Wege zur integrierten Notfallversorgung
Viele Notaufnahmen der Krankenhäuser haben das gleiche Problem: Immer mehr Patienten, die objektiv keine Notfälle sind, gehen direkt in die Notaufnahme eines Krankenhauses oder rufen gleich den Rettungsdienst anstelle des ärztlichen Bereitschaftsdienstes.
Das führt nicht nur zu überfüllten und überlasteten Ambulanzen, genervten Patienten, überfordertem Personal sowie unnötigen Krankenhausaufnahmen und Rettungsfahrten. Es führt auch dazu, dass akute Notfälle unter Umständen viel zu lange auf ihre Behandlung warten müssen.
Bringt ein ‚integriertes Notfallkonzept‘ die Lösung? Und wie sollte es aussehen? Darüber diskutierten Fachleute beim AOK-Tag unter dem Thema: „Im Notfall gut versorgt?“
Erste Anlaufstelle in der Krankenhäusern kann zum Beispiel ein spezieller Schalter im Krankenhaus sein, über den fachlich fundiert der Behandlungsbedarf des Patienten eingeschätzt wird, und die auch die Weiterleitung organisiert. Dies kann auch in einer sogenannten Portalpraxis geschehen.
Rund 20 Portalpraxen gibt es in der Region Westfalen-Lippe, weitere sollen folgen. Die Portalpraxen werden gemeinsam von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern betrieben. Hier wird entschieden, ob der Patient, der zu dieser ersten Anlaufstelle kommt, ins Krankenhaus muss oder zunächst durch den ärztlichen Notdienst versorgt werden kann.
Auch darüber, wie die Integrierten Leitstellen organisiert werden sollten, ob die Rufnummern 112 von der Feuerwehr und die 116117, Auskunft für die ärztlichen Notdienste, unter einer einheitlichen Rufnummer zusammengelegt werden sollen oder ob man sie nur technisch miteinander verknüpft, wurde diskutiert.
Dr. Gerhard Nordmann, 1. Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, berichtete über das im Juli gestartete Pilotprojekt „Integrierte Leitstelle“ in Ostwestfalen.. Gemeinsam mit den Rettungsleitstellen in Paderborn, Höxter und Lippe wird getestet, inwiefern die klassische Notrufnummer 112 und die Bereitschaftsdienstnummer 116117 von einer einheitlichen, regionalen Leitstelle gesteuert werden können.
Die Disponenten haben hier nicht nur Zugriff auf Rettungsdienst und Notarzt, sondern können auch den Fahrdienst der Kassenärzte anfordern oder die Patienten an eine Notfalldienstpraxis verweisen.
„Die ersten Wochen im Praxisbetrieb stimmen uns optimistisch: Pro Woche vermittelt die Leitstelle in Lemgo seither rund 30 Anrufer der 112 in den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst“, so Dr. Nordmann.
„Nun kommt endlich Bewegung in das Thema, das sogar im Regierungsprogramm der Großen Koalition auf Bundesebene verankert ist“, sagte Johannes Heß, alternierender AOK-Verwaltungsratsvorsitzender und Arbeitgebervertreter. „Wenn wir zu einer Notfallversorgung aus einem Guss kommen wollen, gilt es ein dickes Brett zu bohren, in dem auch noch einige versteckte Nägel stecken“, so Heß.
Prof. Dr. Wolfgang Greiner vom Lehrstuhl für „Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement“ der Uni Bielefeld hatte schon in seinem Impulsreferat betont: „Angesichts verbreiteter Fehlinanspruchnahmen und einer offenbar unzureichenden Steuerung ist ein Bündel von Maßnahmen zur Neuordnung einer zukünftig bedarfsgerechten, sektorenübergreifend koordinierten Notfallversorgung „aus einer Hand“ erforderlich. Dazu gehören eine bundeseinheitliche Rufnummer für Integrierte Leitstellen (ILS) und Integrierte Notfallzentren (INZ).“
In die gleiche Richtung argumentierte auch AOK-Vorstandschef Tom Ackermann: „Mit dem von uns favorisierten Konzept der ‚integrierten Notfalleinheit‘ sollen Patienten unterstützt werden und eine einheitliche Anlaufstelle im Krankenhaus erhalten. Dort entscheidet speziell ausgebildetes medizinisches Fachpersonal an einem gemeinsamen Tresen, ob es sich um einen Fall mit oder ohne Lebensgefahr handelt und leitet Patienten dann entsprechend in die stationären oder ambulanten Notfallstrukturen. Abhängig vom Gesundheitszustand kann der Patient zur Akutbehandlung auch in die reguläre stationäre Versorgung verlegt oder in die vertragsärztliche Regelversorgung verwiesen werden. „Es muss uns endlich gelingen, zu einer besser abgestimmten und verzahnten Notfallversorgung zu kommen. Nur so haben Patienten Klarheit, an wen sie sich im Notfall wenden können. Dafür bietet unser Konzept die besten Voraussetzungen“, so Ackermann.
Auf dem Weg zu ‚Integrierten Notfallzentren‘ müsse jetzt mehr Gas gegeben werden. „Es gibt doch schon reichlich Erfahrungen mit Anlauf- und Portalpraxen“, betonte Georg Keppeler, alternierender AOK-Verwaltungsratsvorsitzender und Arbeitnehmervertreter. Damit sollte es möglich sein, jetzt gezielt und pragmatisch die nächsten Schritte zu machen“, so Keppeler.
Außerdem forderte er zeitnah eine technische Lösung, die beiden telefonischen Anlaufstellen besser miteinander zu verzahnen. Auch den Ansatz, den Behandlungsbedarf bereits am Telefon durch eine einheitlich strukturierte Abfrage besser einzuordnen, hält er für sinnvoll. Patienten sollten nicht wegen Kleinigkeiten in die Notaufnahme gehen. Hier fehle es an Aufklärung.
Für eine Betrachtung der Integrierten Versorgung aus der Sicht der Patienten setzte sich die Landtagsabgeordnete Heike Gebhard (SPD), Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales, ein. „Alle Patienten und deren Angehörige müssen im Notfall wissen, wo und wie sie die beste Hilfe erhalten können. Dies gelingt nur über integrierte Notfallzentren, bei denen der ärztliche Bereitschaftsdienst und die Notfallzentrale der Klinik zusammenarbeiten und eine telefonische Leitstelle, die nach Bedarf in unser vorhandenes Rettungssystem vermittelt. Die sektorale Trennung in der Notfallversorgung muss auch bei ihrer Finanzierung überwunden werden“, so Gebhard.
Peter Preuß, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU im Landtag, bewertet die Notfallversorgung grundsätzlich als gut. „Um echte Notfälle zu identifizieren bedarf es einer konzeptionellen Steuerung mit klaren Regeln. Sowohl die Erreichbarkeit der Notfalleinrichtungen als auch die Notfallversorgung sind in bestmöglicher Qualität zu gewährleisten.“
Für Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, sollte bei der Neuorganisation der ambulanten Notfallversorgung nicht die Frage „Wem gehört der Patient?“ im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die Frage „Was nützt dem Patienten?“
Autor:Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.