Jeco Jellinghaus Gevelsberg schließt !!
Gevelsberg. Die Gevelsberger Gesenkschmiede Jeco Jellinghaus GmbH wird noch in diesem Jahr stillgelegt. Dies hat vorgestern der Aufsichtsrat der Mahindra Forgings Europe AG beschlossen.
Jeco Jellinghaus gehört seit 2006 zur indischen Mahindra CIE Automotive. Das Unternehmen beschäftigt zurzeit 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Heute informierte Mahindra-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer Burkard Rausch den Betriebsrat und die Belegschaft über die Entscheidung.
Rausch begründete den Beschluss unter anderem mit den erheblichen Standortnachteilen und fehlenden Expansionsmöglichkeiten des Unternehmens. So könne bei Jeco wegen der Lage inmitten eines Wohngebiets nur in zwei Schichten produziert werden. Eine Schmiede, die international tätig ist, lasse sich aber nur im Drei-Schichten-System wirtschaftlich betreiben.
„Die Aussicht, hier Änderungen zugunsten des Unternehmens zu erreichen, ist nicht gegeben. Schon jetzt erhalten wir immer wieder Beschwerden der Nachbarn. Selbst bei dem gegenwärtigen Zweischichtsystem gibt es immer wieder Beschwerden.“
"Außerdem schränken weitere Auflagen beim Lärm- und Umweltschutz die Produktivität ein. Beispielsweise dürfen wir die Lkw nur tagsüber be- und entladen", so Rausch weiter. Die Folge: Jeco schreibe trotz des Wirtschaftsaufschwungs jährlich tiefrote Zahlen. Insgesamt beliefen sich die Verluste seit 2009 auf 5,5 Millionen Euro."
Gleichzeitig besteht großer Investitionsbedarf. Zwei der vier Gesenkschmiede-Hämmer wiesen massive Schäden auf und wären nur unter immensem Aufwand instand zu setzen. Der Ersatz der Hämmer durch moderne Pressen (Kosten ca. 8 bis 10 Millionen Euro) komme nicht in Frage, da an den anderen Mahindra-Standorten ausreichend Kapazitäten vorhanden seien.
Rausch: "Betrachtet man alle Faktoren zusammen, müssen wir bei Jeco in absehbarer Zukunft mit einer dauerhaften negativen Ertragslage rechnen. Die Schließung des Unternehmens ist deshalb unumgänglich. Gleichwohl sehen wir uns unseren Mitarbeitern gegenüber in der Pflicht und wollen die Stilllegung, die bis zum Herbst umgesetzt werden soll, so sozialverträglich wie möglich ausgestalten."
Dazu gehört, dass vierzig bis fünfzig Beschäftigte in andere Unternehmen der Mahindra-Gruppe übernommen werden. Für die übrigen wird die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessensausgleich und Sozialplan führen. Dabei steht für das Unternehmen das Anliegen im Vordergrund, dass die Betroffenen möglichst schnell eine Anschlussbeschäftigung finden. Vorgesehen ist die Überführung der Mitarbeiter in eine Transfergesellschaft.
Die Belegschaft ist am Boden zerstört
Keiner hatte damit gerechnet. Im Gespräch mit dem Betriebsrat und IG-Metall wurde schnell klar, wie unverhofft diese Erklärung des Vorstandes kam.
„Wenn wir schon untergehen, dann mit wehenden Fahnen,“ so die Sprecherin der IG-Metall, Clarissa Bader. „So einfach lassen wir uns das nicht garantiert nicht gefallen. Doch nun gehen wir erst einmal nach Hause und lassen es sacken ... - auch um besser denken zu können, bis wir nächste Woche loslegen.“
Der Unmut unter den Mitarbeitern ist groß. Durch eine Informationspanne beim Radio EN lief schon ab elf Uhr die Nachricht über den Äther und somit glaubten sich viele Beschäftigte mit einem knappen Satz, den sie im Radio hörten, abgespeist von der Vorstandsetage. Doch dem war nicht so. Vorstand Burkard Rausch hatte sich selber schon über diese Indiskretion aufgeregt. Doch letzten Endes half alles nicht: Die Wahrheit war heraus, die vorbereitete Belegschaftsversammlung wurde von wütenden Arbeitern, die das ein oder andere nicht ganz so anständige Wort heraus riefen, beherrscht.
