Hörde
Spannende Spurensuche: Heimatforscher Willi Garth berichtet über die alten Urkunden des Klosters Clarenberg

Die 1687 erbaute und 1966 abgebrochene Abtei. Rechts neben der Tür ist das Stifterwappen zu sehen. Im Hintergrund ist die 1863 gebaute heutige Stiftskirche zu sehen. | Foto: Archiv Hörder Heimatverein
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  • Die 1687 erbaute und 1966 abgebrochene Abtei. Rechts neben der Tür ist das Stifterwappen zu sehen. Im Hintergrund ist die 1863 gebaute heutige Stiftskirche zu sehen.
  • Foto: Archiv Hörder Heimatverein
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Viel ist vom ehemaligen Clarissenkloster in Hörde nicht übrig geblieben. Im Stadtbild erinnert nur noch der Clarenberg an das Kloster, auch die Namen der Stiftsbrauerei, der Stiftskirche und der Stiftstraße haben im Stiftskloster ihre Ursprünge. Schon 1811 wurde das Kloster im Zuge der Napoleonischen Eroberung Westfalens säkularisiert und nach und nach abgerissen.

Der Hörder Heimatforscher Willi Garth erzählt: „Die Erforschung der Hörder Geschichte ist sehr spannend und manchmal mit großem Aufwand verbunden. Bekannt ist die erste Nennung Hördes im Jahre 1198 mit dem Ritter Albert von Hörde, der schon auf der Burg wohnte. Nach der Familie „von Hörde“ übernahmen die Grafen von der Mark die Burg, und mit ihr die letzte Bastion vor den Toren der oft feindlich gesinnten Reichsstadt Dortmund.“

Kleines Dorf Hörde

Das kleine Dörfchen Hörde wurde 1340 durch den Grafen Konrad von der Mark zur Stadt erhoben. Schon ein Jahr zuvor hatte Konrad mit seiner Frau Elisabeth von Kleve unweit der Burg ein Clarissenkloster für 40 Nonnen gegründet. Der Klarissen-Orden, 1212 von Franz von Assisi und der heiligen Klara gegründet, erbaute das Kloster im Jahr 1339. Elizabeth von Kleve trat 1344 selbst in den Klarissenorden ein und wurde 1348 Äbtissin des Klosters. Sie und Konrad von der Mark waren in der Klosterkirche auch bestattet.

„Bedeutende Schenkungen an das Kloster trugen zum Wachstum der Abtei bei und förderten gleichsam die Bedeutung der Stadt Hörde. Über alle Verkäufe und Stiftungen im Zusammenhang mit dem Kloster wurden mit Federkiel und Tinte mühsam Urkunden auf Pergament geschrieben. Nach der Auflösung des Klosters gingen die Urkunden aber in unterschiedliche Archive“, so Garth. Ein bedeutender Anteil kam in das Münsteraner Archiv, das bis 2008 Staatsarchiv war und heute Landesarchiv NRW ist.

Enorme Herausforderung

Dr. Otto Merx vom Vorstand des Historischen Vereins für Dortmund und die Grafschaft Mark erhielt 1907 den Auftrag, die verfügbaren Clarenberg-Urkunden zu bearbeiten. 651 Urkunden in teils nicht mehr gebräuchlichem Latein oder in schwer verständlichem Deutsch geschriebenen Dokumente zumindest sinngemäß abzuschreiben, war eine enorme Herausforderung. Bereits nach einem Jahr kam das „Urkundenbuch des Clarissenklosters, späteren Damenstifts Clarenberg bei Hörde“ in Buchform heraus. Es sollte Forschern und Historikern die Arbeit erleichtern und den Hörder Bürgern Einblicke in das Klosterleben geben.

„Man stößt darin nicht nur auf Namen von berühmten lokalen Persönlichkeiten wie Berswordt, Bodelschwingh, Hövel und Klepping, auch viele Adelsgeschlechter werden als Vertragspartner genannt und haben das mit ihrem Siegel bestätigt. Neben Papst Nicolaus IV. erscheinen Albert von Hörde, Graf Eberhard von der Mark, Diederich von Aplerbeck, Johann von der Vierbecke, der Vater der berühmten Stadtverräterin Agnes von der Vierbecke, Diederich von Limburg, Bernd von Romberg und andere. Die von Romberg erscheinen allein 20 Mal in den Dokumenten“, weiß Willi Garth. Die Kosten für das 544 Seiten starke Buch waren damals mit 7,50 Mark veranschlagt, und die Stadt Hörde beschloss die Unterstützung des Historischen Vereins durch Abnahme von hundert Bänden. Nachdem Mehrkosten auftraten, beschloss die Stadt Hörde die Weitergabe der Bücher zum Selbstkostenpreis von 12,50 Mark.

