„Pauli goes to Africa“
Ich bin dann mal weg! Paulina Sonnenscheins Reise auf der Suche nach dem „Was will ich eigentlich?“- Teil I
„Eines Tages fällt dir auf, dass du 99 Prozent nicht brauchst. Du nimmst all den Ballast und schmeißt ihn weg, denn es reist sich besser, mit leichtem Gepäck.“ So klingt es momentan allerorts aus dem Radio. Für die einen mag es vielleicht nur ein Song sein, für Paulina Sonnenschein (nein, ich habe den Namen nicht geändert) war es geradezu eine innere Stimme.
Denn nach dem Abitur im letzten Jahr, sah die Welt noch ganz anders aus. „Ich hatte einfach keine Ahnung, was ich machen wollte.“ Das geplante Sportstudium konnte sie auf Grund eines Kreuzbandrisses an den Nagel hängen und für ein anderes Studium konnte sie sich nicht unmittelbar entscheiden. „Es gibt Menschen, die haben schon von klein auf einen Plan, was sie werden wollen, aber mir fehlte einfach die ,Ich-will-Feuerwehrmann-werden-Überzeugung‘.“
Doch wer jetzt glaubt, ich hätte vor einer planlosen, desorientierten und interessenlosen 19-Jährigen gesessen, liegt komplett daneben. Ich spreche mit eine klugen, aufgeschlossenen und vor Begeisterung sprühenden jungen Frau, die selbstbewusst genug ist, sich nicht in einen Strom von Gesellschaftszwang einzuorden. „Irgendwie habe ich mich auch alleine gefühlt, alle Freunde hatten entweder schon einen Ausbildungs- oder einen Studienplatz in Aussicht, wussten, wohin die Reise gehen würde.“
Paulinas Reise begann auch, allerdings führte sie sie nicht an die Uni, sondern in den Kindergarten. Genaugenommen in einen Kindergarten im 45.000 Einwohner-Städtchen Swakopmund an der namibischen Küste . „Vor mir das Meer, hinter mir die Wüste, neben mir die Stadt“, erzählt sie und hat diesen weiten, schwelgenden Blick, gespeist aus vielen Bildern und Eindrücken. Fröhliche, ausgelassene, nachdenkliche und berührende Eindrücke, die sie geprägt und entwickelt haben. Ganze sechs Monate dauerte diese Reise. In Swakopmund arbeitete sie als Freiwillige in einem Township, eine Art Ghetto, das noch aus Zeiten der Rassentrennung stammt. Heute ein Armenviertel, wo immer noch die „Schwarzen“ (in Afrika eine völlig unkonotierte Bezeichnung, Anm. der Redaktion) leben, während hingegen die Innenstadt weiß dominiert ist. „Hier ist die Rassentrennung noch sehr deutlich im Stadtbild erkennbar, traurigerweise auch, was den Bildungsstand angeht“, so Paulina. „Deshalb habe ich mich auch bewusst dafür entschieden, dort zu helfen, wo Hilfe benötigt wird.“
Als sie das erste Mal zum Kindergarten kommt, wird sie fast überrannt von den Kindern. „Als Weiße bist du da wie ein bunter Hund“, lacht sie, denn die Metapher passt wirklich gut. Denn bunt ist auch die Sprachenvielfalt der Kinder, was bei gut elf anerkannten Sprachen in Namibia mitunter zu „leichten“ Kommunikationsproblemen führt. „Da artikulieren sich die Kleinen auch gerne mal mit der Hand“, eine nicht immer besonders entspannte Situation. „Zum Teil war es unter ihnen ein richtiger Fight.“ Offizielle Sprache im Kindergarten war allerdings Englisch, eine Tatsache, die bei Paulina für große Freude sorgte, hatte sie doch am Anfang die Befürchtung, es könne alles auf deutsch laufen. „Fast alle Weißen sprechen dort auch deutsch und jeder kennt jeden. Nach drei Monaten kannte ich auch jeden“, erinnert sie sich und muss lachen. Besonders am Herzen lag ihr aber die Arbeit im Frauenprojekt, dass ebenfalls im Township lief. Hier kamen Frauen, ebenfalls aus niedrigen sozialen Schichten zusammen, und stellten allerlei Handwerkliches her. Sie knüpften Bäder, oder flochten Perlen zu Ohrringen zusammen. Die Produkte wurden dann in der Stadt verkauft und das Geld ging eins zu eins an sie zurück. „Die Unterschiede zwischen den Kulturen waren einfach immens, zwischen uns lagen Welten. Welten, die wir zusammenführten und die mich sehr berührt haben. Die Frauen waren so herzlich und dankbar, so dass sie zu meinem Abschied ein Fest vorbereiteten, obwohl sie nicht viel besaßen. Sogar eine afrikanische Zeremonie und Tänze hatten sie organisiert.“
Und gerade diese Projekte sind es, die so wichtig sind, die dafür sorgen, dass Frauen dort selbstbewußter und unabhängiger werden, die langfristig Gleichberechtigung und Menschlichkeit etablieren. Auf die Frage, ob die Rassenzugehörigkeit noch ein Thema ist, nickt Paulina, „Die Spaltung ist im Stadtbild ganz klar zu erkennen, das Land braucht noch Zeit, um sich weiterzuentwickeln, aber die Ansätze werden immer weiter vertieft.“
„Hattest du eigentlich Heimweh?“, will ich wissen. Sie schüttelt den Kopf „überhaupt nicht, aber frag mich jetzt bitte nicht nach Momenten des Abschieds. Am Flughafen habe ich Rotz und Wasser geheult. Und auch der Abschied in Namibia war sehr bewegend.“ Denn in der Zeit haben sich Freundschaften entwickelt. Zum einen zu ihrer Zimmergenossin Kerstin, die zwischen ihrem Lehramtsstudium und ihrem Refrendariat gleich ein ganzes Jahr als Freiwillige vor Ort gearbeitet hat, aber auch zu den Kindern und Kollegen.
„Die Kinder sehen einfach so unglaublich süß aus mit ihren großen braunen Augen“. Aber ein kleines Mädchen hat ihr Herz ganz besonders erobert: die kleine Cameron.
Zum Abschied schenkte ihr Paulina einen neuen Rucksak, nachdem ihre Brüder den bisherigen zerschnitten hatten. Cameron war so stolz, dass sie ihn den ganzen Tag nicht für fünf Minuten abziehen wollte.“
Es gab einfach so unglaublich viele schöne Momente, die ich dank Whats App-Gruppe mit meiner Familie, Freunden und Bekannten teilen konnte. Der Name der Gruppe: „Pauli goes to Africa“.
Wenn ihr nun neugierig geworden seid, wie „Paulis“ Reise weiter ging, schaut wieder rein. Nächste Woche gibt es Teil II.
Autor:Regina Katharina Schmitz aus Dinslaken |
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