100 Jahre Arbeiterwohlfahrt Ortsverein Gevelsberg
Ein Leben für die Wohlfahrt
Gerhard Lützenbürger (70) hat fast sein ganzes Leben der Arbeiterwohlfahrt (Awo) gewidmet. Viele Jahrzehnte hat er einer sozialen Einrichtung des Wohlfahrtsverbandes gearbeitet, im Gevelsberger Ortsverein ist er bereits seit den siebziger Jahren Mitglied und seit 1999 gehört er dem Vorstand an. Auch seine Frau ist seit Jahrzehnten der Arbeiterwohlfahrt eng verbunden. Jetzt hat Gerhard Lützenbürger die Geschichte des Ortsvereines zum 100jährigen Jubiläum recherchiert.
Herausgekommen ist eine sechzigseitige Festschrift, die in rund 250 Stunden kleinteiliger Recherche entstanden ist. „Bestimmt 800 Dokumente habe ich gelesen und bearbeitet“, ist sich Lützenbürger sicher. Er hat sich richtig reingefuchst, in Archiven gearbeitet und dabei eine lange Geschichte von Ehrenamt und hauptamtlich arbeitenden Personen gefunden. Über beiden Aspekten stand und steht die Idee des Helfens. „Der Erste Weltkrieg war gerade vorbei, da wurde die Arbeiterwohlfahrt gegründet. Der Bundesverband erblickt 1919 das Licht der Welt, der Gevelsberger Ortsverband wurde durch Maria Schmidt am 21. November 1921 gegründet und sie übernahm auch gleich den Vorsitz“, berichtet er. Sie war Sozialdemokratin durch und durch und arbeitete als Bogenfängerin an den Druckbögen der Druckmaschine. „Sie gehörte als eine der ersten Frauen 1919 dem Gevelsberger Stadtrat an, engagierte sich im Wohlfahrtsausschuss und im Kuratorium der Höheren Töchterschule in der Goethestraße. Hier nutzte sie die Einrichtung, um Bedürftigen Kleidung und Wäsche zu schneidern oder zu ändern.“ In den zwanziger Jahren verliert sich ihre Spur und sie wurde bei der Arbeiterwohlfahrt durch Elfriede Hetzler abgelöst. Bis zum Verbot der Awo durch die Nationalsozialisten im Sommer 1933 führte sie den Gevelsberger Ortsverein und nahm auch ab August 1945 wieder seine Geschicke in die Hand. Auch im Kreistag des Ennepe-Ruhr-Kreises war sie aktiv. Im „Falkenheim“ an der Körnerstraße beginnt die Awo zusammen mit anderen Organisationen mit Näharbeiten, einer Suppenküche und einer Wärmestube. Nicht jeder hat in diesen Zeiten das Geld für eine warme Stube.
„Gegen alle Widerstände beginnt Elfriede Hetzler in den fünfziger Jahren mit der Werbung für ein Altenwohnheim. Dabei steht allerdings nicht die Idee der Pflege, sondern die Idee des Wohnens im Mittelpunkt. Viele Frauen waren durch den Krieg zu Witwen geworden oder ihre Männer galten als vermisst. Sie wussten oft nicht, wie sie an bezahlbaren Wohnraum kommen sollten. Daher die Idee zu einem solchen Wohnheim für die älteren Frauen. Es entstand 1957 an der Kampstraße. 2019, im bundesweiten Jubiläumsjahr der Arbeiterwohlfahrt, erhält das Seniorenzentrum dann den Namen von Elfriede Hetzler“, erzählt Gerhard Lützenbürger. Nach Elfriede Hetzler stehen mit Erna Münter und Hildegard Melcher die nächsten Frauen an der Spitze des Gevelsberger Ortsverbandes. Hildegard Melcher sollte das Ehrenamt von 1971 bis 2008 bekleiden, bevor sie Ehrenvorsitzende wurde. „In dieser Zeit passierte etwas sehr Wichtiges: die soziale Arbeit wurde zunehmend mit hauptamtlichen Kräften professionalisiert. Es entstanden immer mehr Einrichtungen für Kinder, für Senioren, aber später auch für Menschen mit Migrationshintergrund oder für Menschen mit Handicap. Heute sind es im Gevelsberger Stadtgebiet über dreißig Einrichtungen. Dabei verzahnten sich die ehrenamtliche und die hauptamtliche Arbeit. In den siebziger Jahren erhält der Awo Ortsverein eigene Räume für eine Begegnungsstätte. 1982 zieht die Verwaltung für den neu gebildeten Kreisverband Awo Ennepe-Ruhr in das alte Realgymnasium in die Neustraße 10. In Spitzenzeiten hatte der Gevelsberger Ortsverein 700 Mitglieder. Heute sind es rund 350 Mitglieder, nachdem 2018 die fünfzig Mitglieder des Awo Ortsvereines Silschede in Gevelsberg eine neue Heimat fanden. Mehr als ein Prozent der Gevelsberger Bürger und Bürgerinnen sind Mitglied in der Arbeiterwohlfahrt. Dabei sind die meisten Mitglieder weiblich.“
Immer Frauen an der Spitze
Nach Irmtraud Hirte übernahm 2015 die heutige Vorsitzende Martina Drucks (58) den Gevelsberger Ortsverein. Mit ihr kommen neue Aufgaben und ein frischer Wind in den Ortsverein. Regelmäßige Feiern und Begegnungen in einem Café und bei verschiedenen Festen werden bald ein festes Programm, bis die Corona-Pandemie die Aktionen ausbremst. „Es ist eine große Herausforderung, die ehrenamtlichen Mitarbeiter zu motivieren und sie dazu zu bewegen, ihre Arbeit weiter zu machen“, erzählt Martina Drucks. Trotzdem hat man sich auch Neues einfallen lassen. „Mein Sohn Kevin hat zusammen mit Sabine Kowalski ein Online-Bingo entwickelt. Außerdem haben wir öfter mal zum Telefon gegriffen und die Mitgliederzeitung erfreut sich auch großer Beliebtheit. Trotzdem wünschen wir uns natürlich alle, uns im kommenden Jahr wieder mehr in Präsenz treffen zu können. Eine große Feier anlässlich unseres 100. Geburtstages musste im Ortsverein ja auch leider ausfallen. Daher haben wir eine Festschrift aufgelegt, die unsere Geschichte zum Nachlesen erzählt.“ Nähere Infos zur Festschrift gibt es beim Gevelsberger Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt bei Martina Drucks, Telefon 02332/50139 oder per Mail unter martina339@t-online.de
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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