Literatur im Alten Rathaus
Vorleserpaar macht Andersens Werke wieder lebendig
Haltern. „Leben allein genügt nicht“, sagte der Schmetterling, „Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume muss man auch haben“ oder Zitate wie „Das wunderbarste Märchen ist das Leben selbst“, „Musik spricht dort, wo Worte fehlen“ und „Reisen ist Leben“ sind wie ein Schlüssel zu dem Leben und Werk von Hans Christian Andersen, Märchenschreiber und Dichter. Mit seinen 168 anfangs für Kinder, später für Erwachsene geschriebenen Märchen machte er sich unsterblich. Allerdings brauchte sein Über-Nacht-Erfolg etwas länger, jedenfalls in seiner Heimat Dänemark. Als treuherzig, unverhohlen, als rastlos Reisender und Hypochonder beschrieben ihn die Kritiker seiner Zeit. Es fehle seinen Schriften an dem moralischen Zeigefinger, an pädagogischer Unterweisung.
An diesem trüben November-Sonntag ließ ihn das bekannte Vorleserpaar Sabine und Michael van Ahlen wieder aufleben mit Hilfe von Schnipseln aus seiner Autobiographie, Stationen aus seinem Leben (etwa seine Zeit in Kopenhagen), vergessenen Erzählungen, Tagebucheintragungen, Rezensionen, Pressestimmen, der ein oder anderen Szene aus Märchen wie „Schneekönigin“, „Der Wassertropfen“, „Liebesleute“, „Die Prinzessin auf der Erbse“ und „Die kleine Seejungfrau“. Des Dichters Kindheit, das große Warten auf Anerkennung, seine von der schwedischen Nachtigall Jenny Lind unerwiderte romantische Liebe wie auch seine ebenfalls einseitige Freundschaft mit dem von ihm so bewunderten Edvard Collin, all das zeichnete das Vorleser-Duo mit ausdrucksstarken Wortbildern und lebhafter Gestik für das gebannt lauschende Publikum.
In seinem Kunstmärchen „Das hässlichen Entlein“ – mobbing gab es offensichtlich damals wie heute – akzeptiert Andersen seine lebenslange Rolle als Außenseiter. Sabine van Ahlen ließ ihre Stimme säuseln und surren, schnarren und schmeicheln, knarren und flüstern, dass es eine wahre Freude war. Und schon bald fühlte es sich an, als hätte Andersens als lemurenhaft beschriebene schlaksige Gestalt sich mitten unter das Publikum gemischt, in dem sich gerade das innere Kind zu regen begann. Ach würde er doch hier und jetzt noch einmal anheben, auf seine ureigene Weise seine Märchen zu erzählen und wie damals kein Ende finden, hoffte der eine oder andere.
Freuen Sie sich schon jetzt auf Sonntag, den 5. Dezember 2021. Um 17:00 Uhr steht im Alten Rathaus „Nussknacker und Mausekönig“ (E.T.A. Hoffmann) auf dem Vorleseprogramm, von Fanny Herbst untermalt mit wahrlich himmlischen Harfeklängen. Text: Eva Masthoff
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