Michael van Ahlen liest Kurt Tucholsky
Wo kommen die Löcher im Käse her?
Haltern. Die 32. von der KulturStiftung Masthoff veranstaltete Lesung fand diesmal im Alten Rathaus statt. Geschickt hatte dabei Michael van Ahlen Texte ausgewählt, welche die Virtuosität Tucholskys beweisen und typisch sind für seine frühen satirischen Werke, nämlich Glossen und Grotesken.
Leichtfüßig und bewaffnet mit spitzer Feder sinniert er, wie wohl der Erfinder des Reißverschlusses aussehen mag, und -passend zur allgemeinen gesundheitlichen Lage – schlägt er diverse Rezepte vor, die Influenza wirksam, wenn auch unorthodox bekämpfen. Fragen wie „Was darf die Satire?“ oder „Sind Frauen eitel? Männer nie!“ wurden beantwortet. Allein die Antwort auf die unschuldige, wenn auch folgenschwere Frage eines kleinen Jungen, nämlich „Wo kommen die Löcher im Käse her?“ bleibt Tucholsky (alias Michael van Ahlen) schuldig, mimik- und gestenreich!
Nach langer, langer Corona-Pause gab es nach der ersten Lesung in der Krise tosenden Applaus für Michael van Ahlen und seine Mitstreiter Katerina Krey am Piano und Sven Krey am Saxophon und an der Klarinette, die mit fetziger Musik, u.a. „Wochenend und Sonnenschein“, „Mein kleiner grüner Kaktus“ und „Mackie Messer“ in die Welt eines der namhaftesten Publizisten der Weimarer Republik entführten und das Publikum hellauf begeisterten. So manch einer beschloss danach, Tucholsky, den literarischen Hausgott seiner Jugend, einen der großartigsten Wortschmiede des 20. Jahrhunderts, neu für sich zu entdecken, besitzen seine Texte doch noch immer, ja gerade heute frappierende Gültigkeit! Er schrieb „Rheinsberg“ und „Schloss Gripsholm“, ferner Essays und Gedichte, Texte für Lieder und fürs Kabarett. Als zeitkritischer Journalist engagierte er sich politisch und nahm die Gesellschaft aufs Korn, wobei der sich der Pseudonyme Ignaz Wrobel, Theobald Tiger, Peter Panter sowie Kaspar Hauser bediente. Seine mahnende, warnende Stimme, die 1935 durch seinen Freitod nach zwei gescheiterten Ehen, zahlreichen Liebschaften und der Vorahnung der Katastrophe, in die sein Land driftete, für immer verstummte, will auch in unserer Zeit gehört und erhört werden. (E.M.)
Auch die nächsten zwei Lesungen finden im Alten Rathaus statt. Freuen Sie sich auf ein Wiederhören mit Michael van Ahlen am Sonntag, 1. November, 17 Uhr im Alten Rathaus. Dann stellt er Alfred Polgar, den Tucholsky „den feinsten und leisesten Schriftsteller unserer Generation“ nannte, vor. Titel: „Der Kongress tanzt“.
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