Stellungnahme der Fachschaftsrätekonferenz der TU Dortmund zum geplanten Lehramts-NC
Der nachfolgende Text wurde von der Fachschaftsrätekonferenz der TU Dortmund als Pressemitteilung veröffentlicht und ist sehr lesenswert:
Die TU Dortmund plant gerade für dieses Wintersemester 2013/2014, in dem der doppelte Abitur-Jahrgang an den Universitäten erwartet wird, einen allgemeinen NC auf alle Lehramtsstudiengänge zu legen.
Der Antrag hierfür wurde bereits gestellt. Dies bedeutet, dass sich Studierende zunächst über die sogenannten Bildungswissenschaften bewerben und einschreiben müssen. Erst nach der Zulassung wird die Fächerkombination gewählt.
Der NC differenziert nicht zwischen den Fächern
Die Fachschaften der TU sehen dies höchst kritisch, da eine Prognose über die Fächerwahl der zugelassenen Bewerber dann nahezu unmöglich ist. Kleinere Lehramtsfächer wie Technik, Informatik, Kunst etc. könnten unter Studierendenmangel leiden, während den bereits jetzt höher frequentierten Fächern wie Englisch ein Massenandrang droht und damit eine Überlast ihrer Kapazität. Betrachtet man außerdem die Prognosen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung, so ist gerade in den Schulformen Haupt-, Real-, Gesamtschule ein Lehrermangel zu erwarten. Der geplante NC berücksichtigt diese wichtigen Faktoren überhaupt nicht. Er erschwert die Planung für alle Beteiligten und könnte dazu führen, dass neue Studierende von einer Wahl der weniger studierten Unterrichtsfächer absehen. Blickt man auf die offiziellen Verlautbarungen, möchte die TU Dortmund mit ihrer Lehrerausbildung in allen Schulformen eine wichtige Säule des Landes Nordrhein-Westfalen im Bereich der Lehrerbildung sein. Mit dem neuen NC verwirft die TU Dortmund diesen Status.
Erschwerter Zugang zum Lehramtsstudium
Es ist davon auszugehen, dass ein solcher NC sehr hoch sein wird, wenn sich nun alle Bewerber über die Bildungswissenschaften bewerben müssen. Dieser NC wird voraussichtlich nur von Schülerinnen und Schülern mit einem sehr guten Abitur erreicht werden können, weshalb Schülerinnen und Schülern unterhalb dieses NC unabhängig von Begabung und Eignung ein Platz in einem Lehramtsstudium verwehrt bleibt. Darf nur noch die Abiturelite Lehrer_In werden? Was sagt die Gesamtabiturnote über die Leistungen und Begabungen der Bewerber in den einzelnen Teilgebieten aus? Und vor allem: Was ist eine allgemeine Hochschulreife noch wert, wenn angehende Studenten mit einem guten 2er Abitur keinen Platz im Lehramtsstudium erhalten können?
Mangelfächer? Keine Abhilfe durch NC!
Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, wie mit einem solchen NC die sogenannten Mangelfächer für die Zukunft besetzt werden sollen. Zu diesen Fächern gehören vor allem die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), die bisher größtenteils zulassungsfrei waren und nun Gefahr laufen, durch den beantragten NC besonders wenig Studierende zu erhalten. Fakultäten wie Informatik, Elektrotechnik oder Maschinenbau bangen um jeden Lehramtsstudenten, der sein Studium nicht aufnehmen kann, weil er die Hürde des NC nicht überwindet. In diesen Unterrichtsfächern werden händeringend angehende Lehrerinnen und Lehrer gebraucht! So ist es unverständlich, dass gerade die Fächer unter dem NC leiden werden, deren Bedarf und Kapazität am größten ist.