Wie Blei in den Regalen

Doch die Hörder, in der Mehrzahl Fabrikarbeiter und Bergleute, hatten offenbar andere Sorgen, jedenfalls lag das Buch wie Blei in den Regalen.
Nachdem nur ganze elf Exemplare einen Abnehmer fanden, wurde der Preis auf 10 Mark reduziert. Der Absatz wollte immer noch nicht florieren. Darum mussten die Schulen je ein Exemplar abkaufen.
Gleichzeitig bat die Stadt Hörde die Buchhändler Halbach und May um die Abnahme von Büchern. May lehnte dankend ab. Louis Halbach schrieb der Stadt: „An den wohllöblichen Magistrat Hörde. Bücher verkaufen ist eines der schwierigsten Geschäfte, die man sich in unserer Stadt und Gegend denken kann....“

1911 wird darum beschlossen, die restlichen Exemplare zum Preis von nur 2 Mark abzusetzen, fasst Garth die Sonderangebotsaktion zusammen.
„Bei meiner langjährigen Tätigkeit als ehrenamtlicher Archivar der Katholischen Stiftsgemeinde St. Clara stieß ich auf das Clarenberger Urkundenbuch. Die Stiftsgemeinde ist die Nachfolgerin des Clarissenklosters. Im Auftrag der Gemeinde fuhr ich im Juli 1984 zum Staatsarchiv nach Münster. In sechs Stunden konnte ich 20 Urkunden oberflächlich sichten. Ich war erstaunt, dass mir alle angeforderten, teils brüchigen, Jahrhunderte alte Pergament-Originale vorgelegt wurden.

Fotoverbot

Manche trugen gleich mehrere schwere Siegel. Fotografieren durfte ich nichts. Im Auftrag der Stiftsgemeinde bestellte ich darum fotografische Abzüge. Dazu wurden 54 Mikrofilmnegative angefertigt, die wir als Besteller bezahlen mussten, die aber im Besitz des Archivs verblieben. Die Abzüge dürfen ohne ausdrückliche Genehmigung des Archivs nicht veröffentlicht werden.“

Ab 1583/84 war das Hörder Kloster in ein freiweltliches adliges Damenstift umgewandelt worden, denn seit der Reformation waren Damen verschiedener Glaubensrichtungen im Kloster, was zur Umwidmung zum dreikonfessionellen (katholisch, lutherisch, calvinistisch) Stift führte. 1811 wurde es unter Napoleon, wie fast alle Klöster, aufgelöst. Die Klosterkirche blieb unter Staatspatronat. Andere Werte fielen an den Fiskus, die Grundstücke wurden verkauft. Die Gebäude wurden nach und nach abgebrochen. Nur die Abtei blieb länger erhalten.

Sandsteintafel

Eine Sandsteintafel neben der Eingangstür enthielt ein Wappen und den Text: „Anna Lucia von Plettenberg, Tochter aus dem Hause Schwartzenberg, Abtiss dieses hochadligen Stifts, hat diese Abtei erbauet im Jahre 1687.“ Als die Volksbank auf dem Klostergrundstück bauen wollte, wurde die Abtei trotz vieler Proteste ebenfalls abgerissen. Gerettet werden konnten nur die Stiftertafel der Äbtisssin und Sandsteintafeln mit Adelswappen der Familien von der Mark, Kleve, Romberg, Fürstenberg, Syberg und anderen. Für alle Tafeln gestaltete man gegenüber der Volksbank ein Denkmal.

Es blieb fast nichts

„Die Sandsteine zeigten aber im Laufe der Zeit immer größere Witterungsschäden“, so Garth. Der Heimatverein konnte sie schließlich ein letztes Mal retten. Am Standort an der Straße wurden Repliken in das Denkmal eingesetzt. Die Originale konnte der Verein in der Stiftskirche St. Clara anbringen. In einem großen Festakt wurden die Wappensteine 1998 der Gemeinde in der voll besetzten Stiftskirche übergeben. Ein Abguss der Stiftertafel ist im Hörder Heimatmuseum zu besichtigen.

An die wechselvolle Klostergeschichte erinnern auch Fragmente der von den Nonnen gestickten Brokat-Messgewänder und ein wunderschönes, von den Nonnen geschriebenes Andachtsbuch, genannt der „Hörder Heilsspiegel“. „Nur wenige Kunstwerke aus der Klosterzeit erinnern in der heutigen Stiftskirche an eine für die Stadt Hörde bedeutende Epoche“, bedauert Garth.

Autor:

Holger Schmälzger aus Dortmund-Süd

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