"Sie verfällt, wenn sie nicht dreht"

- Müllerin Sabine Hillebrecht.
- hochgeladen von Caro Dai
Sie sind, na ja, beinahe so alt wie die Welt. Und sie sind die wohl frühesten Industriedenkmale. „In China gab es sie schon vor Christi“, sagt der Vorsitzende vom Mühlenverein, Kurt Altena. Ihn faszinierte zuerst die Mühle in Hiesfeld, danach alle anderen und um leidenschaftlich um den Erhalt von Mühlen zu kämpfen, muss man wohl aus Hiesfeld kommen, wie Sabine Hillebrecht.
„Professionelles Hobby“ nennt sie ihre Arbeit für die Mühlen und lernte sozusagen von der Pike auf. In Holland, denn da ist das Fachwissen. Weshalb die Ausbildung zum Molenaar in Holland in Deutschland zwar anerkannt wird, aber nicht umgekehrt. Holland ist durch Mühlen zur Weltmacht geworden, erklärt Sabine Hillebrecht, dass nur durch eine Sägemühle die Schiffe gebaut werden konnten, mit deren Einsatz dann kolonialisiert wurde.
Bereits seit rund 40 Jahren gibt es in Holland die Gilde der Müller. Ehrenamtlich organisiert sie die 1500 Mühlen in den Niederlanden, von denen sich 1000 drehen. Und auch schon mal mit Strom versorgen können, wenn er ausfällt. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es noch 1400 Mühlen, von denen sich nur wenige drehen. „Mühlen verfallen, wenn sie nicht betrieben werden“, warnt Sabine Hillebrecht und leistet ihren erheblichen Beitrag, um die kulturhistorischen Bauwerke zu retten.
Die Ausbildung machte sie in den Niederlanden, ganz nebenbei lernte sie dabei auch die Sprache. „Wenn man viele Bücher liest und dann spricht, geht´s fast von selbst“, lächelt sie.
In Kalkar beim Gespräch mit einem Molenaar erwachte ihr Interesse. Und wuchs. Bis sie sich entschloss, sich in den Niederlanden zum Molenaar ausbilden zu lassen. Das hieß, ein bis zwei Jahre regelmäßige Arbeit in der Ausbildungsmühle in Afferden und in weiteren. Eine Zwischenprüfung wird nach sechs Monaten abgelegt. Das Examen dann in Amsterdam. Es ist staatlich anerkannt. Ein Mitglied des Königshauses überreicht das Diplom. Sabine Hillebrecht hat das Examen am 5. Oktober bestanden. Das Diplom wird sie im feierlichen Akt noch bekommen. „Sie verfällt, wenn sie nicht dreht“, warnt Sabine Hillebrecht. Die Mühle in Hiesfeld wird sich wieder drehen, sobald ein wichtiges Ersatzteil angeschafft ist. Dann wird die Müllerin regelmäßig nach Hiesfeld kommen und die Mühle betreuen. „Sie muss in den Wind gedreht werden“, beschreibt sie. In ihrer Prüfung musste sie eine Bockwindmühle in den Wind drehen. Bei der ältesten Mühle muss da der ganze Kasten gedreht werden.
Das ist auch das Ausbildungsziel. Selbstständig die Mühle in den Wind zu drehen. Und ist nicht einfach. 35 Holzsorten sind da etwa verwendet, man muss sie kennen, Segel können reißen und das Wetter muss exakt in seiner Wirkung auf die Mühle berechnet werden können. Zähne können brechen, bei der Mühle heißen sie Kämme und müssen gewachst werden.
„Ich möchte die Mühlen erhalten, und ich möchte Frauen für sie interessieren“, wünscht sich die Müllerin. Jetzt ist sie die einzige.
„Wir sind stolz, dass wir sie an Land gezogen haben“, sagt Kurt Altena. 160 Mitglieder hat der Mühlenverein jetzt. Viel wurde geschaffen seit seiner Gründung 1976. Nachdem 100 000 DM Spenden in die Sanierung geflossen waren, konnte die Mühle 1986 der Öffentlichkeit übergeben werden. Jetzt beherbergt sie in ihren einzelnen Stockwerken Kleinode, handgefertigte Modelle, die die Vielfalt der Mühlenarchitektur zeigen und sich drehen. Besonders zur Freude von unzähligen Schulklassen, die zur Besichtigung kommen, neben 20 000 Besuchern jährlich.
Faszination Mühle eben. Sabine Hillebrecht kann jede einzelne in ihrer Funktion erklären. In zwei Jahren hat sie durchgängig gelernt, sagt sie, und dass Freunde und Bekannte „Bauklötze staunen“ über ihre ungewöhnliche Freitzeitbeschäftigung. „Ich lerne jede Stunde dazu“, sagt sie und erklärt, dass die Paltrockmühle, in der Baumstämme zersägt werden, mit 80 Tonnen Gewicht die gewaltigste ist, dass die Bockwindmühle seit 1100 gebaut wurde und dass man sich im 30-jährigen Krieg auf Bauweisen konzentrierte, die keine Angriffsfläche boten. Der Wind pfiff durch Fenster in die Flügel. Eine Mühle aus Tibet mahlt Weihrauch. Man kann´s sehen.
E
ine Farbmühle bei Amsterdam gehört zum Weltkulturerbe, sagt Sabine Hillebrecht und erwähnt leise: Blaue Fähnchen zeigen in den Niederlanden die geöffneten Mühlen. Eine Vision? (Erschienen im Niederrhein ANzeiger KW 45/11 - Text Anne Buerbaum)
Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.