"Ich kann es ihnen nicht verdenken. Der typische Arzt-Satz ´Wie fühlen Sie sich denn gerade?´ ist hier völlig fehl am Platz. Natürlich fallen unsere Arbeiter gerade in ein tiefes Loch. Viele unserer Mitarbeiter arbeiten schon zwanzig, fünfundzwanzig Jahre bei uns, manche stehen gerade vor der Rente, einige haben gerade erst die Ausbildung angefangen. Familien mit Kindern haben wieder ganz andere Probleme. Geld spielt die eine Rolle, die sozialen Dinge eine ganz andere ... - manche haben sich ein Haus gebaut oder gekauft, andere einen Kredit für ein Auto am laufen ... - Natürlich gehen unseren Arbeitern Hunderte von Gedanken durch den Kopf. Dass sie sich im ersten Moment in Aggressivität äußern, ist doch mehr als menschlich." Burkard Rausch wirkt in diesem Moment ebenfalls geschafft und irgendwie merkt man ihm an, dass solche eine Verkündung nicht "mal eben" getan ist. Aber ob die Arbeiter dies sehen ??
Nun muss erst einmal abgewartet werden. In ungefähr zwei Monaten sollen die ersten Mitarbeiter per Sozialplan abgefangen - und dann Schritt für Schritt die Firma aufgelöst werden.
"Nun ist oberste Priorität die Hilfe für unsere Mitarbeiter. Danach erst kommen die Umverteilung der noch guten Maschinen an die Standorte Schalksmühle und Aalen - und erst zum Schluss schauen wir, was mit unserem Grundstück und dem Firmengebäude passieren wird. Vielleicht wird es dazu noch Gespräche mit der Stadt Gevelsberg geben, aber das kommt später."
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Hintergrund-Informationen zu Mahindra Forgings Europe
o Mahindra Forgings Europe zählt zu den fünf größten Schmiedeunternehmen weltweit
o Tochterunternehmen Gesenkschmiede Schneider, Aalen (gegr. 1829), Schöneweiss & Co. GmbH, Hagen (gegr. 1866), Falkenroth Umformtechnik GmbH, Schalksmühle (gegr. 1829), Jeco Jellinghaus GmbH, Gevelsberg (gegr. 1885), Stokes Forgings Ltd., GB-Dudley (gegr. 1908)
o 1999: Übernahme der GSA durch Jeco, Gründung der Jeco Holding
o 2005: Übernahme Falkenroth durch die Jeco Holding
o 2006: Übernahme Stokes (GB) durch Mahindra und Zusammenlegung mit Jeco Holding
o 2007: Übernahme Schöneweiss durch Mahindra und Gründung Mahindra Forging Europe AG mit allen fünf Betrieben
o Mit rund 1.500 Mitarbeitern an 8 Standorten erwirtschaftete Mahindra Forgings Europe AG einen Umsatz von 300 Millionen Euro im Jahr
o Die gesamte Mahindra-Gruppe gehört mit einem Umsatz von 4,2 Milliarden US-Dollar zu den zehn größten Industriekonzernen in Indien mit über 42.000 Mitarbeitern
o In Gevelsberg sind 160 Mitarbeiter von der Schließung betroffen, rund vierzig davon und die Auszubildenden hofft man bei Schöneweiss oder Falkenroth unterzubringen
o Die Schließung wird in den nächsten zwei Monaten mit der Bildung einer Auffanggesellschaft beginnen, vor allem langjährige Mitarbeiter möglichst gut betreut
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Kommentar: Wie sieht die Zukunft aus?
Das fragen sich zurzeit die Mitarbeiter von Jeco. So plötzlich, wie sie von der bevorstehenden Schließung erfuhren, so schnell war klar, dass sie sich das nie und nimmer gefallen lassen wollen.
Doch auch der Vorstand sah betroffen aus. Es ist garantiert kein leichtes Unterfangen gewesen, sich vor der Belegschaft hinzustellen und die einen Tag vorher vom Aufsichtsrat beschlossene Schließung bekannt zu geben.
Sichtweisen: Während die einen von Kosten und schlechter Lage sprechen, meinen die anderen, dass es bestimmt schon einige Monate, eventuell schon Jahre vorbereitet wurde.
Doch letzten Endes sollte man sich eines vor Augen führen: Das Traditionsunternehmen Jeco, gegründet 1885, gibt es bald nicht mehr.
Jeder weiß, dass gerade bei Jeco sehr gut ausgebildete Leute arbeiten. Wäre schön, wenn sich nun Unternehmer fänden, die diese übernehmen könnten.
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Monika Schwarz
Autor:Monika Schwarz aus Ennepetal |
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