Vortrag: Ohne Gutenberg kein Internet

Der Historiker und Buchwissenschaftler Reinhard Feldmann zeigt einen sogenannten Heiltumsspiegel. Diese Plaketten sollten bei Reliquienschauen heilsame Kräfte aufnehmen können. Schon um 1440 verkaufte Gutenberg solche Metallgegenstände, bevor er sich dem Buchdruck widmete. Foto: Borgwardt
  • Der Historiker und Buchwissenschaftler Reinhard Feldmann zeigt einen sogenannten Heiltumsspiegel. Diese Plaketten sollten bei Reliquienschauen heilsame Kräfte aufnehmen können. Schon um 1440 verkaufte Gutenberg solche Metallgegenstände, bevor er sich dem Buchdruck widmete. Foto: Borgwardt
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Johannes Gutenberg, ist das nicht einer dieser verstaubten toten Männer aus den Geschichtsbüchern? Wer sich müde abwendet und dann mit seinem Smartphone im Internet surft, hätte ohne den Mainzer Patriziersohn kaum die Gelegenheit dazu. Der Buchwissenschaftler Reinhard Feldmann machte in einem Vortrag in der Stadtbücherei deutlich, warum Gutenberg manchen nicht ohne Grund als wichtigster Mann des zweiten Jahrtausends gilt.

Während Sie diese Zeilen lesen, profitieren auch Sie von der Idee Gutenbergs, anstatt einer großen, schweren Druckplatte viele kleine, bewegliche Lettern zu gießen, die man immer wieder neu anordnen und mit denen man daher unkompliziert und rasch Text setzen kann. Die Bedeutung dieser Erfindung ist kaum zu überschätzen: Die rasche Bereitstellung von gedruckter Information stellte eine umfassende Medienrevolution dar, die erst in unserer Zeit mit dem Internet und der Digitalisierung des Wissens eine Ensprechung gefunden hat.

Reinhard Feldmann kennt sich mit dieser Entwicklung bestens aus, und das von Berufs wegen: Der renommierte Buch- und Bibliothekswissenschaftler ist der Leiter des Dezernats für Historische Bestände an der Universitätsbibliothek Münster und in dieser Funktion für alle historischen Buchbestände in Westfalen zuständig.

Der wortgewandte Akademiker mit dem Rauschebart ist aber nicht nur eine fachliche Koryphäe, sondern auch ein guter Unterhalter. Sein Vortrag über Gutenberg - von dem wir übrigens weniger wissen, als man meint - war nicht nur für Historiker eine Freude, sondern auch für interessierte Laien. Mit viel Humor beschreibt Feldmann etwa das erste profitable Gewerbe des Johann Gutenberg, den Verkauf von sogenannten Heiltumsspiegeln. Diese figuralen Plättchen aus Metall wurden immer dann über den Kopf gehalten, wenn an einem Wallfahrtsort wunderbringende Reliquien zur Schau gestellt wurden. Dem katholischen Glauben gemäß, sollte sich die Heilkraft in diesen Spiegeln fangen. "Damit ging man dann nach Hause und hielt sie allem entgegen, was man beschützen wollte, etwa dem lieben Vieh oder der Gattin..." Schmunzeln im Publikum über diese kleine Spitze, die auch von Feldmanns Ehefrau - ebenfalls Wissenschaftlerin - im Plenum mit einem Lächeln aufgenommen wurde.

Feldmann skizzierte Gutenbergs Werdegang, räumte mit einigen romantischen Ideen auf und verknüpfte sein Referat mit reichem Bildmaterial. Dabei stellte er auch heraus, dass das nur allzu bekannte Bildnis Gutenbergs ein reines Fantasieprodukt ist. "Das könnte ein russischer Kauffahrer sein oder sonst ein reicher Mann, aber mit dem Original hat das wenig zu tun", betonte der Fachmann. Was aber unzweifelhaft sei, ist die Bedeutung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern und einer Druckerpresse: "Mit Gutenberg erleben wir zum ersten Mal eine industrielle Fertigung von Druckwerken, insbesondere Büchern", stellte Feldmann fest.

Intialzündung zur Wissensrevolution

Dank des erst wenige Generationen zuvor in Europa verbreitetem Papiers und der Verfügbarkeit von Spindelpressen in der Weinstadt Mainz konnte Gutenberg zusammen mit seinen beweglichen Lettern und einer speziellen Tintenmischung die Initialzündung zu einer Wissensrevolution geben. Flugblätter und Bücher konnten in nie dagewesener Geschwindigkeit hergestellt werden, und damit wurde Wissen ebenfalls in rasantem Tempo verbreitet. Ohne Gutenberg hätte es einen Martin Luther, die Reformation, ja wohl auch die Aufklärung und die breite Bildung der europäischen Gesellschaft wohl nicht in seiner heutigen Bedeutung gegeben - und auch das heutige Internet wäre ohne den enormen Wissenszuwachs der letzten Jahrhunderte wohl noch eine Illusion. "Doch geschah dies nicht über Nacht", gibt Feldmann zu bedenken, "es dauerte noch bis ins 19. Jahrhundert, bis die Mehrzahl der Bevölkerung alphabetisiert war. Und Bücher blieben weiterhin teuer."

Nach dem Rückblick genehmigte Feldmann sich auch noch einen Blick in die Zukunft: Das Buch, so meint der Wissenschaftler, werde seinen Platz auch weiterhin neben den Neuen Medien finden. "Das papierlose Büro, wie es uns prophezeit wurde, ist ja bekanntlich auch nicht eingetreten."

In Haltern geht man übrigens noch einen Schritt weiter: Auch dank des Wissensaustausches über moderne Medien ist man im Druckereimuseum der Stadtbücherei der Rekonstruktion einer historischen Gutenbergpresse inzwischen ein gutes Stück nähergekommen. So kann die Smartphone-Generation von heute bald mit eigenen Augen sehen, wie die mediale Revolution ihren Anfang nahm - vor rund 550 Jahren.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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