und Erfolgsaussichten.

Dass ein Wechsel bei der Persönlichkeitswahl für das Bürgermeisteramt auch in Haltern realistisch ist, zeigt ein Blick in die übrigen Kommunen im gesamten „schwarzen“ Münsterland: Jede zweite Stadt oder Gemeinde wird dort längst nicht mehr von CDU-Bürgermeistern regiert. Diese wurden abgelöst von parteilosen Kandidatinnen und Kandidaten oder von Vertretern der anderen Parteien oder Wählergemeinschaften und sorgten dort in der konservativen Region für frischen Wind. Ähnliches musste ja auch die jahrzehntelang regierende, aber verbrauchte SPD in NRW und in den Ruhrgebietskommunen erfahren, die sich ihrer gewohnten Mehrheiten sicher wähnte, derweil sich die Wähler abwandten. Auch die verkrusteten politischen Strukturen in den konservativ regierten ländlichen Kleinstädten wie Haltern rufen geradezu nach einem politischen Wechsel, denn davon lebt eine funktionierende Demokratie.

Sogar im CSU-beherrschten Bayern gibt es keine absoluten Mehrheiten mehr, sondern man ist auf Bündnispartner angewiesen, seitdem die Wähler die Alleinherrschaft leid waren. Immer mehr Bürgermeister und Landräte in Bayern sind nicht mehr von der CSU, weil die Wählerinnen und Wähler den dortigen Parteienfilz nicht mehr akzeptieren. Der Ausspruch des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (CDU): „Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht“, lässt sich erst recht auf die Kommunen als die unterste staatliche Ebene übertragen. Wo über viele Jahrzehnte die immer gleiche Partei die Rathauspolitik bestimmt, gibt es unvermeidbar verfestigte Machtstrukturen und Seilschaften bis hin zum so genannten „Parteienfilz“.

Diese Begleiterscheinungen sind nicht immer mit erfolgreicher Politik unter Berufung auf das erhaltene Wählervotum zu rechtfertigen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen Veränderung und Erneuerung. Ohne politischen und personellen Wechsel erlahmt die Demokratie. Über das Wählervotum, auf das man sich gerne beruft oder oft fehlinterpretiert, machen sich Parteipolitiker manchmal Illusionen.

Übersteigerte Selbsteinschätzung der „Haltern-Partei“?

Die örtliche CDU identifiziert ihre Partei mit der Stadt Haltern und dem Rathaus, indem sie sich als die tonangebende und unantastbare „Haltern-Partei“ vermarktet und sich auch so verhält. Die ganze Stadtbevölkerung stehe hinter ihr, so die verfehlte Selbsteinschätzung. Auch im Rathaus können viele dort Beschäftigte auf ihr nützliches Parteibuch verweisen. Eine Besetzung der hauptamtlichen Spitzenämter im Rathaus nach Parteienproporz gemäß Sitzverteilung im Rat, wie in anderen Kommunen üblich, gibt es in Haltern bei den Dezernaten nicht; dort besetzt die „Haltern-Partei“ die Spitzenpositionen allein mit den „eigenen Leuten“ unter Verzicht auf „politische Wahlbeamte“.

Doch die Partei überschätzt ihre Zustimmung in der Bevölkerung, obwohl sich ihre Funktionäre in Schützenvereinen, Heimatvereinen und Sportvereinen sowie Werbegemeinschaft an vorderster Front engagieren. Ist das aber Beleg ihrer Bürgernähe oder der Versuch, das Vereinsleben parteipolitisch zu vereinnahmen? Die Grenzen sind fließend.

Illusionen über die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse

Schaut man auf die Wahlergebnisse zurückliegender Kommunalwahlen, so ist die „Stadtpartei“ eindeutig eine Minderheitenpartei in der Stadt: Bei der letzten Kommunalwahl 2020 erhielt sie zwar beachtliche 41% der Wählerstimmen, zuvor in 2014 jedoch nur 39,5% - und damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 40 Jahren. An ihre Bestergebnisse in den vorhergehenden Wahljahren - mit 44% bis 45% und einmal sogar 54,5% - hat sie seither nie wieder heranreichen können.

Bei einem erfolgreich klingenden Wahlergebnis von 39% bis 41% wird sichtbar, dass im Umkehrschluss rund 60% der Wählerinnen und Wähler, also eine Mehrheit in der Bürgerschaft, nicht die örtliche CDU gewählt haben. Rechnet man bei einer Wahlbeteiligung von nur knapp über 60% die 40% Nichtwähler vom Wahlergebnis ab, die ebenfalls nicht der CDU ihre Stimme gegeben haben, dann liegt der realistische Zustimmungswert für die CDU bei den letzten beiden Kommunalwahlen in der Stadt Haltern eigentlich nur um die 30%, folglich kein Zuspruch bei den übrigen 70% der Wahlberechtigten in der Stadtbevölkerung.

