Die Kinder von Afganistan

aus den Bergen Afganistans an den Niederrhein ins Friedensdorf. Foto: Friedensdorf.
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Afghanistan ist ein Land der Gegensätze: Mit vielen faszinierenden und erschreckenden Seiten. So hat das Friedensdorf-Einsatzteam das Land auch bei dem nunmehr 62. Hilfseinsatz erlebt.

Die Chartermaschine der Hilfseinrichtung für Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten landete mit rund 90 schwer kranken oder verletzten Kindern aus Afghanistan, Armenien, Georgien, Tadschikistan und Usbekistan auf dem Düsseldorfer Flughafen. Dort standen zahlreiche Helfer bereit, um einen Teil der kleinen Patienten umgehend in Kliniken im gesamten Bundesgebiet zu transportieren. Der andere Teil wurde zunächst ins „Dorf“ nach Oberhausen gebracht, von wo aus die Kinder in Kürze - nach einer genauen Diagnose - in entsprechenden Fachkliniken weiter betreut werden.

Mehr als 18 Stunden waren am Ende Betreuer und Kinder unterwegs, als der Flieger in Düsseldorf landete. „Vor allem die Kinder waren relativ fit, sie haben zwischendurch geschlafen. Eine sehr liebe, wenn auch quirlige Gruppe - trotz ihrer Verletzungen“, schmunzelt Friedensdorf-Mitarbeiterin Maria Tinnefeld, die gemeinsam mit Kevin Dahlbruch den Hilfseinsatz in Kabul im Vorfeld organisiert hatte.

Zwei Jungen entdeckten im Flieger, dass sie aus der gleichen Provinz kommen. Der ältere, der als Patient im letzten Augenblick auf unsere Liste kam, ist an beiden Beinen sehr schwer verletzt. Dennoch sprach er Dr. Marouf, der als Arzt den Flug begleitete, an, wie Leid ihm sein neuer Freund tue, der nach einem Unfall jetzt so Schmerzen am Fuß haben müsse. „Insgesamt haben die Kinder sich untereinander an Bord unterstützt, Größere haben die Kleinen gefüttert und uns beim vielen Windelnwechseln geholfen“, so Dahlbruch. Die kleinen Fluggäste aus Afghanistan und Zentralasien schauten dann mit großen Augen zu, als im Kaukasus weitere Patienten zustiegen – „alte Bekannte“ waren sogar dabei. Afghanische und georgische Kinder, die nach Deutschland zur Folgebehandlung eingeladen wurden und sich aus ihrer gemeinsamen Zeit im ‚internationalen Friedensdorf’ noch kennen.

Appetit und viele Fragen: Warum seid ihr so stark?

Erstaunt seien alle Betreuer gewesen, welchen Appetit die Kinder im Flieger entwickelt hätten: „Es gab dreimal warmes Essen, und die Kids haben alles verputzt.“ Ein etwa zweijähriger Junge rührte die Betreuer besonders: „Er knabberte an Hähnchen-Burger und fragte uns dann, ob er den Rest mitnehmen dürfe für seine Schwester. Wir rieten ihm, das doch lieber auf dem Rückflug zu machen“, erzählt Maria Tinnefeld. Beeindruckt war sie von einer 11-jährigen Afghanin, die auf dem Flug fragte: ,Warum seid ihr Ausländer so stark und warum haben wir keine Chance, uns selbst zu helfen?’ Diese Frage bringt die Lage in Afghanistan auf den Punkt, sind sich Maria Tinnefeld und Kevin Dahlbruch einig.

Kabul - eine Stadt voller Gegensätze.

Diesen Eindruck hatten die beiden schon bei ihrem letzten Hilfseinsatz am Hindukush. Und er hat sich noch verstärkt. Der Strom der Flüchtlinge aus den Provinzen in die vermeintlich sicherere Hauptstadt reißt nicht ab. Rund fünf Millionen Menschen leben nach inoffiziellen Schätzungen inzwischen in und um Kabul. Ein immenses Problem auch für die Grundversorgung der Menschen. Und die, so die beiden Friedensdorf-Mitarbeiter, liege nach wie vor im Argen. Obdachlose seien inzwischen ein alltägliches Bild in Kabul, Drogensüchtige versuchten mit Klebstoff-Schnüffeln oder Heroin den Hunger zu vertreiben, die Arbeitslosigkeit nehme zu.

