Mit seinen großformatigen Skulpturen hat sich Pierre Theunissen einen Namen gemacht. Nun hat er seine Schatztruhen geöffnet. Im Museum Katharinenhof in Kranenburg stellt der gebürtige Keekener erstmals seine grafischen Arbeiten aus 30 Jahren vor.
Krisen, so schmerzhaft sie sind, legen oft den Keim zu künstlerischen Höhenflügen. So auch bei dem Ex-Niederrheiner und Wahlfranzosen „Pitt“ Theunissen. Nach seiner Palmholzperiode, die immerhin 25 Jahre währte, nahm er kurzerhand die Schere und zerschnitt seine Zeichnungen und Studien, die er parallel zu seinem skulpturalen Werk geschaffen hat.
30 Jahre schlummerten sie in Mappen und verstaubten in Schubladen. Nun verschob er feine Papierstreifen gegeneinander, ergänzte Zeitungsausschnitte, hantierte mit Karton, Acrylfarbe und Tusche. Entstanden sind neue Kompositionen, die Sehgewohnheiten in Frage stellen, die zum Neu-Sehen anregen.
Das, was als Zerstörung gedacht war, entpuppt sich als Schlüssel für einen neuen kreativen Prozess. Auch die großen Waldbrände in Südfrankreich hinterließen eine Schneise der Verwüstung, der gelernte Bildhauer erkannte die Parallelen, nutzte die Chance zum Neubeginn. Er sammelte rostige Eisenteile, alte Eichendeckel, verkohltes Holz und experimentierte damit. Entstanden ist, zunächst noch eher unbewusst, eine Serie „Gefundene Gegenstände“.
Immer mehr setzte sich der Künstler mit Groesbeeker Wurzeln mit existentiellen Fragen auseinander: die Falten- und Fahnen-Bilder entwickeln sich. „Die Erde ist ein versteinertes Faltenmeer, in den Falten des Mutterleibes werden wir geboren, unsere Gesichtsfalten sind das Tagebuch unseres Lebens", erkennt der künstlerische Tausendsassa. Er fängt an erst Papier, später überlebensgroße Leinwände zu knäulen und mit Farbe zu bearbeiten. „Aber“, schmunzelt der Querdenker, „da ist viel Zufall dabei“. Das Ergebnis: Zweidimensionale Arbeiten mit dreidimensionaler Wirkung, die einen körperlich-räumlichen Prozess sichtbar und erfahrbar machen, die den sensiblen Betrachter förmlich in die Tiefe ziehen.
Die Kranenburger Ausstellung, federführend von Bärbel Lohmann und Thomas Maier konzipiert, zeigt den Seriencharakter, aber auch die folgerichtige Entwicklung in Theunissens Schaffen auf. Die ausdrucksstarken Plastiken aus Holz, Draht, Eisen, Glas – vom Museum Schloß Moyland als Leihgabe zur Verfügung gestellt – werden eindruckvoll mit dem grafischen Werk kontrastiert.
Als Hommage an seine alte Heimat schenkte der agile Lebenskünstler, der mit seiner französischen Ehefrau angereist ist, letztes Jahr zu seinem 80. Geburtstag dem Museum Katharinenhof die Palmenholzstele Colonne. Die 2,70 Meter hohe Holzsäule versteht Theunissen auch als Hommage an seinen Mentor Franz van der Grinten.
Eigens für diese Retrospektive wurde eine kleine Edition von Drucken aus dem Jahre 1975 wiederaufgelegt, die auch verkauft werden. „Mit den Einnahmen aus dem Verkauf möchte ich den Katalog unterstützen“, betont der Bildhauer. Die Einführung stammt von dem Literaturwissenschaftler Thomas Maier, der die Entwicklungslinien von Theunissens Lebenswerk aufzeigt und nachempfindbar macht.
Nur gut, dass Theunissens Werke nicht seiner eigenen Zerstörungswut zum Opfer gefallen sind, sondern zum Keim für seine „Knäuel-Kunst“ wurden.
Ausstellungsdauer: bis 23. September 2012
Informationen: www.museumkatharinenhof.de
Autor:Petra Dietzel aus Kleve |
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