Mit Respekt und Herzblut - Carving Cup Künstler zeigen ihr Können an der Säge
Der Meiler bei Flaesheim ist seit jeher bei Besuchern und Spaziergängern als Anlaufpunkt für Wanderungen oder als Etappenziel durch die Haard beliebt. Ein besonderer Magnet ist er in jedem Jahr am ersten Mai, wenn der Holzkohlenmeiler entzündet wird. An diesem Wochenende war er erstmalig Austragungsort für den 1. Carving Cup in der Haard. Veranstalter war der Regionalverband Ruhr. Vor Ort stand neben den 21 geladenen KünstlerInnen RVR-Förster Harald Klingebiel für weitere Auskünfte zur Verfügung.
Ich gebe es zu - Ich habe eine irrationale Angst vor Kettensägen. Bereits ihr bloßer Anblick löst in mir alptraumhafte Fantasien aus. Andererseits aber bin ich als bildende Künstlerin gespannt darauf, was die holzverarbeitenden Kollegen so "auf der Kette" haben. Im wahrsten Sinne des Wortes! Ebenso gespannt sind auch meine Nerven als mir bereits 100 Meter vor dem Meiler bei Flaesheim der ohrenbetäubende Lärm von mindestens 15 gleichzeitig aufheulenden Motorsägen entgegenschlägt. Dennoch gehe ich mutig weiter und taste mich mit gezückter Kamera vorsichtig an das Geschehen heran.
Durch das Display wirkt es schon nicht mehr ganz so bedrohlich. Im Gegenteil - was ich sehe lässt mein eigenes Künstlerherz höher schlagen und ich wäre direkt Feuer und Flamme, wenn ich dazu nicht selbst ein solches Gerät zur Hand nehmen müsste.
Lebensgroße Tierfiguren stehen täuschend echt am Wegesrand. Neben Adlern und Pferden liegt ein gewaltiger Bär. Aber auch meterhohe Baumstämme, verziert mit floralen oder geometrischen Mustern, die an Totem-Stämme erinnern, säumen den Weg zum Meiler. Frauen und Männer mit schwerem Gerät und Ohrenschutz arbeiten an neuen Skulpturen. Unglaublich wie aus groben Holzklötzen mit grobem Werkzeug so filigran gearbeitete Kunstwerke entstehen können!
Es kommt der Tag, da will die Säge sägen
Es ist so laut, dass man sein eigenes Wort nicht versteht und die Künstler einfach anzusprechen wage ich schon deshalb nicht, weil ich ihnen und den Sägen dazu gefährlich nahe kommen müsste.
In der offenen Schiebetür eines Kleinbusses sitzt ein freundlich aussehender Mann mittleren Alters, der gerade eine künstlerische Pause einlegt. Seine Motorsäge hat er kurzzeitig eingetauscht gegen ein Küchenmesser mit dem er eine große Salami in mundgerechte Stücke schneidet während ihm die Hunde der anderen Künstler und seine eigene Hündin Anka sehnsüchtig dabei zuschauen. Er bietet mir gleich einen Kaffee an und weiht mich gerne in die Geheimnisse der Kettensägenkunst ein.
Bernd Voigt kommt aus dem Erzgebirge und ist ein ganz alter Hase. Zur Bildhauerei ist er schon in frühen Jahren gekommen. Bereits als Junge interessierten ihn die bildende Kunst und der Werkstoff Holz. Auch die heimatliche Umgebung hat ihn geprägt. “Im Erzgebirge wächst man mit der Herstellung von Holzskulpturen auf,“ erklärt er. Die traditionellen Holzschnitzereien allerdings haben ihn weniger interessiert. Meterhohe Figuren erschafft man schließlich nicht mit einem kleinen Messerchen. Dazu muss schon schwereres Gerät her. Mit 16 Jahren entdeckte er seine Liebe zur Malerei und zum Drechseln. Es zeigte sich schnell sein außergewöhnliches künstlerisches Talent. Dennoch schlug er zunächst eine ganz andere Laufbahn ein.
Jahrelang betrieb er die Kunst als Hobby neben seinem Beruf als Handelsvertreter. Erst im Jahre 2012 brachte ihn ein schwerer Krankheitsfall in der Familie dazu sein eigenes Leben zu überdenken. Er entschloss sich seine Berufung endlich auch zum Beruf zu machen und lebt seitdem als freiberuflicher Künstler vom Verkauf seiner Skulpturen. Events wie der Carving Cup in Flaesheim finden deutschlandweit von Anfang April bis Ende Oktober nahezu wöchentlich statt. Bernd Voigt kennt sie alle. Hier knüpft er Kontakte zu neuen Kunden aber auch zu anderen Künstlern. Auch von den in Flaesheim anwesenden Künstlerkollegen kennt er die meisten. Nach der Freiluftsaison widmet sich Voigt seinen Aufträgen und stellt auf Weihnachtsmärkten aus.
