Hol`dir die Bude! Veranstaltung: 2.6.2010 des Kunstkiosk 422 in Lohberg mit Mitgliedern des Landestheaters Burghofbühne

2. Juni 2010
Kiosk 422, Dinslaken

Hol`dir die Bude!
Die Veranstaltung des Kunstkiosk 422 in Lohberg war ein gelungener Abend. Neben Gedichten bekannter Dichter/innen, die das Landestheater Burghofbühne selbst mitgebracht hatte, und Texten von Lyrikerinnen, Autorinnen und Autoren des Umkreises, die vorher entweder eingereicht oder am Abend mitgebracht wurden, lasen Mitglieder des Ensembles in der heimelig dekorierter Bude entweder in ganz persönlicher oder in einer dicht gedrängten Atmosphäre, die schweißtreibend war.

Übrigens: Der Artomat wurde mit Schachteln der Burghofbühne bestückt. Für 5 Euro können Sie statt einer Schachtel Zigaretten eine Schachtel Kunst ziehen. Diese Inhalte werden garantiert nicht gesundheitsschädlich sein.

Hier stelle ich nun den eingereichten Text der Dinslakener Autorin Christine Lodewick vor:

Lügenworte

Es waren einmal Worte, viele Worte. Zu Lügenworten waren sie geworden, und es war an der Zeit, einen Großwaschtag für Lügen einzulegen. Sorgsam gab man sie in die Lügenmaschinerie, gab ein Lügenfein- waschmittel hinzu und stellte den Waschgang ein.
Vorher freilich hatte man sich die Bedienungsanleitung gut durchgelesen, und man kam zu dem Schluss:
„Wahrheitsfindungsprogramm für stark verschmutzte Lügen, 180 Grad, Extraerklärungsbedürftig“ war von Nöten.
Dass dieses Wahrheitsfindungsprogramm lange dauern würde, davon war man überzeugt, schließlich sollte diese Aktion perfekt sein. Doch, dass es viel länger dauern und mehr kosten würde als angenommen, war man nicht bereit zuzugeben. Man begann sich neuer Lügenworte zu bedienen, denen man von Anfang an ansah, dass sie schnell Flecken bekommen würden.
Und so häuften sich die verlogenen Worte immer weiter an, so dass der Waschgang „Wahrheitsfindungsprogramm für stark verschmutzte Lügen, 180 Grad, Extraerklärungsbedürftig“ immer öfter eingeschaltet werden musste.
Wenn das „Waschprogramm“ beendet war, so hängte man die Lügenworte, die jetzt zwar sauber aber doch noch mit gewissen Flecken behaftet waren, einfach auf die dafür vorgesehene Leine, klammerte sie fest und wartete auf die Dinge, die da kommen würden.
Inzwischen hatten sich, wie bereits erwähnt, mehr und mehr Lügenworte angehäuft und miteinander verstrickt. Wieder hatte man zu Werke gehen müssen. Und wieder machte man neue Lügenerfindungen.
Und irgendwann bemerkte man, dass der Platz zum Aufhängen der Worte nicht mehr ausreichen würde. Man beschloss daher – da die Räumlichkeiten sehr begrenzt waren – Lügenworte, die vielleicht inzwischen
lang genug gehangen zu haben schienen, von der Leine zu nehmen, zu falten und in die dafür vorgesehene Schublade zu verstauen. Dabei wurde jedoch sehr schnell klar, dass keines dieser Wortfetzen die Reife des Verstauens erreicht hatte.
So war man genötigt, die Lügenworte hängen zu lassen.
Um aber Platz zu schaffen, klammerte man sie einfach näher aneinander und erreichte somit, dass wieder neuer Platz für neue Lügen entstand.
Viele Male behalf man sich mit dieser Methode, bis man schließlich etwas Merkwürdiges herausfand. Die Worte waren feucht und blieben feucht. Ja, sie veränderten sich sogar. Neben den gewissen Flecken, mit denen die Lügenworte ohnehin immer noch behaftet waren, tauchten weitere Flecke auf. Grau und hässlich zeigten sie ihr Gesicht. Und hinzu kam nach geraumer Zeit ein muffig, erdiger Geruch, der das Atmen schwer machte.
Warum das so war, darauf konnte zunächst niemand eine Antwort geben oder finden.
Schließlich aber kam der Tag, an dem sich etwas ändern sollte.
Bisher hatte man darauf vertraut, Lügenworte, die gewaschen wurden, könnten bald von der Leine genommen, gefaltet und in die dafür vorgesehene Schublade verstaut werden. In die Schubladen mit den vielen Schlössern – oder auch auf nimmer wieder sehen.
Es war der Tag an dem man sich entschloss, einen Arbeitskreis zu bilden, der Forschungen betreiben sollte, um heraus zu finden, woran es bei diesem Dilemma liegen würde.
Die Angelegenheit erforderte eine hohe Dringlichkeit. Und tatsächlich, man kam schließlich zu einer Sensationellen Erkenntnis, die da war:
(Anmerkung des Literaten: Text bitte eintönig lesen!)
„Das Waschen der Lügenworte erfordert nicht nur ein Maß an Platz zum Trocknen, sondern auch ein Maß an Wärme. Fehlen es aber an Platz und Wärme, so kommt es unweigerlich zu festgestellten Flecken, den so genannten Wortverstauchungsflecken. Fehlen es weiterhin an Platz und Wärme, so kommt es neben den oben genannten Flecken des Weiteren zu einem Wortvernichtungsprozess, der schlimmstenfalls mit der Vernichtung des eigentlichen Sinnes enden kann.“
Die Erkenntnis war zwar sensationell, aber bann brechend war sie nicht.
Man entschloss sich daher weiter zu forschen. Schließlich kam man zu einer weiteren sensationellen Erkenntnis, die, so hoffte man zu diesem Zeitpunkt jedenfalls, bann brechend sein würde.
(noch eine Anmerkung des Literaten: Text bitte eintönig lesen!)
Man erkannte:
„Waschen und Trocknen finden zu dem in ein und denselben Räumlichkeiten statt. Da es aber an einem Maß an Platz und an einem Maß an Wärme fehle, müsse man für eine Art Wortoffenheit und Wortehrlichkeit und /oder einer Art Wortwärme sorgen.
Als Fazit wäre demnach zu sagen: Platz und Wärme reichen nicht aus, um eine sichere Trocknung zu gewährleisten. In jedem Falle müsse es zu Offenheit kommen.“
Wie sich später jedoch heraus stellte, auch diese Erkenntnis führte zu keinem sonderlichen Ergebnis.
Man wusste zwar, was benötigt würde, aber man hatte die Werkzeuge nicht, denen man sich hätte bedienen können.
So also blieb alles beim Alten.
Die Lügenworte wurden weiterhin sorgfältig gewaschen, zum trocknen aufgehängt, von der Leine genommen, gefaltet und in die dafür vorgesehene Schublade verstaut. In Schubladen mit vielen Schlössern – oder auch auf nimmer wieder sehen.

Autor:

Christine Lodewick aus Dinslaken

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