Martinsgans: Roms Rettung und Bauers Abgabe

Die Gans ist seit Jahrtausenden ein beliebtes Nutztier. Foto: Archiv
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Die spannende Kulturgeschichte der Gans - oder warum wir zu St. Martin Gänsebraten essen

Langer Hals, dicker Po: Jedes Kind kennt die Gans, sei es aus dem Märchenbuch, vom Besuch auf dem Bauernhof oder am Stadtteich, oder als leckeres Festessen vor oder zu Weihnachten. Tatsächlich begleitet uns die Hausgans schon eine ganze Weile - aber was hat sie mit Sankt Martin zu tun?

Tatsächlich beginnt die Kulturgeschichte der Gans schon bei den Alten Ägyptern vor rund 4000 Jahren, wo sie bereits ein beliebtes Speiseopfer war. Auf europäischen Bauernhöfen fand die Hausgans erst deutlich später Verbreitung, aber spätestens seit dem Beginn der Eisenzeit vor rund 2800 Jahren ist auch in unseren Breiten sie ein beliebtes Nutztier.

Römer wie Germanen schätzten die Gans gleichermaßen, war sie doch Lieferant für eine Vielzahl von Produkten. Neben dem schmackhaften Fleisch ergänzen vor allem die wertvolle Leber, die Eier und das reichlich vorhandene Fett den Speiseplan. Mit den Daunen füllte man weiche Kissen, und die Federn konnte man zum Schreiben oder als Pfeilbefiederung nutzen. Kein Wunder, dass die Gans nach dem Huhn zum beliebtesten Hausgeflügel avancierte.
Besonderen Ruhm erlangte das durchaus bissige Getier der Legende nach im Jahre 387 vor Christus, als an einem Tempel lebende heilige Gänse lautstark die schlafenden Römer vor einem gallischen Angriff auf das Kapitol gewarnt und die Attacke so vereitelt haben sollen. Auch deswegen galt das Tier in der Antike als mutig, streitbar und klug - lästerhafte Geschwätzigkeit dichtete man dem schnatternden Federvieh erst in späterer Zeit an.

Von der heiligen zur Martinsgans

Die sprichwörtliche Wachsamkeit war auch noch im Mittelalter ein nützlicher Nebeneffekt, wie archäologische Ausgrabungen an vielen Burgen zu belegen scheinen. Die vielen hierbei gefundenen Gänseknochen zeigen zudem, dass die Tiere eine wichtige Abgabe waren, die die Burgherren als Pacht von der Landbevölkerung einforderten.

Was der örtliche Ritter nicht wegknusperte, kam dann den Bauern selbst zugute. Da im Mittelalter der landwirtschaftliche Kalender stark an den christlichen Feiertagen ausgerichtet war, markierte der Martinstag einen wichtigen Punkt in jedem Jahr. Am 11. November galt die Vegetationsperiode als beendet. Es war der letzte Tag des Abtriebs für das Vieh von der Sommerweide, die Entlohnung des Gesindes und die Zeit der Schlachtung für alle Tiere, die nicht über den Winter durchgefüttert werden sollte.

Und wenn Schlachttag und Festtag beieinander liegen, ist es bis zum traditionellen Gänsebraten kein großer Schritt. Schon im Jahr 1270 wird die Martinsgans als Festspeise in Thurgau erwähnt, und seitdem findet man im November einen leckeren Gänsebraten auf vielen Tischen.

Die Gans ist seit Jahrtausenden ein beliebtes Nutztier. Foto: Archiv
Der Hl. Martin mit Gans auf dem Wappen von Nemtze, Slowakei. Foto: WMC
Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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