Volkskundler erinnern an die Zeit als die Herbstferien noch "Kartoffelferien" waren

Kinder als Erntehelfer während der "Kartoffelferien" um 1930. Foto: LWL-Archiv
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Seit Montag (24.10.) haben in Nordrhein-Westfalen die Herbstferien begonnen. Für die Schulkinder heißt es nun: ausschlafen und die freie Zeit genießen. Dass dies vor wenigen Generationen ganz anders aussah, daran erinnern die Alltagskulturforscher der Volkskundlichen Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).

"Noch bis in die 1960er Jahre hinein dienten die Herbstferien der Hilfe bei der Kartoffelernte, daher auch der Name 'Kartoffelferien‘. Dann hieß es für die Kinder 'Outgohn ton Trüffel klaggen‘", erklärt Evelyn Hammes, LWL-Volkskundlerin. "Zumindest in den ländlichen Gebieten boten die Herbstferien den Kindern keine Verschnaufpause. Im Gegenteil - jetzt wurde erst recht 'geackert‘. Denn für die im September und Oktober stattfindende Ernte der Spätkartoffeln wurden viele helfende Hände benötigt. Die Bauern gingen in die Schulen und warben zusätzliche Helfer an, so dass sich auch Kinder, die nicht aus Bauernfamilien stammten, auf diese Weise ein kleines Taschengeld verdienen konnten", erläutert Hammes.
Das Aufsammeln der Kartoffeln war eine mühselige Angelegenheit, da durch das ständige Knien und Bücken der Rücken stark belastet wurde. Aus den Manuskripten des Archivs der Volkskundl¬ichen Kommission geht jedoch hervor, dass die Erntezeit von den Helfern durchaus positiv wahrgenommen wurde. Es wurde viel gesungen und erzählt, mitunter gab man der Arbeit einen spielerschen Anreiz, wie folgender Archivfund beweist: "Es ging fröhlich zu auf dem Acker. Jeder wetteiferte mit dem andern, zuerst mit seinem Paat fertig zu sein. Nicht immer waren die früh Fertigen die besten Kartoffelsucher. Wer's ehrlich meinte, den Boden sorgfältig durchsuchte, war immer einer der Letzten."
Nicht zuletzt sorgte die Aussicht auf eine schmackhafte Mahlzeit für eine gute Stimmung, wie eine Gewährsperson aus Westfalen im Jahr 1963 zu berichten wusste: "Außerdem macht den meisten auch diese Arbeit einen großen Spaß. Gibt es doch am Abend meist immer recht gute und auch leckere Sachen, die die Bäuerin eigens für die kleinen Helfer zubereitet. Selbst Pfannkuchen, 'Erdappelschiewen‘ [=Kartoffelscheiben] und 'Rieweplätzkes‘ (Reibeplätzchen) schmecken bei solch einer Gelegenheit doppelt so gut, als wenn sie von der Mutter aufgetischt worden wären." Gegen Ende der Erntezeit sah man abends die Kartoffelfeuer leuchten, in deren Glut man die letzten Kartoffeln röstete.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, mancherorts sogar noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein, wurden die Erdäpfel per Hand mit Hilfe einer Forke aus der Erde gehoben. Alternativ gab es bereits früh die Möglichkeit mit einem Kartoffelpflug zu arbeiten. Dass diese Erntetechnik auch Nachteile barg, ist folgendem Archivfund zu entnehmen: "Es hieß nun, es genau mit dem Pflug zu treffen. Zu flach, dann wurden viele Kartoffeln beschädigt. Zu tief, dann blieben beim Suchen viele Kartoffeln in der Erde stecken. Die Sucher knieten zwischen zwei Reihen und kratzten mit den Händen die Kartoffeln heraus."
Der um 1850 entwickelte Kartoffelroder löste allmählich den Pflug und die reine Handarbeit als Erntetechniken ab. Mit Hilfe einer sich drehenden Spindel schleuderte der Kartoffelroder die unterir-disch wachsenden Knollen seitlich aus dem Boden. "Diese Neuerung stellte zwar eine große Entlastung dar, doch auch hier blieb das Auflesen noch Handarbeit", so Hammes. Erst die in den 1950er Jahren entwickelten modernen Kartoffelvollernter erledigen zudem das Auflesen gleich mit.

Autor:

Michael Menzebach aus Haltern

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