Geschichte unter der Haube
Libeth von der Lippmauer ist ein armes, aber blitzgescheites Marktweib aus dem frühbarocken Haltern, das in einer Tour erzählen kann und dabei doch nie langweilig wird. Wer mit ihr auf einen Stadtspaziergang geht, wird sich gut amüsieren - und danach schlauer sein als zuvor.
Das Mittelalter ist schon lange vorbei, und noch hat der Dreißigjährige Krieg seine bleichen Finger noch nicht nach der Handwerker und Händlerstadt ausgestreckt: Es ist eine besondere Zeit, in der Libeth (geb. 1577) in Haltern lebt - die letzten Jahrzehnte der Hanse sind angebrochen, und noch ist die münsterländische Kleinstadt wohlhabend und prosperierend. „Nach vierhundert Jahren hat man mich jetzt reaktiviert, damit ich Euch die Stadt zeigen kann“, scherzt Maria Büscher.
Die ehemalige „pädagogische Zehnkämpferin“ ist auch nach ihrer Pensionierung eine Vollblutlehrerin geblieben. Man spürt, wie sie in der Rolle der fiktiven Kunstfigur „Libeth“ aufgeht, wenn sie mit viel Witz und Halterner Schnauze ihren unermesslichen Schatz von Heimatwissen vermittelt. Würde ein trockener und humorloser Führer eine ähnliche Tour de Force durch die Halterner Geschichte ableisten, wäre das Publikum schnell überfordert oder gelangweilt. Aber nicht bei Libeth - immer wieder streut sie kleine Geschichten oder Dönekes ein, führt selbst eingefleischte Halteraner an unbekannte Flecken in der Altstadt, und schafft es, die Zeit wie im Fluge vergehen zu lassen, ohne albern oder kitschig zu werden.
Lobenswert war auch, dass Büscher auf Klischees oder Fehlinformationen verzichtete, die dem Besucher an anderen Orten von so manchem Stadtführer gerne um die Ohren gehauen werden. So wurde weder der frühneuzeitliche Siebenteufelsturm ins Mittelalter fehldatiert, noch wurde das Märchen von den stets ungewaschenen Stadtbewohnern erzählt - für fortgeschrittene Geschichtsfreunde eine wahre Labsal. Man merkt bei Libeth einfach, dass unter der urigen Haube ein schlauer Kopf sitzt, gefüllt mit jeder Menge Bildung, Witz und Heimatwissen. So lüftete sie etwa das Geheimnis der Goldgasse (die eher etwas mit der Fäkalienentsorgung zu tun hatte), berichtete von der Ablehnung der Halterner gegen Dülmen (wo ein Henker arbeitete, der auch für Haltern zuständig war) oder verriet, woher der Name des Siebenteufelsturms stammte (vermutlich von den Dübeln der Holztreppe im Inneren).
Am Ende der Tour blickten sich die Gäste erstaunt an - sind die zwei Stunden wirklich schon vorbei? „Und das war nur die südliche Hälfte der Altstadt“, lachte Libeth. „Die nördliche zeige ich euch dann ein anderes Mal“. Wir bitten darum.
Wer selbst einmal mit Libeth durch die Stadt streifen will, meldet sich bei der Stadtagentur in Haltern. Informationen und Anmeldungen unter Tel.: 02364 / 933-365.
Autor:Oliver Borgwardt aus Dorsten |
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