Kreis wird Wasag-Gelände für einen Euro kaufen
Sythen. Nach umfassender Beratung in den zurückliegenden Wochen hat der Kreistag jetzt dem Kauf des „Wasag-Geländes“ in Haltern am See zum symbolischen Wert von einem Euro zugestimmt. Damit sichert sich der Kreis insgesamt 209,4 ha Grundstück, das durch die ökologische Aufwertung Einnahmen von mindestens 4,25 Mio. Euro ermöglicht.
Der Kreis Recklinghausen muss im Rahmen seiner bodenschutzrechtlichen Verantwortung dafür sorgen, dass Gefahren, die vom Werksgelände der Sythengrund Wasagchemie ausgehen, ausreichend und umfassend erkundet und im erforderlichen Umfang sicher abgewehrt werden. Durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2000 wurde die bodenschutzrechtliche Verantwortung der Grundstückseigentümer auf den Verkehrswert von Grundstücken beschränkt. Dieser ist im konkreten Fall von einem Gutachter auf 5,465 Mio. Euro festgelegt worden. Ist dieser Wert erreicht, muss die Untere Bodenschutzbehörde übernehmen, also der Kreis Recklinghausen.
Da die Sythengrund Wasagchemie zwischenzeitlich damit begonnen hatte, Eigentumsanteile zu veräußern, bestand die Gefahr, dass der Verkehrswert und damit auch der Umfang der Haftungssummen deutlich geschmälert werden könnten. Um weitere Grundstücksverkäufe zu verhindern, wurden seitens des Kreises mit der Sythengrund Wasagchemie intensive Verhandlungen geführt, in deren Folge der Kreis jetzt das Grundstück inklusive der hochwertigen Flächen zum Preis von einem Euro kaufen kann.
Wertvolle Grundstücke gesichert
Nachdem der Kreistag dem Kauf der 209 Hektar zugestimmt hat, können nun die Verträge unterzeichnet und weitere Maßnahmen eingeleitet werden. Die Sanierungsarbeiten bleiben weiterhin notwendig, die zu erwartenden Kosten belaufen sich auf bis zu 300.000 Euro jährlich.
Hintergrund:
Die Verwaltung hat dem Kreistag vorschlagen, die Grundstücke der Sythengrund Wasagchemie Grundstücksverwertungsgesellschaft Haltern mbH zu erwerben. Mit der Grundstücksübernahme wird verhindert, dass weitere, wertvolle Grundstücksteile veräußert werden und der Kreis am Ende verpflichtet ist, alleine für die weitere Sanierung der Altlast aufzukommen.
Bereits im Jahr 1898 hat auf dem als „Wasag-Gelände“ (Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff AG) bekannten Firmengrundstück an der Werkstraße 111 in Haltern-Sythen eine Sprengstoff-Produktion begonnen. Zunächst wurden dort technische Sprengstoffe für den Bergbau und andere zivile Nutzungen produziert.
Im Ersten Weltkrieg ließ die Kaiserliche Armee dort ab 1916 in großem Umfang unter kriegswirtschaftlichen Produktionsbedingungen Granaten und Bomben herstellen. Zum Einsatz kamen hierbei unter anderem Pikrinsäure sowie die Nitroaromaten DNT, TNT und DNB. Stand der Technik war damals, dass Produktionsrückstände nicht vom Gelände verbracht werden durften, sondern im Boden versickert wurden. Auch nach dem Ende des Krieges wurden bis 1922 auf dem Gelände Granaten auf Veranlassung der Alliierten unschädlich gemacht. Danach wurden die Kriegsproduktionsstätten dem Erdboden gleichgemacht.
Zwischen den Weltkriegen wurde die Produktion von zivilen und Bergbau-Sprengstoffen insbesondere für die Zechen des Ruhrgebiets fortgeführt.
Im Zweiten Weltkrieg gab es durch die Wehrmacht eine erneute Erweiterung auf eine Produktion kriegswichtiger Sprengstoffe, bei der TNT und Hexogen verarbeitet wurden. Auch hier wurde zunächst eine separate kriegswirtschaftliche Produktion aufgebaut. Durch die schnelle Ausweitung der militärischen Nutzung kam es dazu, dass bis zu 3.000 Zwangsarbeiter auf dem Gelände eingesetzt wurden.
Nach dem Krieg wurden nach einer Phase der alliierten Nutzung erneut die kriegswirtschaftlichen Produktionsanlagen abgerissen. Die Produktion von Sprengstoffen für den zivilen Bereich wie den Bergbau wurde fortgeführt.
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