Römische Handwerker: Immerhin kein Latrinendienst

Antike Bauplanung: Mit der Groma, einem antiken Vermessungsinstrument, konnten die Achsen eines Lagers vor dem Aufbau vermessen werden. Die Doktorandin Lisa Stratmann (2.v.r) erklärte den Besuchern an solchen praktischen Beispielen römische Handwerksmethoden. Foto: Pieper
  • Antike Bauplanung: Mit der Groma, einem antiken Vermessungsinstrument, konnten die Achsen eines Lagers vor dem Aufbau vermessen werden. Die Doktorandin Lisa Stratmann (2.v.r) erklärte den Besuchern an solchen praktischen Beispielen römische Handwerksmethoden. Foto: Pieper
  • hochgeladen von Michael Menzebach

Töpfer, die Meilen über Meilen marschieren müssen, Zimmerleute, die im Kampf zum Schwert greifen, Schmiede, denen Sicherheitskleidung fremd ist – Handwerk stand in der Antike bisweilen auf steinigem statt goldenem Boden.

Der Legionär hat’s schwer – das wissen die meisten Besucher des Römermuseums spätestens seit Asterix. Doch auch wenn gerade kein wohlbeleibter Gallier zuschlug, konnte das Leben in der Legion ganz schön anstrengend sein. Dass dies nicht nur auf die rund 6000 Soldaten in einer der großen römischen Armeen zutraf, sondern auch auf den unvermeidlichen und unverzichtbaren Tross von Handwerkern und Spezialisten, wurde bei einer Führung deutlich.

Die gute Nachricht vorweg: „Die Handwerker waren vom Reinigen der Latrinen befreit“, erklärt Lisa Stratmann. Die Althistorikerin und Archäologin promoviert zur Zeit an der Uni Münster, gibt aber regelmäßig Führungen im Museum. Am Sonntag konnte sie eine ganze Gruppe interessierter Besucher in die Welt der römischen Handwerker entführen.

Auch wenn die stinkende Unratentsorgung nicht ihre Sache war, leisteten die Spezialisten einen wichtigen Beitrag zum Alltag der Legion, ohne die der militärische Apparat gar nicht funktionieren konnte. Dass so ein Lager eine eigene kleine Welt war, wurde den Besuchern schnell klar: Anhand des bewährten Modells im Museum zeigte Lisa Stratmann, wie groß und komplex ein solches Lager aufgebaut war und wo die Handwerker zum Einsatz kommen mussten. „Das Gebäude hier ist die sogenannte fabrica“, erklärt die Expertin und führt den Lichtpunkt ihres Laserpointers auf ein unscheinbares Haus inmitten des Lagers. „Wir kennen das Wort noch von der modernen Fabrik“, erinnert Stratmann. Konzentriert schauen die Besucher auf das Modell und versuchen sich vorzustellen, wie hier Eisen- und Bronzearbeiten vorangetrieben wurden. Vermutlich unter Schweiß, Anstrengung und einer Fülle lateinischer Flüche, wenn wieder einmal ein Schmiedeprodukt in die Binsen ging.

Doch auch ein verzogener Nagel oder ein gebrochener Eimer war kein Grund zur Verzweiflung: „Misslungene oder schadhafte Schmiedearbeiten wurden nicht einfach weggeworfen. Sie konnten als Ausgangsmaterial für neue Gegenstände dienen“, weiß die Archäologin und zeigt auf die Vitrine. Die Besucher recken die Hälse. Tatsächlich sehen die Bronzekessel nicht ganz geglückt aus. Das hatte auch der Fachmann vor 2000 Jahren bemerkt und die Stücke zum späteren Ausschlachten beiseite gelegt. „Wenn wir Glück haben, finden wir einen solchen Hort“, freut sich die Expertin. Recycling war also schon in der Antike ein Thema. In diesem Fall aber anders als vom Handwerker gedacht, denn dass das Reklamationsgut eine steile Karriere zum wissenschaftlichen Vorzeigeobjekt machen würde, hätte der antike Fachmann nicht ahnen können.

Zum Philosophieren über die ferne Zukunft blieb ohnehin wenig Zeit: Von Sonnenauf- bis –untergang waren die Handwerker Roms an ihrer Arbeit. Welchen Berg von Aufgaben die fleißigen Helfer zu bewältigen hatten, schlägt sich schon in den bloßen Zahlen nieder: Die Befestigung eines Kampflagers wie in Haltern verlangte nach dem Holz von 12.500 Eichen, und die Häute von 14.500 Ziegen wurden auf dem Marsch allein für die Zelte gebraucht. „Dieses Zelt hier besteht aus etwa 70 Häuten“, erklärt Lisa Stratmann, wobei sie sich ausnahmsweise setzt, damit die Kinder unter dem rekonstruierten Wetterdach ihren Worten folgen können. Dann mussten noch die Heringe geschmiedet werden, das Garn gesponnen, die Nadeln gefertigt, die Ausrüstung der Legionäre ausgebessert oder ausgetauscht werden... viel Freizeit blieb nicht übrig, zumal die Handwerker im Notfall auch zu den Waffen gerufen wurden.

Dennoch konnte man es sich nach geleistetem Tagewerk gemütlich machen, etwa beim Würfelspiel. Damit man die Würfel nicht nur fallen hörte, sondern auch mit eigenen Augen feststellen konnte: „Alea iacta est“, sollte natürlich vorher eine passende Lichtquelle vorhanden sein. „Dazu benutzten die Römer solche Tonlampen“, referiert Stratmann und zeigt den Gästen eine ganze Kollektion roter Öllampen. Damit der Vortrag nicht zu trocken wird, greift die Doktorandin während der Führung immer wieder einmal in ihre mitgebrachte Kiste und zaubert ein paar Gegenstände hervor. In diesem Fall eine Gipsform. Die Besucher klappen sie neugierig auf: Tatsächlich, eine Tonlampe... und wie genau funktioniert die Herstellung? „Das hat man so gemacht...“ setzt Lisa Stratmann an und führt die Besucher an den ausgestellten Töpferofen. Schritt für Schritt wird den Museumsbesuchern klar, wie viel Arbeit und Können hinter dem Alltag in der römischen Legion steckt. Ein anstrengendes, aber kultiviertes Leben.

Und am seinem Ende? Die Gäste betrachten einen Haufen zusammengebackener Knochen, die aus einem Töpferofen geborgen wurden. „Das waren Germanen“, sagt die Expertin, „Römer wurden anders bestattet.“ Doch warum waren die Leichen so rücksichtlos in einem alten Ofen verscharrt worden? „Das wissen wir nicht genau“, gibt Stratmann zu. Ein ungeklärter Kriminalfall? Nachdenklich blicken auch die Kinder auf den antiken Tatort, und auf einmal scheinen ihnen allen Sherlock-Holmes-Mützen auf den Kopf zu wachsen. Ganz schön spannend, so ein Museum.

Zum Abschluß führt Lisa Stratmann die Besucher an das Modell eines pompösen Grabhügels. „Reiche Leute ließen sich in einem solchen tumulus bestatten“, erklärt die Führerin. „Der konnte prachtvoll ausgestaltet werden, um die Bedeutung des Verstorbenen hervorzuheben“. Und wer machte die ganzen Arbeiten? Natürlich – die Handwerker.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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