"Ritas Welt" oder im Rolli durch die Stadt
Rollstuhlfahrerin Rita Lenz zeigte dem NA Dinslaken aus ihrem Blickwinkel:
Es sind oft ja „nur“ Kleinigkeiten, die in Ordnung gebracht werden müssen. Kleinigkeiten, die aber für die Betroffenen leider oft große Folgen haben.
So stehen z.B. die DIN-Tage vor der Tür und die Behinderten-Toilette am Altmarkt ist nicht in Schuss. Zwar haben uns Nachbarn erzählt, dass die Stadt wohl „am Reparieren“ sei. Aber wir konnten uns letzte Woche selbst von der mangelhaften Funktion der Toilette überzeugen. Aufmerksam gemacht hat uns Rolli-Fahrerin Rita Lenz, die uns folgenden Leserbrief geschrieben hatte:
LESERBRIEF:
Dienstag, 9. August 2011. Lieber Niederrhein Anzeiger, vielen Dank für ihren Bericht über die furchtbare Treppe am Bahnhof. So habe ich den Mut gefasst, auf ein weiteres Problem aufmerksam zu machen: Denn es ist für mich als Rollstuhlfahrerin nicht nur schwer, am Bahnhof die Treppe rauf oder runter zu kommen: Es ist schwer in manche Geschäften zu gelangen. Und nun ist es sogar fast unmöglich auf eine behindertengerechte Toilette zu kommen:
Am Montag, den 8. 8. 11 besuchte ich die behindertengerechte Toilette am Altmarkt. Die Haupteingangstür ging super schwer auf, weil der elektrische Türöffner defekt war und nun alles mechanisch mit einem Schlüssel aufzumachen war.
Die Tür zur Toilette war verändert. Vorher war da ein Türgriff zum Drücken angebracht, jetzt ist da ein runder schwer zu fassender Türknauf. Ich öffnete die Tür. Und oh Schreck - mich guckte eine riesige, weiße Toilette an, die fast den ganzen Raum in Anspruch nahm. Ich hatte kaum Platz mit meinem Rolli (und ich habe wirklich einen sehr kleinen Rolli) in den Raum zu kommen. Hab es aber dann doch irgendwie geschafft. Dann wollte ich wieder abschließen - Pustekuchen. Es ging nicht. Mein Freund musste Wache schieben.
Draußen leuchtete zwar ein „Besetzt“- Lichtkästchen auf, das war aber bei Tageslicht nicht zuerkennen und mit der Toilette nicht in Verbindung zu bringen.
Nun konnte ich endlich meine Notdurft erledigen. Angezogen saß ich wieder im Rollstuhl, aber ich wollte ja noch meine Hände waschen.
Rangieren zum Waschbecken fast undenkbar. Zum Glück habe ich keine Fußbretter am Rollstuhl, so dass es mir knapp gelang, mich mit dem Rolli um zudrehen um zum Waschbecken zu kommen. Mein Freund, der auch im Rolli sitzt (allerdings in einem größeren Modell), musste sogar aufstehen um ans Klo zu gelangen.
Das alles musste angeblich verändert werden wegen irgendwelcher neuen Vorschriften. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Vorschriften auch beinhalten, dass ein Toilettenbesuch im Rollstuhl durch Platzmangel verhindert werden soll. Vielmehr kommt es mir so vor, als hätte die ausführende Firma bei der überfälligen Renovierung schlicht keinen Praxistest im Rollstuhl bei der Test-Benutzung vorgenommen. Sie hätte einfach die Toilette mit größerem Abstand vom Waschbecken anbringen müssen! Denn Vorschriften hin oder her - wenn die Bau-Ausführung dazu führt, dass ein Toilettengang für Rollstuhlfahrer zur artistischen Nummer wird, sind sie falsch. Oder soll das nur eine Alibi-Behinderten-Toilette sein?
Wenn die Stadt etwas für Rollstuhlfahrer tun möchte, sollte sie auch vielleicht mal mit einem Betroffenen, der in Dinslaken wohnt, reden. Denn dieser hat tagtäglich mit diesen Hindernissen hier zu tun.
Nebenbei ist zu erwähnen, dass seinerzeit der Bau der Neustraße auch unüberlegt ausgeführt wurde. Zuviele Steinkanten stehen hoch, die Rinne in der Mitte ist für Rollifahrer gefährlich. Für mich ist das alles nur rausgeschmissenes Geld. Ihre Rita Lenz
ANMERKUNG: Wir sind mit Rita nach dem Besuch der Behinderten-Toilette am Altmarkt noch ein bisschen durch die Stadt geschoben. Die patente, selbstständig ihr Leben meisternde junge Frau hat sich netterweise von einer ungeübten NA-Rollstuhlschieberin begleiten lassen. Auf nur ein paar hundert Meter hatten wir zig hochstehende Steinkanten, Löcher und sogar hochstehende Bodenbleche in der Neustraße zu überwinden. Zurück in der Redaktion hab ich mich sehr über meine bisherige Achtlosigkeit geschämt.
Wir haben hier viele gehandicapte Local Heroes wie Rita und sie verdienen, dass man ihnen das Leben nach Möglichkeit ein bisschen leichter macht.
Die Stadt Dinslaken hat einen Behinderten-Beauftragten, der als Schlechtsichtiger um die Fallen und Hürden im Alltag weiß. Wir wünschen ihm mehr Autorität und Durchsetzungskraft für seine wichtige Arbeit!
Erkenntnis ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Besserung: Also, wo bitte ist der Fahrstuhl am Bahnhof? Und bitte wenigstens die Elektrik an der behindertengerechte Toilette am Altmarkt bis zu den DIN-Tagen reparieren! Und dann schnell die Schüssel wiederpassend versetzen!
(Leicht gekürzt erschienen im Niederrhein Anzeiger KW 33/11 cd)
Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
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