Schützenvereine
Corona-Pandemie trifft die Erben des Heiligen Sebastian ins Mark
Er ist der Schutzpatron der Schützen und Fürsprecher gegen die Pest. Deshalb wird der Heilige Sebastian von Mailand, der im 3. Jahrhundert als römischer Soldat und christlicher Märtyrer stab, wohl gerade in diesen Corona-Zeiten nicht nur von gläubigen Schützen um Beistand gebeten. Den haben die Schützen- und Schießsportvereine derzeit auch bitter nötig. Denn die vom Corona-Virus erzwungenen Kontaktverbote treffen den Sport, der nicht nur in Form der Schützenfeste, von der Geselligkeit lebt, ins Mark.
Gerade erst hat der Voerder Schützenverein BSV „Frohsinn“ Mehr-Ork-Gest 1927 e.V. sein für Ende Mai geplantes Schützenfest "schweren Herzens" abgesagt. Nach 2020 ist es bereits die zweite Corona-bedingte Absage des Schützenfestes in Ork. In einer Pressemitteilung des Vereinsvorstandes heißt es: "Der BSV Mehr-Ork-Gest dankt allen Partnern und Sponsoren, die uns trotz der schwierigen Lage bei der Vorbereitung des Schützenfests unterstützt haben. Besonderer Dank gilt unserer Königin Nicole, die gemeinsam mit ihrem Thron ihre lange Regentschaft fortführt. Vorstandsmitglieder, Musiker, Thekenteam und natürlich alle Aktiven hoffen darauf, im kommenden Jahr wieder ausgelassen feiern zu dürfen."
Keine Planungssicherheit
Auch der Geschäftsführer des Bürgerschützenvereins Hiesfeld 1654, Georg Spöler sagt zum Thema Schützenfest in Corona-Zeiten: "Eine Planung ist hierzu auf Grund der aktuellen Situation nicht möglich. Es können keine Verträge für Kapelle, Zeltmiete und Sonstiges abgeschlossen werden. Da die Bestellungen schon frühzeitig ausgelöst werden müssen. Auch müsste man mit einem erheblichen finanziellen Aufwand in Vorleistung gehen, ohne die Sicherheit zu haben, dass ein Schützenfest überhaupt stattfinden kann. Einen Verlust dieses Aufwandes kann der Verein sich nicht leisten. Daher wird es bei uns kein Schützenfest im Jahr 2021 geben." Auch mit Blick auf die Mitgliederentwicklung der Schützenvereine in einer noch länger andauernden Pandemie mit Kontaktbeschränkungen macht sich Spöler keine Illusionen und prognostiziert einen massiven Mitgliederverlust der Schützenvereine."
Auch den Dinslakener Polizei-Schieß-Club und den Dinslakener Sportschützenverein Hol Drop, die in der Dinslakener Eissporthalle einen gemeinsamen Schieß-Stand betreiben, haben mit der Corona-Pandemie ihre liebe Not, selbst, wenn sie nur ein internes Schützenfest veranstalten, das sie jetzt absagen müssen. Zu den unmittelbaren Corona-Folgen der Corona-Krise befragt, erklären die beiden Vereinsvorsitzenden Eckhard Lauer und Heribert Prang: "Der erste Lockdown hat uns gezwungen, umfangreiche Maßnahmen und Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, um unseren Sport überhaupt in „abgespeckter“ Form unseren Mitgliedern anbieten zu können. Seit dem zweiten Lockdown findet das klassische Vereinsleben praktisch nicht mehr statt."
Und wie beurteilen sie vor dem Hintergrund des aktuell verschärften Infektionsgeschehens die Zukunft ihrer Clubs? Dazu sagen sie: "Die normale Fluktuation der Mitglieder beschränkt sich seit Beginn der Pandemie nur noch auf Austritte, im Moment noch in überschaubarem Maße. Neuzugänge liegen seit dem bei Null." Auch das Sommerfest und die Fahrradtour der beiden Vereine stehen Corona-bedingt in diesem Jahr wieder auf der Kippe.
Individuelle Gegebenheiten beachten
Trotzdem bekennen sich beide Vorsitzende zu ihrer Verantwortung gegenüber der Gesundheit der Vereinsmitglieder und stellen die Corona-Schutzverordnungen deshalb nicht in Frage. "Trotzdem", so sagen sie auf Anfrage des Niederrheinanzeigers: "Würden wir uns wünschen, dass Politik und Verwaltung die individuell unterschiedlichen Gegebenheiten auf den Sportanlagen deutlich mehr berücksichtigen. Wir sind zumindest für unseren Sportbetrieb sicher, dass unter den von uns eingeführten und weit über die Vorgaben der Corona-Schutzverordnung hinaus reichenden Schutzmaßnahmen eine zumindest eingeschränkte Wiederaufnahme des Schießsports problemlos möglich wäre."
