Ein großes Jahr für Europa - und für Flaesheim

Urkunde aus dem Jahr 800 Liber privilegorium maior monasterii Werdinensis
  • Urkunde aus dem Jahr 800 Liber privilegorium maior monasterii Werdinensis
  • hochgeladen von Antje Clara Bücker

Was hat der 1200. Todestag Karls des Großen am 28. Januar mit dem 1214. Geburtstag von Flaesheim im Jahr 2014 zu tun?
Die Historiker des Flaesheimer Heimatvereins haben darauf eine erstaunliche Antwort:
In einer Zeit als Epidemien und Krankheiten grassierten, die meisten Menschen Analphabeten waren und selten älter als 30 Jahre wurden, übertrug eine Erbengemeinschaft aus Steinvida nahe Flaesheim (das heutige Stevede) ein Grundstück an Ludgerus, Abt und Eigentümer des Klosters in Essen/Werden und späterem Bischof von Münster.

Zu diesem Zwecke traf man sich in „Flaveresheim“ um dort die Schenkungsurkunde zu unterzeichnen. So geschehen im 32. Jahr der Herrschaft des Königs, im Jahr 800 nach Christus.

Diese Erkenntnis stammte zunächst aus einer wissenschaftlichen Untersuchung des Historikers W. Gysseling aus dem Jahr 1965, der die Herkunft niederländischer und westdeutscher Ortsnamen erforschte und schon damals die Ansicht vertrat, dass der Name Flaesheim auf Flaveresheim zurückgehen müsse. Als Quelle gab er ein lateinisches Schriftstück aus dem Jahre 800 im Kloster Werden an.
Auch Dr. Grochtmann vertrat diese Auffassung. Ein Jahr später schrieb der Historiker in seinem Werk über die Geschichte Flaesheims:
„Aus sprachlichen wie örtlichen Gründen dürfen wir, um nicht zu sagen müssen wir, es unserem Flaesheim gleichsetzten. Das aus Flaveresheim in etwa 350 Jahren, von 800 bis 1166 ein Flarsheim wurde, entspricht einer sprachgeschichtlichen Entwicklung.“

Vor den Mitglieder des Heimatvereins lag die spannende Herausforderung diese Erkenntnisse nachzuvollziehen. Das uralte Schriftstück sollte ausfindig gemacht und die Hinweise auf Ortsnamen und Jahresangaben überprüft werden um sicher zu stellen, dass das Jahr 800 auch als Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung des Halterner Ortsteils festgelegt werden konnte.
Akribische Recherchen und immer wieder Fahrten zur Universitätsbibliothek und ins Archiv für westfälische Geschichte in Münster waren nötig um Hinweise zusammen zu tragen. Hilfreich zur Seite standen ihnen dabei u.A. Professor E. Freise, Historiker der Universität Wuppertal, Herr Damberg vom Stadtarchiv Coesfeld und der Halterner Stadtarchivar Gregor Huesmann.

Im Haupt- und Staatsarchiv in Düsseldorf konnten sie schließlich die Originalurkunde unter großen Sicherheitsvorkehrungen einsehen.
Für Gregor Huesmann und die Mitglieder des Heimatvereins wird der Augenblick als diese historische Quelle endlich vor ihnen lag, wohl unvergessen bleiben.

Im Jahr 2000 konnte das Dorf daher das 1200. Jahr seiner urkundlichen Erwähnung feiern.
Dieses unumstrittene wissenschaftliche Datum darf daher wohl zu Recht als das bedeutendste Datum der Flaesheimer Chronologie bezeichnet werden.

Hintergrund:
Die Schenkungsurkunde „Liber privilegorium maior monasterii Werdinensis“ in der vollständigen Übersetzung lautet:
„Allen hier anwesenden und auch den zukünftigen sei bekannt gegeben, auf welche Weise ich, Marchand, und auch Rotbert unseren Teil der Erbschaft im Wald, der Steinvida genannt wird, im Namen Gottes und zu unserem Seelenheil zu den Reliquien des Erlösers, die der ehrwürdige Abt Liudger immer mit sich zu tragen pflegt, ihm selbst als Diener Gottes in die Hände zu legen, so dass er mit dem von uns und auch unseren Eltern übertragenen Erbteil freie und unerschütterliche Macht hat, zu tun, was auch immer er damit machen möchte.
Verhandelt wurde diese Übergabe vor Zeugen, deren Namen unten vermerkt sind, im 32. Jahre der Herrschaft unseres Gebieters und Königs Karolus im Dorfe Flaveresheim.
Unter dem Text: Siegel Marchands und Rotberts, die diese Übergabe gemacht haben.
Siegel der Zeugen: Rodings, Liudungs, Wigberts, Folkriks, Evuhards, Egbalds

Die komplette Historie ist nachzulesen in: „Flaesheim – Beiträge zur Geschichte“ von L. Althoff, H. Bücker, H. Klatt und H. Laakmann.

(Freise, der auch den Festvortrag in Flaesheim zur Feier der ersten Erwähnung gehalten hat, war kurz darauf der erste Gewinner der Million bei Günther Jauch)

Autor:

Antje Clara Bücker aus Haltern

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