Wo gehobelt wird, da fallen Späne
Von den vom Regionalverband Ruhr eingeladenen 21 Künstlern stammen die am weitesten Angereisten aus Weißrussland und Polen. Von Freitag bis Sonntag bieten sie interessierten Besuchern die Möglichkeit beim Schaffensprozess ihrer oft meterhohen Skulpturen live dabei zu sein. Thema der Veranstaltung ist die künstlerische Auseinandersetzung mit Wald und Klimawandel. So zeigen die meisten Anwesenden auch Figuren von Wildtieren, deren Heimat der Wald ist. So zünftig wie der Tag begonnen hatte, so endet er auch. Bei Wildschwein vom Grill und einem guten Schluck wird noch einmal kräftig gefachsimpelt. Während am Freitag noch die Kür auf dem Programm steht bekommen die KünstlerInnen am Samstag zusätzlich eine individuelle Aufgabenstellung. Ab 15:00 Uhr arbeiten alle gemeinsam an einem großen Projekt.
Die Nächte verbringen sie in der nahen Jugendherberge oder auch im eigenen Auto wie Bernd Voigt. Der Zusammenhalt ist vorbildlich. Wie in einer großen Familie teilt man sich Werkzeug und auch mal den einen oder anderen guten Rat. Hier erfährt man als Neuling auch, dass Kettensäge nicht gleich Kettensäge ist: Verschieden dicke Ketten auf unterschiedlich langen Schwertern mit bestimmten Krümmungen ermöglichen erst ein präzises und zum Teil sogar erstaunlich filigranes Arbeiten. Aus Lebensbaum-, Eichen- und Fichtenstämmen entstehen auf diese Weise realistische Figuren aber auch reich verzierte Möbelstücke wie Gartenbänke oder Tische.
Zur Verfügung gestellt hat das Material der Regionalverband Ruhr. Die scheinbare Leichtigkeit mit der das Blatt durch den Stamm schneidet, täuscht. Das Arbeiten mit der Kettensäge ist körperlich äußerst anstrengend und nicht zu unterschätzen. Wer seine Kräfte nicht einteilen kann und vor lauter Freude am Schaffensprozess bis zur Erschöpfung weiter macht, den zwingen unweigerlich Zerrungen und schlimmer Muskelkater zu einer tagelangen Auszeit. Neben den vor Ort angefertigten Stücken haben viele Künstler auch Skulpturen mitgebracht. Bernd Voigt fertigt an diesem Wochenende lieber alle Stücke live an. Der Aufwand des Transports wäre ihm einfach zu groß. Und das auch im doppelten Sinne des Wortes: Seine bisher größte Skulptur misst stattliche sieben Meter!
Versteigerung für den guten Zweck
Ab Samstag um 17:30 Uhr stehen die individuellen Werke dann zum Verkauf. Ein Teil der Kunstwerke soll allerdings dauerhaft in das Waldprojekt "naturverträgliche Tourismusentwicklung der Haard - Baustein Waldpromenade" integriert werden. Am Sonntag können die Gäste beim Speedcarving einzelne Objekte für den guten Zweck an caritative Einrichtungen ersteigern. Der Erlös geht zu 20 Prozent an den BUND und die Halterner Tafel. Natürlich gibt es auch regen Austausch der vielen Schaulustigen mit den KünstlerInnen, die gern Rede und Antwort stehen.
Die Begeisterung, mit der Bernd Voigt über seine Arbeit spricht, hat etwas Ansteckendes. Auf dem Rückweg zu seinem Arbeitsplatz klingt mir der Lärm der Sägen schon fast wie Musik in den Ohren. Naja, nur fast - meine Angst vor dieser Art Werkzeug werde ich wohl nie ganz ablegen. Bei meinen letzten Fragen muss ich schon fast schreien, damit er mich hört: Hat er nie Angst gehabt sich zu verletzen und wie schafft man es aus einem groben Holzklotz mit Hilfe eines so brachialen Instruments ein so anmutiges Objekt zu schaffen?
“Mit Respekt und ganz viel Herzblut“, antwortet er schmunzelnd und schmeißt die Säge wieder an.
Teilnehmende Künstler:
HEINER KROES, OLLI SCHULZ, STEPHAN BLOCK, MARIO HENNIG, ENGELBERT WEIMANN, SONJA KRÄMER, ROGER MALTER, RES HOFFMANN, BERND VOIGT, MARTINA GAST, ALBERT HILLIGSMANN, ANDREAS MÜLLER, BALAZS TURAN, JÖRG BÄßLER, ANJA VON GRÜNHAGEN, ANDREAS STENTRUP, ANDREIJ LÖCHEL, DIRK BORN/ UWE FISCHER, RAIK VICENT/ VLADIMIR CHIKVIN
Autor:Antje Clara Bücker aus Haltern |
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