Thomas Mattukat hat die Lizenz zum Biertrinken. Er ist Dortmunds erster Diplom-Bier-Sommelier
Na dann, Prost! Dass man Biertrinken lernen kann, hätte Thomas Mattukat nicht gedacht. Zumindest nicht, als er 15 war und ihn sein Onkel Emil im Schrebergarten an der Ruhrwaldstraße Mal an einer Pulle hat nippen lassen. „Es schmeckte schrecklich bitter“, erinnert sich der 48-Jährige. Heute ist der Höchstener ein ausgewiesener Bierkenner. Der erste Dortmunder Bier-Sommelier - mit Diplom.
Pils, Export, Alt, Kölsch, vielleicht noch Weizen - und schon hört das Wissen über Sorten von Otto Normalbiertrinker auf. Bei Thomas Mattukat fängt es hier erst an. Bier ist für ihn mehr als nur ein Getränk, es ist eine Offenbarung.
Im Gegensatz zu Wein muss man Bier bei der Verkostung trinken
Es gluckert. Mattukat schenkt gerade ein Bier in sein Probierglas, hält es ins Licht, prüft die Farbe, die Schaumbildung. Dann ein kurzes, gefühlvolles Schwenken, er steckt die Nase ins Glas, riecht - und nippt. Fünf, sechs Sekunden lässt er seinem Gaumen von der nur kleinen Dosis umschmeicheln, dann erst schluckt er sie hinunter. „Im Gegensatz zum Wein muss man Bier auch trinken, um es in seiner Ganzheit beurteilen zu können“, sagt Mattukat.
Kastanienbraune Farbe und ein Hauch von Kräutern
Probiert hat er ein belgisches Klosterbier, kastanienbraun in der Farbe, sehr starker Schaum, dezente Bitternote, milde Säure, cremiger Geschmack, ein Hauch von Quitte und Kräutern. „Sehr erfrischend“, sagt der Sommelier. „Passt gut zu geräucherten Forellenfilets oder frittiertem Fisch.“
14 Tage Schulbank drücken
Sein Sommelier-Diplom hat sich der 48-Jährige, der den Getränkemarkt von Rewe Homberg&Budnik in Höchsten leitet, auf einem 14-tägigen Seminar „hart erarbeitet“, wie er sagt. Eine Woche Brauakademie Doemens bei München, eine Woche in der „Creativbrauerei“ bei Salzburg. In den 14 Tagen hieß es Theorie büffeln - über Geschichte, Sorten, die eigentlich Stile heißen (von denen gibt es übrigens zehn in Deutschland, rund 100 auf der ganzen Welt), über Trinktemperatur, Brauverfahren, Zapfanlagen, Gläsersorten, Bierempfehlungen zum Essen.
Schon morgens Bierchen kosten
Im praktischen Teil schon am frühen Morgen Sensorikprüfung, heißt Bierchen kosten. „Aber in homöopathischen Dosen“, lacht Mattukat. Denn es hieß ja klaren Kopf bewahren.
Kochen mit Bier stand auf dem Stundenplan, ja sogar ein eigenes Bier haben die Kursteilnehmer, die aus Australien, Brasilien, den USA, aus ganz Europa kamen, gebraut - ein „Kübisia“, ein Kürbisbier.
35 Euro für die Flasche
5.000 Euro hat sich sein Chef, Uli Budnik, die Ausbildung seines Mitarbeiters kosten lassen, der der erste Bier-Sommelier überhaupt in der Rewe-Gruppe ist und der erste im Handel bundesweit. Für Budnik eine Investition in Kundenservice und in die Zukunft. Denn Budnik hat einen Trend entdeckt: „Die Leute wollen nicht mehr nur ,Fernsehbiere‘ trinken.“ Entsprechend ist die Auswahl in seinem Geschäft. Bis zu 35 Euro kann man dort für eine Flasche hinblättern. Der Trunk ist im Eichenfass gereift.
"Es gibt aber auch Biere, die deutlich teurer sind", weiß Mattukat. Etwa das schottische "End of History", mit dem höchsten Alkoholgehalt (55 Prozent) der Welt. Ein Flasche, und es gebe nur wenige davon, kostet 830 Euro.
Bayern Favorit. Eine Kiste Dortmunder aber immer im Keller
Aber: „Ein Bier ist keine reine Preisfrage, es muss schmecken. Das ist wie beim Wein“, sagt Sommelier Mattukat, der natürlich auch seine Favoriten hat: Bier aus Bayern. „Weil‘s so bekömmlich ist.“ Deshalb wohl auch die große blau-weiße Ecke im Laden, wo insgesamt über 150 Biersorten zu finden sind.
Natürlich greift der Bier-Feinschmecker auch gerne Mal zu einem heimischen Gebräu. Zum Beispiel vorm Fernseher, wenn Bundesliga läuft. Dann muss es auf jeden Fall ein Dortmunder sein. „Eine Kiste davon hab‘ ich immer im Keller.“
Auch Amis können Bier brauen
Unzählige Biere hat Mattukat schon probiert. Denn: Egal, wo er ist. Gibt‘s Bier, wird‘s auch verkostet. Ende nicht in Sicht. „Wenn man bedenkt, dass von den 5.500 Brauereien in Deutschland alleine 5.000 in Bayern sind.“ Von den amerikanischen Bieren ganz zu schweigen. „Da gibt es viele kleine Brauereien, die richtig gutes Bier brauen.“
Bier als Kulturgut anderen vermitteln
Für Mattukat ist die Welt der Biere eine kulinarische Entdeckungsreise, auf die er andere gerne mitnehmen will. „Bier ist ein Kulturgut. Und das möchte ich den Leuten vermitteln. Es mit allen Sinnen bewusster und genussvoller zu erleben“, sagt der Mann mit Bierverstand.
Hintergrund
- Was lange nur für Weine galt, hält auch bei den Bieren Einzug. Es gibt Dutzende von Sorten. Bei der Orientierung helfen Bier-Sommeliers.
- Die Ausbildung zum Diplom-Bier-Sommelier kann ausschließlich in der Brauakademie Doemens bei München gemacht werden - in Verbindung mit der „Creativbrauerei“ in Salzburg. In der Brauakademie werden auch Bierbrauer ausgebildet.
- Nur wer dort ausgebildet wurde, darf die Bezeichnung Diplom-Bier-Sommelier tragen und wird in den Verband der Diplom-Bier-Sommeliers aufgenommen.
- Weltweit gibt es derzeit rund 600 Bier-Sommeliers, in Deutschland 350. Die meisten von ihnen arbeiten in der Gastronomie.
Autor:Peter J. Weigel aus Dortmund-Süd |
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