Ein bescheidener Wunsch vor dem Hintergrund großer Geschehnisse

Das Friedensdorf-Jahr ist klar strukturiert: jeweils im Februar und August finden die kombinierten Hilfseinsätze in Afghanistan und in anderen zentralasiatischen Ländern statt, im Mai und November wird Angola angeflogen. Zwischendurch werden im Bedarfsfall andere Krisenregionen bereist, zu Projektbesichtigung und zur Vorstellung neuer Kinder, die auf Hilfe im Friedensdorf hoffen. Aktuell ist ein kleines Team in Tadschikistan, Kirgistan und Usbekistan unterwegs und „bloggt“ alle paar Tage Eindrücke und Erlebnisse in den oft unbekannten Ländern.

Die Regelmäßigkeit ist wichtig – besonders für die Bevölkerung vor Ort in den Ländern, die sich durch die Kontinuität auf feste Daten verlassen können. Doch natürlich verfolgen die Mitarbeiter in Dinslaken und Oberhausen immer auch die Geschehnisse kritisch und oftmals auch mit Sorge.

Afghanistan: Unruhen vor den Wahlen

Diese Woche häuften sich wieder die Meldungen aus Afghanistan. Es stehen Wahlen an, die internationale Gemeinschaft blickt mit Sorge auf das Land am Hindukusch: welcher der zahlreichen Kandidaten wird sich durchsetzen im Jahr 2014, das ganz im Zeichen des Abzuges der internationalen Truppen steht? Die Stimmung ist aufgeheizt, fast täglich gehen Meldungen über Anschläge und Unruhen durch die Medien. Am Freitag wurde die bekannte deutsche Fotografin Anja Niedringhaus in Afghanistan erschossen.

Beim letzten Hilfseinsatz im Februar wurden weniger Kinder in Kabul vorgestellt um eine Behandlungsmöglichkeit in Deutschland zu prüfen. Nicht etwa, so versicherten die Mitarbeiter des Afghanischen Roten Halbmondes, weil die Lage sich verbessert, den Kindern vor Ort geholfen werden kann. Vielmehr ängstigen sich mehr und mehr Afghanen, weite Reisen auf sich zunehmen, zu unsicher und gefährlich sind die Wege geworden. In Kabul bleibt zu Hause, wer eben kann, und wer es nicht kann setzt alles daran vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein. Unter die Angst vor politisch motivierten Anschlägen, mischt sich auch die allgemeine Gefahr vor Überfällen und Raubangriffen. Anfang des Jahres wurde ein langjähriger Freund und Mitarbeiter des Roten Halbmondes auf offener Straße erschossen.

Bei aller Sorge ist für die Friedensdorf – Mitarbeiter klar: auch in der zweiten Jahreshälfte und im kommenden Jahr wird die Oberhausener Hilfsorganisation das tun, was sie in Afghanistan seit 25 Jahren tut: kranke und verletzte Kinder ausfliegen, denen man vor Ort nicht helfen kann. Dadurch, dass immer regierungsunabhängig gearbeitet und niemals Grundsätze des humanitären Arbeitens verletzt wurden, ist man nicht auf das Wohlwollen Einzelner angewiesen. Dennoch bleibt die Unsicherheit: wird die Passausstellung und werden die Formalitäten im Land weiter so unkompliziert laufen? Wird es weiter eine deutsche Auslandsvertretung geben und werden die Bedingungen für die Visumserteilung vielleicht erneut verschärft? Trotz aller Routine in der Hilfe, Alltag stellt sich nicht ein.

Wirtschaftswunder Angola - Kinder dürfen nicht vergessen werden

Ebenso kritisch ist der Blick in Richtung südwestliches Afrika. Außenminister Frank Walter Steinmeier besuchte in der vergangenen Woche Angola. „Die Deutschen dürfen den Anschluss nicht verpassen“ titelte der Focus mit einem Zitat von Steinmeier und nannte Angola ein Paradebeispiel für die neuen Wirtschaftswunder auf dem schwarzen Kontinent. Unerwähnt blieben, wie auch bei dem Besuch Angela Merkels vor zwei Jahren, als der Weg für Rüstungsgeschäfte geebnet wurde, die immens hohe Kindersterblichkeitsrate und die eklatante Lage der angolanischen Bevölkerung, die nicht von den Rohstoffen profitieren. Aus Angola kommen nach wie vor zwei Mal im Jahr große Kindergruppen zur medizinischen Behandlung nach Deutschland. Die meisten kommen mit schweren Knochenentzündungen, eine Krankheit, die in Deutschland kaum noch vorkommt. Sie taucht vor allem überall dort auf, wo es an der Grundversorgung vor Ort mangelt: fehlende Antibiotika, unhygienische Zustände und Mangelernährung begünstigen die schlimmen Knocheneiterungen, die unbehandelt zu Amputation und im schlimmsten Fall zu einer Blutvergiftung führen.
Die Welt wächst zusammen im Jahr 2014. Neuigkeiten und Meldungen verbreiten sich innerhalb von Minuten auf dem gesamten Globus, der zu einem „Dorf“ wird. Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, Regionen und Länder stehen vor richtungsweisenden Entwicklungen. Im Friedensdorf, einer Miniaturversion der großen Welt bekommen die Mitarbeiter indes täglich vor Augen geführt, wer die Zukunft gestalten wird. Das sind Mohammad und Farial aus Afghanistan, Jose und Maria aus Angola. Die Friedensdorf-Kinder wissen wahrscheinlich weder um die anstehenden Wahlen in Afghanistan noch um den Besuch des deutschen Außenministers in Angola. Doch sie lernen im Dorf ein friedliches Miteinander mit Kindern aus anderen Ländern und Kulturen. Nigeria, Gambia, Tadschikistan, Kirgistan, Georgien, Armenien, Usbekistan, Kambodscha. Kinder, die trotz aller Unterschiede in Kultur, Sprache und Religion eines verbindet: der Wunsch gesund zu werden und in einer friedlichen Welt aufzuwachsen. Eigentlich ein ganz bescheidener Wunsch vor dem Hintergrund der großen Geschehnisse in der Welt.

Autor:

Ana Lange aus Dinslaken

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