Deshalb ist die CDU im Halterner Rat in Ermangelung einer absoluten Mehrheit stets auf die Zustimmung anderer, zumeist kleinerer Fraktionen wie FDP oder WGH angewiesen, die sich beide zumeist als treue Mehrheitsbeschaffer für die CDU, quasi als deren Anhängsel betätigen. Der CDU-Bürgermeisterkandidat hingegen bekam allerdings bei der Direktwahl stolze 53,7 % im ersten Wahlgang und damit eine breite Zustimmung von gut der Hälfte der Wählerinnen und Wähler in der Stadt Haltern. Das ist für die nun antretende Gegenkandidatin Dr. Vanessa Giese eine große Herausforderung.

Die übrigen Münsterland-Kommunen als Vorbild?

Der Blick in das bereits erwähnte  Münsterland dürfte sie ermutigen: Bekanntlich sind dort in den einstigen CDU-Hochburgen nur noch die Hälfte der Gemeinden CDU-regiert, in 16 Gemeinden liegt die SPD vorn, in mehreren die Grünen und 12 Bürgermeister sind parteilos, einer auch von der FDP. Ein buntes Bild von Coesfeld bis Telgte, das in den Kommunen zur ideologiefreien Zusammenarbeit für das Gemeinwesen aufruft, nicht zuletzt auch in der für alle wichtigen Wohnungsfrage als eine dringliche Hauptaufgabe aller Kommunen.

Was also zuvor in fast der Hälfte der einstmals CDU-regierten Kommunen im gesamten „schwarzen“ Münsterland politisch längst gelungen ist, dürfte nächstes Jahr auch in Haltern nicht unrealistisch sein – nämlich ein Wechsel an der politischen Spitze und veränderte Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat. Denn mit jeweils 41% der Wählerstimmen lagen hier in Haltern die CDU einerseits und SPD und Grüne andererseits bei der letzten Kommunalwahl gleichauf, rechnet man deren Prozente zusammen.

Auch gab es bei der letzten Kommunalwahl 4 konkurrierende Bürgermeisterkandidaten von CDU, SPD, Grünen und FDP, die gegeneinander antraten, im Wahljahr 2025 vielleicht nur ein Zweikampf. Und es trat auf lokaler Ebene keine rechtspopulistische AfD an, die aber nunmehr in Haltern mit ihrer gegründeten Ortsgruppe ein Wählerpotenzial von 6% bis 10% (siehe zurückliegende Landtags-, Bundestags- und Europawahl) aus dem Wählerreservoir vor allem der CDU abschöpfen könnte.

Letztlich kommt es auf die politischen Inhalte an

Abseits aller Wahlarithmetik kommt es aber letztlich auf die politischen Inhalte und Konzepte an. Vor allem das Wahlversprechen im örtlichen CDU-Wahlprogramm nach bezahlbarem Wohnen für alle Bürgerinnen und Bürger im sündhaft teuren Haltern ist nicht eingehalten worden. Auch eine wesentliche Verbesserung des Radwegenetzes in der „fahrradfreundlichen“ Stadt Haltern geht nur äußerst schleppend voran und mehr auf Druck von Bürgerinitiativen. Von einer „Verkehrswende“ mit verbessertem ÖPNV etc. in der autogerechten Stadt Haltern mit steigenden PKW-Zahlen und Unfallquoten sowie motorisierten Touristenströmen ist auch wenig zu merken.

Was die schützenswerte Natur und Landschaft in der Erholungsstadt Haltern anbelangt, gibt es noch kein wirkliches Engagement für mehr Bäume im Straßenraum, für eine Baumschutzsatzung, gegen Schottergärten oder für den Schutz der Landschaft vor weiterer Bebauung und Zersiedelung im Außenbereich. Und der einstimmig im Rat beschlossene Bürgerrat wurde von der „Haltern-Partei“, wie sich die örtliche CDU hier in Vereinnahmung der Stadt nennt, nur sehr halbherzig vorangebracht. Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger ist hingegen nebst den Themen Wohnen und Umwelt eines der Hauptanliegen der Bürgermeisterkandidatin Vanessa Giese. Siegessicher erklärt sie (laut Zitat in der „Halterner Zeitung“): „Ich will im Herbst 2025 gewinnen und als Bürgermeisterin im Rathaus sitzen“.

Die Kommunalwahlen am 14. September 2025 werden in Haltern jedenfalls spannend und erbringen diesmal sicher nicht die immer gleichen vorhersehbaren Wahlergebnisse der Vergangenheit mit politischer Lähmung. Vielmehr erwartet uns in der Stadt ein Gewinn für die lokale Demokratie!

Wilhelm Neurohr, 6. November 2024

Autor:

Wilhelm Neurohr aus Haltern

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