Realschule im Wandel: Neue Schüler, neue Aufgaben
Andere Schüler, andere Sitten? Die Realschule sieht sich für die kommende Schülergeneration gut aufgestellt. Veränderte Lebensgewohnheiten stellen aber auch die Lehrer vor neue Herausforderungen.
Voll war es am Samstag an der Alexander-Lebenstein-Realschule: Da die Abschlusszeugnisse der Grundschulen nicht mehr in weiter Ferne liegen, informieren sich die Eltern der Halterner Viertklässler zur Zeit über die Weiterbildungsmöglichkeiten ihrer Sprösslinge. Die Realschule genießt in der Seestadt einen guten Ruf, und traditionell stellt sie sich den zukünftigen Sekundarschülern mit einem Tag der offenen Tür vor. Dennoch kann sie sich nicht nur auf ihre 45-jährige Tradition berufen, wenn wieder einmal eine neue Schülergeneration begrüßt wird. Denn die Anforderungen haben sich gewandelt.
„Die Jugend stellt uns heute vor besondere Anforderungen“, erklärt etwa Franz-Josef Berheide. Der Zweite Konrektor der Realschule widerspricht mit Nachdruck der bisweilen geäußerten Stammtischparole, dass die Schüler heutzutage dümmer seien als früher. „Das stimmt keinesfalls. Die heutigen Kinder sind vielmehr sehr medieninteressiert und andere Formen der Kommunikation gewohnt. Darauf müssen wir Lehrer uns mit unserem Unterrichtsstil und unseren Methoden einstellen.“ Berheide macht sich aber keine Sorgen, dass das engagierte Kollegium diesen Aufgaben nicht gewachsen sein könnte. „Wir wollen unsere hohen Standards auch weiterhin halten“, betonte der Konrektor. Die Demographie könnte dabei helfen: Die bisher 1070 Schüler starke Lehranstalt werden zum Sommer hin die Absolventen eines siebenzügigen Jahrganges verlassen, nachrücken sollen aber nur etwa fünf Klassen. „Unser Ziel sind natürlich möglichst kleine Klassen“, wünscht sich Berheide.
Eine der Schülerinnen, die bald dieser Schule den Rücken kehren werden, ist Ann-Kathrin Epping. Die Sechzehnjährige ist einerseits ein bisschen traurig, sieht ihrer Zukunft aber mit einem guten Gefühl entgegen. „Das wird schon“, sagt sie. An diesem Tag führt die engagierte Realschülerin Besucher durch die verwinkelten Räume des Schulgebäudes. Das ist eine Neuheit: Ältere Schüler, die ihre eigenen Nachfolger bei der Erkundung ihrer neuen Schule begleiten, kommen in diesem Jahr erstmals zum Einsatz. Ann-Kathrin meistert diese Aufgabe mit Leichtigkeit – schließlich hat sie die ganze Mittelstufenzeit in diesem Gebäude verbracht. Zu jedem Raum kann sie etwas erzählen, ob es nun Schulzoo, Küche, Medienraum oder Werkstatt ist. Überall präsentieren sich Lehrkörper und Pennäler an diesem Tag mit aussagekräftigen Projekten und laden zum Ausprobieren ein. Auch Ann-Kathrin wagt etwas Neues: Mit zwei Essstäbchen greift sie etwas Wolle und hebt sie aus einem Teller.
Die Exkursion in ostasiatische Speisesitten ist kein Zufall: Viele Projekte beschäftigen sich zur Zeit mit dem Fernen Osten. So begegnen den Gästen bei ihrem Rundgang selbstgestaltete Asienkarten, Infotafeln über Pandabären oder der Duft nach Frühlingsrollen und Sushi. „Der Musikraum ist da vorne“, zeigt Ann-Kathrin, „wenn wir Glück haben, hören wir gleich die Schulband.“ Und tatsächlich klingen die vertrauten Takte von Metallicas „Nothing Else Matters“ an die Besucherohren. „Ich kann nicht so gut singen“, lächelt Ann-Kathrin verlegen auf die Frage, ob sie sich in der Band auch engagiere. Dafür ist sie sehr aktiv in der SV und kümmert sich um Toleranz- und Anti-Mobbing-Projekte in der Schule. Soziale Projekte, Technik, Informatik, Bio oder Sprachen – für jeden jungen Menschen gibt es an der Realschule interessante Arbeitsgemeinschaften. Vielleicht fällt Ann-Kathrin daher das Weggehen ein wenig schwer. Aber wie die meisten ihrer Stufenkameraden freut sie sich auch auf die Veränderung. Fast alle gehen weiter zu Schule: Oberstufenunterricht oder Kollegschulen erwarten die Absolventen, viele machen Abitur.
Nach der Schule ist vor der Schule - eine typische Perspektive für die heutigen Zehntklässler. „Die Aufgaben der Schule haben sich gewandelt“, erklärt Konrektor Berheide das neue Bild der Realschule. Einst vor allem zur schulischen Vorbereitung für eine höhere Lehre gedacht, funktioniere die Realschule heute als Bindeglied zur weiteren schulischen Reife nach der Mittelstufe. „Die meisten Absolventen gehen weiter zur Schule“, sagt Berheide. So stellt die Alexander-Lebenstein-Realschule auch in Zukunft einen wichtigen Baustein im weit gefächerten Bildungsangebot der Seestadt dar.
Autor:Oliver Borgwardt aus Dorsten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.