Eine Corona-Tour durch die Gevelsberger Innenstadt
Haben Sie noch Klopapier?

Im Südkreis verhalten sich die Menschen wie sie sollen: Abstand halten. Foto: Pielorz
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Es ist Montag. Der Morgen nach dem bundesweiten Kontaktverbot und der Tag, an dem eigentlich die verbrauchten Vorräte nach dem Wochenende wiederaufgefrischt werden. Das ist im Südkreis nicht anders. Diesmal aber irgendwie doch – die Menschen machen um den jeweils anderen einen großen Bogen. Auf die Frage aller Fragen „Haben Sie noch Klopapier?“ wird auch im Südkreis in der Regel mit „nein“ geantwortet. Vor dem Drogeriemarkt in der Gevelsberger Innenstadt steht die Security, die Hamsterkäufe, aber auch Beleidigungen und Handgreiflichkeiten jeder Art gegenüber dem Personal unterbindet.
Schon auf dem Weg nach Gevelsberg – ich komme aus Richtung Sprockhövel – fällt auf: es ist ziemlich leer auf den Straßen. Ein Blick auf die A 43 – sieht so aus wie bei der Ölkrise in den siebziger Jahren. Die Älteren unter den Lesern werden sich erinnern. Für die Jüngeren sei angemerkt: Man konnte auf der Autobahn spazieren gehen. Also theoretisch. Parkplatzsuche in Gevelsberg – kein Problem. Die Sonne scheint und der Weg führt auf die Mittelstraße.
Automatisch kommt mir das „Gevelsberg-Lied“ in den Sinn: Lasst uns durch die Mittelstraße geh’n und die bunten Schaufester beseh’n.. Na ja, Schaufenster begucken kann man auch allein oder maximal zu zweit und bunt sind viele Fenster auch. Die Osterdekoration grüßt schon von weitem. Aber auch ziemlich viele Schilder mit fast immer dem gleichen Text: Geschlossen wegen Corona, aber online oder im Lieferservice sind wir für die Kunden da. Und ganz oft steht der Wunsch drunter: Bleiben Sie gesund. Es gibt auch Geschäfte, in denen nur ein Teil der Waren verkauft wird – eben nur das, was gerade lebensnotwendig ist. Alles andere ist mit Plastikplanen abgesperrt.
In Bäckereien zeigen Schilder an: Nur Thekenbetrieb. Und das mit Abstand. Der ein oder andere ist mit Mundschutz unterwegs. Ist aber die Ausnahme. Eine lange Schlange gibt es vor der Apotheke. Aber sehr gesittet – mit viel Abstand. Genau wie vorgeschrieben. Ich werde von einem Fußgänger gefragt, warum ich fotografiere. Ich erkläre freundlich. In Zeiten von verkauften Bewegungsprofilen bei Mobilfunkdaten weiß man ja nie, wozu die Fotos dienen. Dann der Drogeriemarkt. Vor der Tür steht eine Sicherheitskraft. Ich erkläre sofort, warum ich mit Kamera den Markt betrete. Die Kassiererinnen tragen Handschuhe. Bargeld wird nicht berührt – zumindest nicht von der Kassiererin und am besten wäre sowieso das Bezahlen ohne Bargeld. Steht jedenfalls auf einem Schild. Warum auf ec-Karte verwiesen wird, erschließt sich mir nicht. Ob ich mit versifftem Bargeld bezahle oder mit Schmierfingern auf dem siffigen ec-Gerät rumdrücke – wenn bargeldlos, dann bitte auch hier kontaktlos. Kontakte sollen wir ja sowieso einschränken. Das ein oder andere Bankinstitut weist in Pressemitteilungen gerne daraufhin, dass Onlinebanking sowieso die bessere Alternative wäre. Jetzt aber endlich zum Klopapier-Regal: Während in den elektronischen Medien darüber gefrozzelt wird, dass die Franzosen in der Krise Rotwein und Kondome horten, die Deutschen es aber bei Mehl und Klopapier belassen, steht man auch in Gevelsberg vor gähnender Leere. Fast. Trockenes Toilettenpapier ist zwar nicht mehr da und kein Mensch weiß auf Nachfrage, ob das morgen anders sein wird, aber: Es gibt noch Küchenrollen und feuchtes Toilettenpapier in der praktischen Sparbox und wiederverschließbar. 42 kostbare Blättchen pro Packung. Hamsterkäufe sind aber Fehlanzeige. Nicht unbedingt wegen der Einsicht, aber in jedem Fall wegen der Kontrolle.
Teureres Duschgel steht noch in den Regalen, bei den preiswerten Marken tun sich große Lücken auf. Dekorative Kosmetik gibt es aber genug. Und – ja richtig – Flüssigseife. Das ist nicht in jeder Drogerie so. Na ja, kann man sich im Südkreis wenigstens noch waschen, bevor man sich mit Hilfe der Deko-Ecke bunt bemalt.

Unterwegs im Südkreis

Bei den Lebensmitteln sieht es gut aus. Frisches Obst und Gemüse gibt es in ausreichender Menge. In der Gevelsberger Markthalle ist alles gut. Was das Herz begehrt, gibt es auch. Kleines Pläuschchen – mit Mindestabstand, manchmal auch mit Mundschutz. Angst und Unsicherheit sind spürbar.
Die ersten Psychologen laufen sich auch schon warm und sagen: Was das Virus und seine Folgen psychisch mit den Menschen macht, das wird schlimm. Die finanziellen Auswirkungen dürften nicht besser ausfallen. Trotz der versprochenen millionenschweren Erleichterungen – der kleine Händler um die Ecke, das inhabergeführte Geschäft, sie alle haben Angst. Viel Unsicherheit, viele Versprechen und viele Fragen bleiben. Auch die nach dem Klopapier von morgen.
Ach ja, und bevor mich einer fragt, wieso ich draußen unterwegs bin: Presse und Rundfunk haben durch Artikel 5 des Grundgesetzes eine Sonderstellung. Das Bundesverfassungsgericht – und nicht nur das – stuft die Medienvertreter als systemrelevante Berufe ein. Bedeutet: Wir sorgen für die Informationen und Geschichten vor, während und nach Corona. Und das nicht nur vom Schreibtisch im Home Office. Bleiben Sie gesund!

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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