Kommunale Wohnungspolitik
Acht Münsterland-Gemeinden gründen gemeinsame Wohnungsbaugesellschaft - Chance auch für Haltern?
HALTERN AM SEE. Die teure Wohnstadt Haltern gehört zu den 95 Kommunen im Land NRW mit einem angespannten Wohnungsmarkt, in der es an bezahlbaren Wohnungen für alle Gesellschaftsschichten mangelt. Ein aktueller Blick in andere Gemeinden des Münsterlandes zeigt nun, wie mit interkommunaler Zusammenarbeit der hohe Bedarf an geförderten Wohnungen auch in kleineren Gemeinden durch kommunalen Wohnungsbau mit höchster Priorität und Dringlichkeit bewältigt werden kann:
Acht Münsterland-Gemeinden stellen sich jetzt gemeinsam den wohnungspolitischen Herausforderungen durch aktive Wohnungspolitik, die für sie einen hohen Stellenwert hat: Sie gründen gemeinsam eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die neben den privatwirtschaftlichen Aktivitäten wirtschaftlich erfolgreich tätig werden soll. Sie teilen sich die 20% Anschubfinanzierung und wollen an den 9 Mrd. Fördermitteln des Landes partizipieren. Weitere interessierte Kommunen sind in dem Verbund willkommen. Worauf wartet die Stadt Haltern noch – oder will sie als Außenseiterin abseits stehen und weiterhin das Schlusslicht im Land beim geförderten Wohnungsbau sein?
„Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“, so lautet das Motto. Das bereits am 10. August 2023 verkündete Vorhaben der 8 Münsterland-Gemeinden Altenberge, Drensteinfurt, Everswinkel, Havixbeck, Ostbevern, Senden, Sendenhorst und Telgte bekam dickes Lob von der anwesenden Bundesbauministerin und dem Vertreter des Landesbauministeriums NRW. Angesichts der aktuellen wohnungspolitischen Herausforderungen seien eigene wohnungspolitische Aktivitäten der Kommunen besonders wichtig und zugleich bundesweit beispielgebend. Sie verdienten Anerkennung und finanzielle Unterstützung durch Bund und Land.
Kommunale Wohnungsbaugesellschaft wirtschaftlich erfolgreich
Die einzelnen Gemeinden beteiligen sich mit einer lokalen Gesellschaft an der interkommunalen Genossenschaft. Aus der Stadt Rheine, die bereits seit 2003 eine eigen Wohnungsbaugesellschaft besitzt, berichtete der Erste Beigeordnete vor 100 Gästen und Fachleuten aus dem gesamten Münsterland: Die Städtische Gesellschaft nimmt nicht nur unverzichtbare städtische Aufgaben wahr, sondern ist wirtschaftlich außerordentlich erfolgreich am kommunalen Wohnungsmarkt tätig, ohne den privaten Akteuren Konkurrenz zu machen. Sie ergänzt die schwachen privatwirtschaftlichen Aktivitäten beim öffentlich geförderten Wohnungsbau, der sich inzwischen längst rechnet, denn es gibt vom Land kostengünstige Darlehen und Zuschüsse.
Kommunaler Wohnungsbau erbringt Gewinne für finanzschwache Kommunen
Die anwesenden Kämmerer bestätigten vor dem Hintergrund der angespannten kommunalen Haushaltslage, dass der kommunale Wohnungsbau auf Dauer moderate Gewinne abwerfen könne. Letztlich waren sich alle Beteiligten einig, dass bezahlbares Wohnen eine Frage der sozialen Gerechtigkeit sei, denn das Wohnen sei die soziale Frage unserer Zeit. Es gebe eine gesetzliche Verpflichtung der Kommunen, die Wohnbedürfnisse aller Bevölkerungsschichten zum Wohl der Allgemeinheit zu berücksichtigen.
Kommunale Wohnungsunternehmen als einziger Lichtblick in der Wohnungskrise
Günstiger Wohnungsbau sei nicht mehr finanzierbar, heißt es lange Zeit aus der Baubranche. Dabei zeigen Beispiele auch aus Bremen, Ulm und Mannheim wie es geht - wenn die Politik es will. An der Wohnungskrise sind nicht allein die steigenden Zinsen und Baukosten schuld, sondern auch die Inaktivitäten vieler Kommunen bei der kommunalen Boden- und Wohnungspolitik. Tatsächlich sind kommunale Wohnungsunternehmen aktuell der einzige Lichtblick in der Wohnungsmarktkrise.
Überparteiliche Zusammenarbeit in der Wohnungsfrage
Bemerkenswert bei dem Münsterland-Projekt der 8 beteiligten Gemeinden ist dabei auch die parteiübergreifende Zusammenarbeit: In den Räten gibt es ganz unterschiedliche parteipolitische Mehrheitsverhältnisse. Und von den 8 Bürgermeistern sind 5 parteilos, zwei von den Grünen und einer von der CDU, die ideologiefrei um die Verbesserung der Wohnsituation ihrer Bürgerinnen und Bürger bemüht sind.
Kommunale Boden- und Wohnungspolitik ist unverzichtbar
Demokratie lebt vom Wechsel: Bekanntlich sind in jüngster Zeit nur noch die Hälfte der Münsterland-Gemeinden CDU-regiert, in 16 Gemeinden liegt die SPD vorn, in mehreren die Grünen und 12 Bürgermeister sind parteilos, einer auch von der FDP. Ein buntes Bild, das zur ideologiefreien Zusammenarbeit für das Gemeinwesen aufruft, gerade in der für alle wichtigen Wohnungsfrage als eine dringliche Hauptaufgabe aller Kommunen. Diese allein dem Markt zu überlassen, funktioniert nicht, denn das Marktversagen ist auf dem Immobilienmarkt ganz offensichtlich: Ohne kommunale Boden- und Wohnungspolitik steigen die Boden-, Bau- und Mietpreise ungebremst ins Uferlose, und befördern die Spekulation, wie bisher das Negativbeispiel des überteuerten Haltern zeigt. Hier ist es allerhöchste Zeit für ein Umdenken und Umsteuern wie in den anderen Münsterlandgemeinden, die mit gutem Beispiel vorangehen.
Wilhelm Neurohr, 24. Januar 2024
Autor:Wilhelm Neurohr aus Haltern | |
Webseite von Wilhelm Neurohr |
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