Zirkusträume werden wahr auf dem Silverberg
Haltern. „Wo bleibt ihr denn? Wir wollen doch berühmt werden!“, ruft das Clownmädchen allein in der weiten Manege. Und schon stürmen Clownkollegen herein und singen das Lied von Hering und Rollmops. Ob das Wahrheits-Wässerchen, das Bienchen-gib-mir-Honig-Spiel, der Urenkel von Wilhelm Tell, der vom Kopf eines Mädchens eine Banane schießen will, oder die Kunststücke des unsichtbaren Flohs – die Clowns begeistern mit ihren Sketchen. Doch auch die Akrobaten, die Fakire, die Schwarzlichtkünstler, Seilartisten und Zauberer überraschen das Publikum.
Und dann ist da noch die Rahmengeschichte, die echte Schauspielkunst erfordert. „Es ist doch erstaunlich, was diese Kinder in nur sechs Stunden einstudiert haben und auf die Bühne bringen“, lobt Edgar Hedergott die Artisten am Ende der Vorstellung. Und die Zuschauer pflichten ihm mit Standing Ovations bei. Edgar Hedergott ist Leiter der Freien Pädagogischen Initiative Unna e.V. und Vater der Zirkusprojektidee an Schulen. Zum vierten Mal gastierte sein Zirkusteam an der Silverbergschule. Und es war ein voller Erfolg.
Die 190 Schülerinnen und Schüler gaben in den Vorstellungen alles. Die Schwarzlichtkünstler, nur sichtbar durch ihre bunten Schmetterlingsmasken, schickten mit leuchtenden Bändern Lichtblitze durch die dunkle Arena, ließen Ringe kreisen und „entzündeten“ am Ende ein optisches Flammenmeer. Die Zauberer verknoteten nur durch Zaubersprüche bunte Tücher, ließen Gegenstände verschwinden und wieder auftauchen, durchstießen sogar eine Box, in der ein Gefangener saß, mit 13 Säbeln, ohne dass dem Insassen ein Haar gekrümmt wurde.
Die Seiltänzer balancierten nicht nur über das Drahtseil, sondern machten auf ihm Spagat und Handstand, jonglierten mit Fackeln und fuhren Einrad. Die Fakire liefen barfuß durch Glasscherben, ließen auf beiden Seiten brennende Fackeln kreisen und legten sich mit bloßem Oberkörper auf ein Nagelbrett, während eine Mitschülerin auch noch auf ihnen einen Handstand machte.
Nicht zuletzt verzauberten auch die Akrobaten das Publikum. Mit ihren Menschenpyramiden zeigten sie nicht nur eine großartige körperliche Leistung, sondern schafften auch optische Reize durch kunstvolle Formationen. Überboten wurde das nur noch von ihren Kunststücken am Trapez, wenn sie nur am Seil hängend wunderbare Figuren zeigten.
Ein Kontrastprogramm zu dem bunten, lauten und lustigen Treiben bildete die Rahmengeschichte: Die einsame Anna macht sich im Traum auf den Weg zum Zauberer von Oz. Unterwegs findet sie seltsame Freunde: einen Strohmann, der nicht mehr dumm sein will, einen Blechmann, der nicht mehr herzlos sein will, und einen Löwen, der nicht mehr mutlos sein will. Durch ihre gemeinsame Reise aber haben sie bereits Verstand, Herz und Mut bewiesen. Und vor allen Dingen den Wert der Freundschaft kennengelernt. Der Zauberer überreicht ihnen seine Glückwünsche und vertraut den Gefährten die Regierung des Reiches an.
Für Schulleiterin Veronika Beher ist auch das Zirkusprojekt ein Traum, in dem Wünsche wahr werden: „Es ist toll zu erleben, wie manche Kinder in dieser Woche aus sich herausgehen und ihre Rolle finden.“ Und wer am Freitag und Samstag mit erhobenen Armen in der Manege gestanden hat, werde am Montag, wenn der Schulalltag wieder beginnt, auch verwandelt sein und ganz anders auftreten. Es sei auch nicht nur die Darbietung selbst, die die Kinder einüben mussten, es ist auch die Kunst, sich vor großem Publikum darzustellen, mit der ganzen Körpersprache Präsenz zu zeigen, das Publikum zu begrüßen und zu verabschieden, sich als Clown auch belächeln zu lassen, oder als Akrobat auf die Mitartisten zu achten. Das erst schafft die Illusionen, von denen jeder Zirkus lebt. Und das haben die Kinder wunderbar hinbekommen.
Und noch etwas will Veronika Beher loswerden: „Toll, dass sich wieder so viele engagiert haben“. Eltern, die sich um die Verköstigung, die Betreuung der Kinder in den freien Zeiten und die Begleitung der Übungsgruppen kümmerten, Lehrer, die manche Überstunde machten, und auch das Zirkusteam, das mit Fachkenntnis und Liebe die Kinder anleitete. Elisabeth Leßner, die vor 12 Jahre das Zirkusprojekt in die Schule holte, pflichtet bei: „So ein gemeinsame Erfahrung schweißt Eltern, Lehrer und die Schüler über die Jahrgangsstufen hinweg zusammen.“ Und auch das habe eine nachhaltige Wirkung.
Am Ende der Geschichte, die im Zirkuszelt erzählt wird, erwacht Anna aus ihrem Traum und muss scheinbar wieder ohne ihre Freunde auskommen. Doch die Wirklichkeit ist schöner, denn schon füllen sämtliche Darsteller die Bühne und feiern sich selber. Die Zirkuswoche hat gezeigt, der Traum, dass jeder seinen Platz findet und nach seinen Talenten gefördert wird, kann Wirklichkeit werden.
Autor:Olaf Hellenkamp aus Dorsten | |
Webseite von Olaf Hellenkamp | |
Olaf Hellenkamp auf Facebook |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.