Lauers und Prangs Vorstandskollege Georg Spöler vom Hiesfelder Schützenverein geht mit dem Corona-Vereins-Hilfsmanagement von Politik deutlich schärfer ins Gericht, wenn er die aktuelle Lage so beschreibt: "Politik und Verwaltung verkünden in den Medien, dass es für Vereine Hilfen und Unterstützung gibt. Die Realität sieht anders aus. Es sind wohl kommerziell ausgerichtete Vereine gemeint und nicht gemeinnützige Schützenvereine. Diese können Anträge auf Hilfe stellen, jedoch wird bei deren Einreichung auf die nächste Institution verwiesen oder die Voraussetzungen, um Hilfe zu erhalten, sind so ausgelegt, dass der Verein bereits Konkurs eingereicht haben muss. Politik und Verwaltung sollte den Schützenvereinen, die eine lange Tradition haben und auch eine soziale Funktion erfüllen, eine unbürokratische Hilfe, wie sie in anderen Bereichen erfolgt, zukommen lassen. Wenn diese Pandemie noch länger anhält und alle Einnahmen bis auf die Mitgliederbeiträge bei den Vereinen weiterhin entfallen, werden einige Schützenvereine ohne Hilfe der öffentlichen Hand aufgeben müssen."
So lange kein Präsenz-Betrieb pandemie-bedingt möglich ist, bleibt den örtlichen Schießsportvereinen und ihren Kollegen aus den traditionellen Schützenvereinen der Region, nur die digitale vereinsinterne Kontaktpflege via Telefon, E-Mail-Newsletter und Internet-Videokonferenzen.
Unabhängig von der Corona-Krise sieht Georg Spöler auf alle Schützenvereine eine demografische und organisatorische Herausforderung zukommen. Sein Szenario lautet: "Da die Mitglieder unseres Vereines zu rund 70% 50 Jahre und älter sind und kaum Neumitglieder generiert werden können, werden wir wohl kaum noch eine längere Zukunft haben, da die laufenden Kosten nicht mehr getragen werden können. Dies ist nicht nur beim BSV Hiesfeld der Fall, sondern es betrifft fast alle Schützenvereine in unserem Kreis. Eine bessere Zukunft sehe nur, wenn sich die Vereine in Zukunft zu einer Schützengemeinschaft zusammenschließen."
Schwerster Rückschlag seit dem Kriegsende
Apropos Internet: Wer sich im Netz umschaut, sieht dass auch die traditionsreichen Schützen mit der digitalen Zeit gehen, aber vorläufig um der öffentlichen Gesundheit Willen, vor dem Corona-Virus einstweilen kapitulieren und dem Prinzip Hoffnung durch Impfung vertrauen müssen.
"Schießbetrieb eingestellt. Veranstaltungen abgesagt. Zurzeit Überprüfung der Schießanlage!" heißt es kurz und ernüchternd auf der Website des 1874 gegründeten Bürgerschützenvereins Disnlaken-Feldmark.
Die seit 1654 gemeinsam feiernden und den Vogel abschießenden Hiesfelder Schützen schreiben auf ihrer Homepage: "Leider müssen wir unsere Schützenhalle aufgrund der aktuellen Corona-Situation auf unbestimmte Zeit sowohl für alle gesellschaftlichen Veranstaltungen als auch für den Trainingsbetrieb schließen. Sobald sich die Sachlage ändert, werden wir Euch benachrichtigen. Bis dahin bleibt gesund." Außerdem wird darauf hingewiesen, dass in den Vereinsräumen Mund- und Nasenschutzmasken zu tragen sind.
Der Vorsitzende des Bürgerschützenvereins Dinslaken von 1461, Daniel Attardo und sein Stellvertreter Stefan Müller teilen den Besuchern der Vereinsseite mit: "Liebe Mitglieder, Liebe Freunde und Unterstützer! Es ist für jeden Einzelnen nicht einfach – persönlich, wie auch für uns als Verein. Keine Schützenfestsaison, eingeschränkte bzw. ausgefallene Vereinsveranstaltungen. Leider zeigen die aktuellen Entwicklungen, dass wir auch in 2021 weiterhin mit Einschränkungen rechnen müssen. Doch gemeinsam meistern wir auch dieses Jahr, um dann 2022 hoffentlich wieder den vollständigen Vereinsbetrieb aufzunehmen. Und deshalb danken wir Euch weiterhin für die entgegengebrachte Treue. Wir hoffen, dass wir uns bald wiedersehen dürfen. Bleibt alle gesund." Und auf der Internetseite des Bürgerschützenvereins Eppinghoven von 1743 erfährt man schlicht: "Es gibt derzeit keine anstehenden Veranstaltungen." Klickt man auf der Website des Bürgerschützenvereins Bruckhausen 1730 e.V. den Button "Schützenfest" an, so datiert die aktuellste Nachricht in dieser Rubrik vom 27. Juni 2020. Dort erfährt man, wie in Ork, dass der amtierende Thron um Schützenkönig Torsten, der 2019 den Vogel abschoss, seine Amtszeit, mangels aktuellem Schützenfest vorerst bis 2021 verlängern muss und das dass Schützenfest in Bruckhausen, zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg ausfallen musste und die Schützen stattdessen ganz kontaktfrei und symbolkräftig ihre Fahnen rausgehängt haben.
In der historischen Perspektive bleibt zu hoffen und zu erwarten, dass das am Niederrhein starke Brauchtum der Schützenvereine und Schützenfeste nach zwei Weltkriegen und einer Diktatur auch die Corona-Virus-Pandemie überleben wird.
Autor:Thomas Emons aus Mülheim an der Ruhr |
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