Auch die medizinische Versorgung sei nach wie vor durch den Mangel geprägt. Selbst Kliniken mit Universitätsprofessoren verfügten nicht über genügend kostenloses Verbands- und OP-Material. Untersuchungen seien teuer und in den Provinzen oft nicht einmal möglich.

Afghanistan werde nach wie vor regelmäßig von Anschlägen erschüttert. Das wirke sich auch auf das Leben der Menschen aus: Zudem fühle man Konflikte schwelen zwischen Afghanistan und Iran sowie Afghanistan und Pakistan. Die Menschen in Kabul befürchten, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit diesen Nachbarländern kommen könnte. In den afghanischen Medien sei derzeit auch ein den Amerikanern zugeschriebener Vorschlag Thema, nach dem Afghanistan aufgeteilt und seinen fünf Ländernachbarn zufallen solle.

Knochenentzündungen und schlecht ernährt

Aufgrund der Lebensumstände in dieser Kriegs- und Krisenregion verwundert es nicht, dass auch dieses Mal die meisten Kinder, die zur Behandlung nach Deutschland gekommen sind, unter Knochenentzündungen leiden. Unzureichende Behandlungen von Verletzungen sowie die schlechten Lebens- und Ernährungsumstände wirken hier zusammen. „Zu uns kamen manche Eltern mit Kindern, die keine Socken hatten und nur einfache Plastiksandalen trugen. Im Winter“, so das Einsatzteam.

Dennoch gebe es auch die faszinierenden Seiten Afghanistans. Neben der überwältigenden Gastfreundschaft („Sie macht uns immer ein wenig verlegen.“) sei dies vor allem das Vertrauen, das die Eltern dem Friedensdorf entgegenbringen, „wenn sie uns völlig Fremden ihre Kinder anvertrauen“, sagt Kevin Dahlbruch. Er macht deutlich, dass dies nicht möglich wäre ohne die hervorragende Unterstützung, die das Friedensdorf seit mehr als 20 Jahren durch seine Partnerorganisation, den Afghanischen Roten Halbmond, erfährt.
Am kommenden Samstag wird das Einsatzteam wieder in den Flieger steigen, um erneut die genannten Ländern anzufliegen. Dann sind neben den Begleitern rund 100 Mädchen und Jungen, deren Behandlung in Deutschland erfolgreich abgeschlossen wurde, an Bord. Sie können nun zu ihren Familien zurückkehren, die ihre Söhne und Töchter bereits sehnsüchtig erwarten.

Der Dank des Friedensdorfes gilt allen Helfern, die bei diesem Hilfseinsatz wieder tatkräftig mit angepackt haben, Ärzten, Klinikverwaltungen und Pflegepersonal, die auch dieses Mal ihre Hilfe kostenlos zugesagt haben, den Mitarbeitern der Deutschen Botschaft in Kabul, die die Formalien schnell und unbürokratisch erledigt haben, sowie den „Sternstunden“, der Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks, die die Finanzierung des Charterfluges übernommen haben.

Wer die Arbeit des Friedensdorfes unterstützen möchte: SPENDENKONTO:
STADTSPARKASSE OBERHAUSEN Nr. 102 400
SPARKASSE DINSLAKEN VOERDE HÜNXE Nr. 111 153

Weitere Informationen auch direkt beim Friedensdorf International, Postfach140 162, 46131 Oberhausen, Lanterstr. 21 in 46539 Dinslaken. Tel.: (02064) 4974-0,Fax: (02064)4974-999, www.friedensdorf.de, E-mail: offen@friedensdorf.de. (Gekürzt erschienen im Niederrhein Anzeiger KW 08 / Freidensdorf / cd).

Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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