Abiturschnitt mathematisch betrachtet keine sinnvolle Kenngröße
Schulnoten werden in der Statistik als sogenannte "ordinale Merkmale" gehandelt. Das bedeutet, dass Noten eine Ordnung besitzen, eine Abstandsmessung zwischen ihnen aber nicht möglich ist. Um einen Notenschnitt als Maß für die Gesamtqualität ausrechnen zu können, müssten Noten "metrisch" sein, also einen sinnvollen und flüssigen Abstandsbegriff besitzen, welcher bei gleichem Abstand immer einen gleichen Qualitätsunterschied garantiert. Schon eine andere Namensgebung kann die Berechnung eines Mittelwertes sowie den Vergleich zweier Schulzeugnisse verändern (z.B. 0-15 "Punkte" statt "1,0 ; 1,3 ; 1,7...") oder gar unmöglich machen (z.B. Noten A bis F).
Der Abiturschnitt als Kenngröße hat somit mathematisch keinerlei Daseinsberechtigung und ist insbesondere kein ernstzunehmendes statistisches Maß für die Leistungsqualität eines Schülers oder die potentielle Leistungsfähigkeit eines Studenten. Daher ist es bedauerlich, wenn diese gleiche Kenngröße für die Lehramtsstudierenden aller Fächer über die Zukunft und Karriere entscheidet.
NC und Eignungsprüfung?!
Eine weitere offene Frage ist, wie sich der NC mit den Eignungsprüfungen in Musik, Sport und Kunst vereinbaren lässt.
Durch die bis dato durchgeführten Eignungsprüfungen konnte eine massive Überlast in den genannten Fächern verhindert werden, die nachteilig für Lehrende und Studierende ist, sowie die Eignung der Bewerber für die einzelnen Studienfächer überprüft werden.
Mit Einführung des geplanten NCs ändert sich dies erheblich. Denn auch wenn die Bewerber die etablierten Eignungsprüfungen bestehen, so ist zwar ihre Eignung für das Fach gewährleistet, jedoch erhalten sie nicht automatisch einen Studienplatz, sondern müssen zusätzlich die NC-Hürde überwinden. Somit wird der Eignungsprüfung ihre Bedeutung entzogen und der Zugang zu diesen Studienfächern zusätzlich erschwert.
Abgeblich soll diesem Problem nun durch sogenannte "NC-Bonierung" Abhilfe geschaffen werden. Hierbei würde bei bestandenen Eignungsprüfungen in Kunst oder Musik der Abischnitt um 1,0 Notenstufen verbessert. Auch dies scheint willkürlich, relativiert jedoch in diesen beiden Fächern die Doppelhürde. Es ist außerdem unklar, ob diese Bonierung den gesamten NC erhöhen würde und sich damit nachteilig für alle Bewerber auswirken würde.
Einvernehmlicher Beschluss?
Wir bedauern sehr, dass die Fachschaften als Vertretung der Studierenden erst nach Antragstellung dieses NCs davon erfahren haben und nicht einmal dazu Stellung nehmen konnten. Wir hätten uns in diesem Fall ein anderes Vorgehen gewünscht und wären gerne in den Dialog mit der Hochschulleitung und den Fakultäten getreten, wozu wir auch weiterhin bereit sind.
Den Studierenden gegenüber wurde mehrfach beteuert, man sei ausreichend auf den doppelten Abiturjahrgang vorbereitet, sowohl seitens der Hochschulleitung (etwa bei den öffentlichen Vorträgen "Quo Vadis TU Dortmund" oder "Setz' Dich Ein"), als auch seitens der Politik.
Engagement für die nachfolgenden Lehrerinnen und Lehrer
Im Sinne der angehenden Studierenden, die motiviert und vorfreudig einem Lehramtsstudium entgegen sehen, möchten wir uns für deren Zugang zum Lehramtsstudium an der TU Dortmund einsetzen. Der politisch erzeugte Doppeljahrgang führt zu einer ganz besonderen Situation im kommenden Wintersemester. Mehr Studierende denn je werden sich an der Universität bewerben. Gerade in diesem Semester das bisher strengste und rigideste Zulassungssystem durch einen bildungswissenschaftlichen NC einzuführen, erscheint uns daher als eine sehr drastische Entscheidung, die fernab einer Anerkennung der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung einer Hochschule liegt.
Wir brauchen Lehrerinnen und Lehrer für die Zukunft. Mit dem allgemeinen NC auf Bildungswissenschaften sind viele Abiturientinnen und Abiturienten von vornherein chancenlos!
Autor:Marcel Clostermann aus Schwerte |
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