Halterner LWL-Römermuseum kommt mit Gerhard Schmidt den Geheimnissen römischer Gemmen auf die Spur
Neue Sonderausstellung "Aus der Schatzkammer der Caesaren"
Haltern. Bis zum 31. Oktober 2021 öffnet - zunächst nur digital - im Römermuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) die Schatzkammer der Caesaren in Haltern am See. Die neue Sonderausstellung zeigt Gemmen-Nachschnitte von Gerhard Schmidt. Aus seltenen Materialien und mit originalgetreuer Technik geht der Künstler den Geheimnissen römischer Handwerkskunst auf den Grund.
LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger: "Nicht erst seit Corona setzen die LWL-Museen auf einen starken digitalen Auftritt. Der reale Besuch der LWL-Kultureinrichtungen ist sicherlich ein unersetzliches Erlebnis. Dennoch machen die Kolleginnen und Kollegen im LWL-Römermuseum die Schatzkammer der Caesaren auch auf ihrer neuen barrierefreien Website zugänglich - und natürlich durch zahlreiche digitale Führungen." Die Materialität und Handwerkskunst von Gerhard Schmidt ist aber vor allem im LWL-Römermuseum selbst zu erfahren. Schmidt, ein Edelsteingraveur aus Idar-Oberstein, hat die Prachtstücke römischer Hofkunst, die in den bedeutendsten Museen Europas verwahrt werden, erforscht und detailgetreu nachgearbeitet. Seit 2004 schuf er nahezu alle römischen Prunk-Kameen (Schmuckstein-Reliefs) aus dem gleichen, schwer zu beschaffenden Rohmaterial neu. 20 seiner Werke sind ab sofort in der Sonderausstellung "Aus der Schatzkammer der Caesaren" zu sehen.
Schmidt: "Die antiken Werkzeuge sind nicht genau bekannt, aber das Prinzip ist gleich. Nur verwenden wir heute einen Elektromotor für die Gravur." Neben der römischen führt er in seiner Arbeit die jahrhundertealte Tradition der Idar-Obersteiner Steinschneidekunst fort und genießt dank zahlreicher Ausstellungen und Veröffentlichungen weltweit einen internationalen Ruf. Schmidt: "Um aus einem Rohstein ein Kunstwerk zu machen, braucht man vor allem Inspiration, Phantasie und Geduld." Geduld hat Schmidt. Über mehrere Monate hinweg nimmt ihn die Arbeit an einer so einzigartigen Kamee wie der "Gemma Augustea" in Anspruch. Bevor es überhaupt losgehen kann, stellt die Beschaffung des richtigen Materials eine Herausforderung dar. "Jeder Stein ist anders. Man kann eine Gemme nicht einfach wie ein Gemälde kopieren. Einen ähnlichen Stein zu finden, ist fast unmöglich. Wir recherchieren weltweit und werden zum Glück meist fündig", so Schmidt.
Schmidt trennt aus dem Rohstein, einem 20 bis 30 Kilogramm schweren Lagen-Achat, zunächst die verwertbare Schicht heraus. Diese macht meist weniger als 5 Prozent des Gesamtgewichts aus. Daraufhin schleift er die ausgewählte Platte in Form, poliert sie und versieht sie mit einer Vorzeichnung. Nun beginnt die eigentliche Gravur mit einem rotierenden Gravierrädchen. "Das eiserne Gravierrädchen allein ist nicht in der Lage, den Stein auch nur anzukratzen", erklärt Schmidt. "Erst wenn der Graveur kostbares Diamantpulver aufbringt, wird es scharf und trägt Material vom Stein ab."
Dr. Josef Mühlenbrock, Leiter des LWL-Römermuseums erklärt: "Eine Bilderwelt, die Schmidts Prunkgemmen zeigen, brachten römische Legionäre mit nach Germanien, als sie vor 2.000 Jahren versuchten, das Gebiet rechts des Rheins zu erobern." Viele ihrer Fingerringe, die LWL-Archäolog:innen in Haltern und anderen Römerlagern ausgegraben haben, schmückten geschnittene Edelsteine. Mühlenbrock: "Wir stellen diese westfälischen Originale erstmals den Nachschnitten der römischen Prunkgemmen gegenüber."
Hintergrund
"Gemma Augustea", "Grand Camée de France" und "Tazza Farnese", so heißen einige der bedeutendsten Edelsteine der Antike. Sie schmückten die Schatzkammern der Caesaren und sind nicht nur wegen der Seltenheit des Materials, sondern vor allem wegen der in sie eingeschnittenen Bilder berühmt. Unter Kaiser Augustus und seinen Nachfolgern stand die Kunst des Gemmenschneidens in höchster Blüte. Aus Achat mit verschiedenfarbigen Schichten schnitten die römischen Edelsteingraveure Reliefdarstellungen von Mitgliedern des Kaiserhauses und mythologischen Figuren. Politische Propaganda in kostbarster Form. Mühlenbrock: "Bis heute haben diese Prunkgemmen nicht alle ihre Geheimnisse preisgegeben." Woher bekamen Steinschneider die Rohmaterialien? Mit welcher Technik haben sie diese filigranen Kunstwerke geschaffen? Und warum wurden einige Darstellungen nachträglich verändert? All dies erfahren Besucher:innen noch bis zum 31. Oktober 2021 in der Sonderausstellung "Aus der Schatzkammer der Caesaren".
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