„Niemand ist alleine“ - Caritas Dinslaken überbrückt in „Erfahrungsgruppen“ die Zeit bis zur Therapie

Wo Licht ist, ist auch Schatten, sagt ein deutsches Sprichwort, was passiert aber, wenn hinter dem Schatten kein Licht mehr ist, wenn der Regenbogen keine Farben mehr hat, wenn das Grau die ganze Seele in einen undurchdringlichen Nebel hüllt?

Ein Phänomen, das viel zu viele Menschen kennen. Die Bezeichnung: Depression. Das einzig richtige: sich Hilfe suchen, darüber reden, einen Weg aus der Gefangenschaft im eigenen, antriebslosen Ich finden. Denn: Niemand ist alleine.
„Depression ist eine ernst zu nehmende Erkrankung“, weiß auch Inge Günzel, die die Erfahrungsgruppe für Menschen mit Depression im Rahmen einer Kooperation der Caritas, des Kreis Wesels und der BKK-Novitas leitet. Es ist ein Gruppenangebot für Menschen mit einer diagnostizierten Depression, die die Zeit bis zu einem geeigneten Therapieplatz überbrücken müssen. „Die Therapieplätze sind mittlerweile rar geworden, oft muss man ein ganzes Jahr warten, bis man endlich die Hilfe bekommt, die man braucht“, sagt Martina Kröber, Fachbereichsleiterin der Sozialpsychiatrischen Einrichtungen des Caritasverbandes Dinslaken / Wesel. „Der Leidensdruck ist immens und die Verzweiflung unglaublich groß.“ Jeder Tag wird zu einer Herausforderung, in denen viele Erkrankte zunehmend ihre Alltagskompetenzen einbüßen.
„Allein morgens aufzustehen, zur Arbeit zu gehen, einkaufen oder spazieren zu gehen, wird zu einem Kraftakt“, so Günzel. Die Tragweite einer solchen Erkrankung darf man nicht unterschätzen, es ist nicht einfach nur ein „sich nicht gut fühlen“, so Körber, es ist eine drastische Einschränkung im alltäglichen Leben.
„Die Erfahrungsgruppe soll vor allem für mehr Aufklärung sorgen. Die Betroffenen brauchen Halt und Stabilisierung“, ergänzt Ines Leuchtenberg vom Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel. Die stetig wachsende Fallzahl der Erkrankten erklären sich die Experten vor allem über die zunehmende Akzeptanz in der Gesellschaft. „Es findet eine Wandel statt“, so Leuchtenberg, „man muss sich nicht mehr verstecken, wenn man merkt, an einer ernsthaften Depression erkrankt zu sein.“ Auch die Ärzte sind deutlich sensibler geworden, was die Diagnostik angeht, „körperliche Beschwerden sind häufig nur ein Symptom für eine psychische Erkrankung.“

In einer Gruppe von circa zehn Personen trifft sich die Gruppe zwei Mal im Monat um Erlebtes zu erzählen und sich darüber auszutauschen, was einem widerfahren ist. Dabei ist die Altersspanne recht weit gefächert. „Zu uns kommen Menschen von 20 bis 60 Jahren, meist sind sie erwerbstätig und einem hohen Druck ausgesetzt. Über die routinierte „Befindlichkeitsabfrage“ zu Beginn der Sitzung, hält sich Inge Günzel aber auch an inhaltliche Module, die sukzessive den Wissensstand der Teilnehmer erweitern soll. Immer wieder wird deutlich: „Niemand ist alleine“, ein Credo, was nicht einfach daher gesagt ist. Es ist die Wahrheit.
„Ich habe Menschen kennengelernt, die zutiefst zynisch geworden sind, die weder Bekannte noch Freunde hatten, denen selbst der Tod eines engen Verwandten keine Regung abgerungen hat“, sagt Günzel mit ernster Miene und lächelt, als sie erzählt, dass genau einer dieser Menschen nach der Gruppenteilnahme die Weiterführung unter seine Verantwortung zu übernehmen bereit war. Das sind die Momente, für die es sich lohnt zu arbeiten, wenn nach tiefem und häufig langem Leiden Menschen Hoffnung schöpfen und begriffen haben, dass auch für diese Erkrankung Heilung besteht. Denn: „Niemand ist alleine“.

Die nächste Erfahrungsgruppe startet am 9. August. Betroffene können sich bei Inge Günzel, Tel. 02064/449357 oder i.guenzel@caritas-dinslaken.de melden.
Darüber hinaus bietet die Caritas ebenfalls eine Gesprächsgruppe für Angehörige psychisch erkrankter Kinder oder Eltern an. „Gerade das soziale Umfeld wird einer starken Beanspruchung ausgesetzt“, sagt Günzel, „da die Betroffenen immer mehr ihrer Selbstverantwortung an sie abgeben. Irgendwann erkrankt dann auch das Umfeld, Kinder leiden, Eheprobleme wachsen. Höchste Zeit, zu handeln. „Wenn jemand in Not gerät, wird er hier nicht weggeschickt“, beschließt Günzel und lächelt, „dennoch wäre es das Beste, wenn man sich kurz telefonisch anmeldet. Dann hab ich auf jeden Fall Zeit.“ Ganz wichtig: Depressionen sind heilbar. Foto: privat

Autor:

Regina Katharina Schmitz aus Dinslaken

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