Auge in Auge mit Uhu Uwe
Auge in Auge mit Uhu Uwe: Zu einer Familienwanderung der besonderen Sorte lud der NABU Haltern auf den Annaberg.
Am blauen Himmel über Haltern kreisen zwei Greifvögel. Der Regen der letzten Tage war vorfrühlingshaften Sonnenschein gewichen, und so trübt kein Nebel die Sicht auf den Annaberg. Zwischen den kahlen Bäumen zieht langsam eine Menschenschlange auf dem Weg... aber was hat der Zweibeiner dort auf dem Arm?
Unten am Boden gehen die Blicke in den Himmel. „Sind das Falken?“ sagt ein Kind und zeigt nach oben. Uta Wittekind beschirmt ihre Augen und sieht hoch, gerade rechtzeitig um die beiden fliegenden Schatten mit selbstsicherer Eleganz vorbeiziehen zu sehen. Sie prüft Flügelform, Flugbild... „Nein, das sind Bussarde“, erklärt Wittekind. Das Wesen auf ihrem Arm richtet einen messerscharfen Blick nach oben, verfolgt die beiden Schatten noch, als sie längst dem menschlichen Auge entkommen sind. Es ist nicht Merlins Territorium, und so mustern ihn die beiden Vögel genau. Genaugenommen ist es nicht einmal Merlins Kontinent.
„Merlin ist ein Wüstenbussard, wie es sie in Mittelamerika gibt“, stellt Uta Wittekind ihren gefiederten Gefährten vor. Die Falknerin aus Wülfrath war der Ehrengast des NABU Haltern an diesem Tag. Gerne war sie der Einladung gefolgt, um rund 30 Kinder und Erwachsene auf einem Spaziergang mit der Natur und dem Leben von Greifvögeln vertraut zu machen. Die Blicke der Kinder hefteten sich wie magnetisch auf den eleganten Bussard mit seinen hellwachen, durchdringenden Augen und dem markanten Schnabel. Trotz der ehrfurchtgebietenden Krallen wirkte Merlin nicht bedrohlich auf die Kinder. „Wüstenbussarde sind sehr soziale Tiere“, erklärt Wittekind. Nicht umsonst seien sie bei Falknern sehr beliebt, da sie als umgänglich und wenig aggressiv gelten. So trauen sich die Kinder nahe heran, streicheln Merlin auch mal vorsichtig am Bauch. „Nur ein bisschen, bitte, sonst geht die natürliche Fettung der Federn verloren“, mahnt die junge Greifvogelexpertin die jungen Tierfreunde. Merlin bleibt ungerührt.
Auch während des Rundganges verharrt das Tier ruhig auf dem Handschuh seiner Besitzerin. Die kräftigen Klauen, mit denen der Vogel seiner Beute die Knochen bricht, ruhen entspannt auf dem dicken Leder, auch wenn sich Uta Wittekind nach einem Bündel verklebter Federn bückt. „Welches Tier hat das wohl hinterlassen?“, fragt sie die Gäste. Kinderfinger gehen hoch, der Greifvogel scheint als Täter entlarvt. Doch die Falknerin winkt ab. „Greifvögel rupfen ihre Beute, und brechen keine Federn einfach ab. Das hier scheint ein Fuchs gewesen zu sein.“ Merlin schaut fast unschuldig drein: Mit dieser Taube hat er nichts zu tun.
„Die Greifvogelwanderung war schon im letzten Jahr der Renner“, freut sich Christian Lynen vom Halterner Naturschutzbund. Auch seine Frau und NABU-Kollegin, die Waldpädagogin Carola De Marco ist begeistert: „Die Tiere so nah zu erleben, ist schon etwas besonderes“. Wittekind und De Marco sind alte Bekannte seit ihrer gemeinsamen pädagogischen Ausbildung, und so herrscht auch unter den Naturexperten an diesem Tag eine fast familiäre Atmosphäre, die Groß und Klein einbezieht und die Scheu vor Fragen oder den Tieren vergessen lässt. Auch größere Kaliber können die Besucher da nicht schrecken.
So ein Kaliber ist Uwe. Wenn er seine Schwingen ausbreitet, kippt manchem Zuschauer für einen Moment die Kinnlade runter. In seinen Augen ertrinkt der eigene Blick, und völlig lautlos verströmt er ein Gefühl von purer Kraft. „Das ist unser junger Uhu, Uwe. Er ist ein Terzel“, erklärt Wittekind und benutzt den Fachbegriff für einen männlichen Greifvogel. „Weibchen wären noch deutlich größer.“ Die Kinder staunen. Noch größer? Uwe dreht seinen Kopf und fixiert die Gäste, dann verliert er das Interesse. Nicht so die Gäste. „Kann ich den mal auf die Hand nehmen?“ fragt ein Steppke. „Besser nicht“, sagt die Falknerin und schmunzelt. So ein Uhu ist schließlich über vier Pfund pures Raubtier. Aber die Enttäuschung währt nicht lange: Bald schon darf ein Besucher nach dem anderen in den schweren Handschuh schlüpfen, darauf der freundliche Merlin. Er ist überraschend leicht – und auf seine Weise beeindruckend schön. Die Kinder strahlen, und ihr Lächeln spiegelt sich in den großen Vogelaugen.
Raubtiere unter sich.
Autor:Oliver Borgwardt aus Dorsten |
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