Römertage: Auf den Spuren der Antike

Mit Helm, Schienenpanzer und Turmschild sieht dieser junge Besucher fast aus wie ein richtiger Legionär. Fotos: Ralf Pieper
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  • Mit Helm, Schienenpanzer und Turmschild sieht dieser junge Besucher fast aus wie ein richtiger Legionär. Fotos: Ralf Pieper
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Kaisertreue Legionäre, römische Bürger und germanische Händler: Am Wochenende konnte man der Antike am Römermuseum Auge in Auge gegenüberstehen. Ganz Mutige verloren dabei für kurze Zeit den festen Boden unter den Füßen.

Es gibt ja viele Vorurteile über die Antike: Die Germanen sind in Felle gehüllt und leben fast noch auf Bäumen, die Galeeren sind voller Sklaven, und die Römer? Die spinnen natürlich, wenn man einem rundlichen Comic-Gallier glaubt. Wer solche Vorurteile liebt und pflegt, der musste am Wochenende ganz tapfer sein: Eine hochkarätige Versammlung von Akademikern und Geschichtsdarstellern brachte den Besuchern bei bestem Wetter nicht nur Tracht und Ausrüstung der Menschen vor 2000 Jahren näher, sondern hatte auch noch jede Menge Wissen im Gepäck.

Die Reise in die Vergangenheit begann für die meisten Besucher am Museum selbst. Hier reihten sich die Lederzelte der Legionäre aneinander, und an vielen kleineren Lagern und Ständen standen Darsteller in akkurat rekonstruierten Trachten bereit. Doch wartete kein seichtes Historienspiel oder Publikumsbelustigung auf die Besucher, wie man es etwa auf einem Mittelaltermarkt oder bei einem Volksfest antreffen würde. "Lebendige Geschichte" stand im Mittelpunkt, und die "Römer" und "Germanen" trugen keine Faschingskostüme, sondern mit viel Rechercheaufwand rekonstruierte Kleidung. "Diesen Helm sehen wir auf der Trajanssäule in Rom", erläuterte etwa ein Legionär, während ein Germane eine nachgebaute Kleidungsschließe nach einem echten Grabfund präsentierte. Wer wollte, konnte den Darstellern jede Menge fundiertes Detailwissen entlocken.

Dazu gehörten auch interessante Einblicke in die Technik der Antike, zum Beispiel im Bereich der Medizin: "Das hier ist der Löffel des Diokles", erklärt ein Darsteller in der Kleidung eines römischen Sanitäters und hält einen merkwürdig geformtes Instrument hoch, das Haken und Löcher aufweist. "Es ist eine elegante und effiziente Methode, um Pfeilspitzen aus einer Wunde zu entfernen", berichtet der Mann und erklärt, dass diese Methode von einem der wichtigsten römischen Medizinschriftsteller, Celsus, beschrieben worden ist. So könne man auch heute noch die Handhabung dieses Gerätes nachvollziehen. Das Publikum staunt. "Das heisst, die Römer hatten schon Ärzte?", fragt ein junger Mann, dem offenbar noch Bilder von Knochenbrechern und Quacksalbern aus fragwürdigen Filmen vorschwebten. Der Mann im Römergewand schmunzelt: "Tatsächlich hatten die Legionäre die beste medizinische Versorgung in der römischen Antike." Als der Sanitäter die Behandlung einer vom Grauen Star befallenen Pupille beschreibt, schluckt der junge Zuhörer beeindruckt. Gar nicht so trottelig wie in den Asterix-Comics also, die Legionäre.

Die meisten der anwesenden Römer gehörten zu der renommierten Geschichtsgruppe Kohorte Opladen, die seit vielen Jahren in ganz Europa gern gesehener Gast bei Museumsfesten und Thementagen ist. Neben den mächtigen Wurfmaschinen und dem militärischen Aufgebot konnten sie auch im zivilen Bereich überzeugen. Römische Schminktipps etwa? Kein Problem.

"Dieses Pulver wird aus dem Mineral Malachit gewonnen", erläutert eine Frau in der Tracht einer reichen römischen Bürgerin, "man kann es als Lidschatten verwenden. Ruß benutzt man ebenfalls für die Augenpartie. Aus Rötel, einer Erdart, gewinnt man eine Art Rouge, und wenn man Wachs mit Mandel- oder Rosenöl kombiniert, kann man duftende Cremes herstellen." Nicht nur die weiblichen Besucher schauten sich bei solchen Erklärungen interessiert in dem Sammelsurium antiker Schönheitsmittel um. Aber nicht alles, was damals zum Schminkkoffer gehörte, sollte man auch heute noch nutzen: "Bleiweiß ist zwar einfach herzustellen und hellt die Haut auch schön auf, ist aber extrem giftig", warnt die Expertin. Deswegen verwahrt sie den Gefahrstoff in einem versiegelten Gefäß und setzt ihn mitnichten zur Schönheitspflege ein. Ganz nebenbei erklärt die gutgekleidete Dame, dass sich ihre ganze Familie mit Leidenschaft der Antike verschrieben hat: "Mein Mann und mein Sohn sind kürzlich in der Ausrüstung römischer Legionäre über die Alpen gewandert. Sie schwärmen heute noch davon."

Extrem? Nicht unbedingt, denn auf solchen Exkursionen gewinnen die Beteiligten viele Informationen über den Gebrauch und die Wertigkeit historischer Ausrüstung. Ein besonders stattlicher Fall von rekonstruiertem und experimentell verwendetem Gerät wartete am See: Auf dem Ruderschiff Viktoria konnten Besucher sich unter Anleitung in die Riemen legen und schnell erste Erfolgserlebnisse erzielen. Ganz nebenbei erfuhren sie hier, dass auf solchen Fahrzeugen Rudersklaven eher in den Bereich der Fantasie gehören und dass das Schiff mit einer trainierten Mannschaft an den Riemen sehr respektable Geschwindigkeiten erreichen konnte.

Jede Menge Technik also bei den Römern - und wie sieht es bei den Germanen aus? Schaute man sich bei den Darstellern um, fand man das Vorurteil des fellgekleideten Barbaren schnell entkräftet. Die Tracht war einfacher, anders, und die militärische Ausrüstung nicht so standardisiert und optimiert. Dennoch konnten sich die Menschen aus dem Norden recht gut anpassen. "Die einfachen Holzspeere reichten gegen die gut gepanzerten Legionäre nicht mehr aus", erklärt der Archäologe Norbert Reuther, der an diesem Tag als Germane gekleidet ist und zeigt verschiedene Speere mit Eisenspitzen. Richtig gefährlich auf Distanz wurde den Soldaten Roms aber vor allem der germanische Langbogen. Routiniert demonstrieren Reuther und seine Mitstreiter die Wirkung der einschlagenden Pfeile, als sie vor dem beeindruckten Publikum ein Projektil nach dem anderen in einen Holzschild schlagen lassen. "Da möchte man kein Römer sein", murmelt ein Zuschauer.

Zwei Tage lang konnten die Besucher auf anschauliche Art und zum kleinen Eintrittspreis jede Menge Wissen über die römische Antike gewinnen und wurden dabei durch spannende Gespräche und das Ausprobieren und Anfassen verschiedener Gegenstände auch noch gut unterhalten. Die Römertage sind unbestritten einer der kulturellen Höhepunkte in der Seestadt - die Veranstalter und Teilnehmer kamen, sahen und siegten.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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