Proteste der Hebammen gehen weiter - Versicherer stellen Lösung in Aussicht
Vehement brachten hunderte Hebammen, Schwangere und Mütter vor der Reinoldikirche ihren Protest auf die Straße. Im Vordergrund stand dabei die Sorge um den Berufsstand, der aufgrund massiv gestiegener Versicherungsbeiträge spätestens ab Sommer 2015 so gut wie vor dem Aus stünde - wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird.
Denn zu diesem Termin wird auch die Nürnberger Versicherung keine Hebammen mehr versichern. Die mussten in den vergangenen Jahren bereits Beitragserhöhungen von 30 D-Mark vor 30 Jahren bis auf momentan ca. 5.000 Euro pro Jahr hinnehmen. Bei einem Stundenverdienst von unter zehn Euro ist das eine wirtschaftliche Katastrophe für jede freiberufliche Hebamme.
Dabei gibt es nicht mehr Geburtsschäden als früher, wie der Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) mitteilt.
Aber: Die Behandlung und Pflege nach Komplikationen werden aufgrund des medizinischen Fortschritts immer vielfältiger. Von 2003 bis 2012 sind die Kosten für schwere Geburtsschäden um fast 80 Prozent gestiegen und erreichen schnell Millionenwerte. Dazu gehört nicht nur die medizinische Versorgung, sondern zum Beispiel auch der Ausgleich für ein Einkommen, dass das Kind nach dem Geburtsschaden nicht mehr erzielen kann.
Doch Geburtsschäden gibt es sowohl bei den freiberuflichen Hebammen als auch bei Klinikgeburten. Und hier sind nicht nur die dortigen Hebammen, sondern auch die Gynäkologen von den massiv steigenden Beiträgen betroffen.
Grundsätzliches Problem noch nicht deutlich geworden
„Aber dieses grundsätzliche Problem ist einfach noch nicht so richtig bei den Leuten angekommen. Das haben wir auch bei der Demo am Freitag gemerkt“, findet Yvonne Hobein. Sie arbeitet als Hebamme in der Hebammenpraxis „Für Groß und klein“ an der Saarlandstraße und kennt die Problematik aus eigener Anschauung. „Mit dem Thema ‚Hebammen‘ beschäftigen sich die Menschen nur, wenn sie eine benötigen, viele sehr junge oder auch ältere Frauen wissen gar nicht, dass es uns noch gibt“, ärgert sich Yvonne Hobein über die fehlende Lobby der Hebammen.
Immerhin hat sich jetzt auch der Berufsverband der Frauenärzte e.V. in die Diskussion eingeschaltet und stellt fest, dass immer häufiger Frauenärzte ihre belegärztliche geburtsmedizinische Tätigkeit einstellen müssen. Grund: Die Prämien für die berufliche Haftpflichtversicherung betragen heute mehr als 40.000 Euro. Dabei nimmt der Verband ausdrücklich Hebammen, die Hausgeburten weit ab von Kliniken durchführen, aus seiner Unterstützung heraus. Wegen angeblicher „schlechter Statistiken“, die aber nicht genauer benannt werden. Schon daran merkt man, dass das Verhältnis Arzt - freiberufliche Hebamme nicht das Beste ist.
Bedarf an Hebammen ist groß
Dabei ist der Bedarf an Hebammen groß. Viele Frauen, die von einer Hebamme betreut werden möchten, finden keine - zumindest nicht in Wohnortnähe. So ging es zum Beispiel auch Stadtanzeiger-Leserin Camilla Wohlfahrt. Sie wurde vor rund einem Jahr Mutter und lernte bei der Geburtsvorbereitung eine Hebamme kennen: „Sie konnte alle Fragen beantworten und uns die Angst nehmen, indem sie uns alles ganz genau erklärt hat“, erinnert sich Camilla Wohlfahrt.
Auch in der Nachsorge suchte sie die Hilfe einer Hebamme - fand aber keine, die in Wohnortnähe Zeit gehabt hätte. „Gerade beim ersten Kind wäre dies, meiner Meinung nach, notwendig gewesen“, findet die junge Mutter.
Doch obwohl sich jedes Jahr mehrere hundert Frauen zu Hebammen ausbilden lassen, arbeiten immer weniger in der Geburtshilfe und medizinischen Versorgung.
„Wird keine Lösung gefunden, geht den Frauen die Wahlfreiheit verloren, wie sie ihr Kind zur Welt bringen möchten“, stellt Yvonne Hobein klar. Noch kann eine Frau wählen, ob sie eine Hausgeburt machen möchte, ein Geburtshaus aufsuchen oder aber in einer Klinik entbinden möchte. Diese Möglichkeiten entfielen dann.
Optimismus ist angebracht
Doch man will optimistisch bleiben: „Die Politik - am besten auf Bundesebene - muss einfach eine Lösung finden - und das noch dieses Jahr“, appelliert Yvonne Hobein an alle Entscheidungsträger. Denn wer im Herbst schwanger wird, muss sich darauf verlassen, dass seine Hebamme auch über den Sommer 2015 hinaus versichert ist und damit arbeiten darf.
Und tatsächlich scheint es Hoffnung zu geben. „Es wird auf jeden Fall eine Lösung geben“, verspricht Kathrin Jarosch vom GDV, „denn wir wollen auch weiter für die Hebammen da sein.“ Wie genau aber diese Lösung aussehen soll - dazu wollte sich Kathrin Jarosch nicht äußern.
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Autor:Elke Böinghoff aus Unna |
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