AK 2011 | Tor 14: Zynismus ist zu leicht
Eine mögliche Essenz aus "A Christmas Carol" ist gewiss die Mahnung an alle Miesepeter, Griesgräme, Meckerfritzen, Dauernörgler, Partypupser und Schwarzmaler (nennen wir sie einfach Zyniker), sich wenigstens einmal zum Jahresende am Riemen zu reissen.
Ebenezer Scrooge, einer dieser Zyniker, bekommt in der klassischen Weihnachtsgeschichte nach Charles Dickens Besuch von drei Geistern, die ihn mittels exklusiver Einsichten zum "besseren Menschen" bekehren. Nun eine simple Frage: Muss man wirklich erst eine Begegnung der paranormalen Art erleben, ehe man dazu bereit ist?
Vielleicht klären wir erst mal, was ein "besserer Mensch" sein könnte. Jemand, der nicht wie weiter oben bereits aufgezählt, alles schlecht und kaputt redet. Der sich noch am Geschehen erfreuen kann. Der nicht erst sein Fotoalbum rauskramen oder seine Eltern anrufen muss, um sich an schöne Momente der Vergangenheit zu erinnern. Die gab es garantiert. Auch wenn vielleicht viel Unschönes die Sicht darauf blockiert. Jemand, der nicht erst erfahren muss, wie schlecht es anderen Menschen um ihn herum geht ... oder gar auf anderen Kontinenten, damit er sein Leben zu schätzen weiß. Warum braucht er erst den Vergleich? Warum nimmt er sich selbst zum Maßstab? Und natürlich jemand, dem man nicht erst die Konsequenzen und eine mögliche Zukunft runterbeten muss, damit er endlich etwas ändert und z.B. damit anfängt, nicht mehr so verdammt zynisch zu sein. Nicht nur zu Weihnachten. Das gilt auch für andere Jahrezeiten. Zyniker sind selbst im Hochsommer höchst ungebete Gäste.
Zynismus ist einfach zu leicht! Das war stets der kürzere Weg und erleichtert die Beschäftigung mit der Umwelt enorm. Bleiben wir bei Weihnachten. Konsumterror! Ich glaube eh nicht an den ganzen Bibelkram! Keinen Bock auf meine blöde Verwandtschaft! Dieser Weihnachtsstress macht mich fertig! Ach, ich scheiss einfach drauf!
Ja, Ebenezer Scrooge ändert sich zum guten Schluß. Doch Max Mustermann bekommt es nicht hin. Denn er bekommt leider keinen Besuch von Geistern und er selbst hat zuviel Angst, sich zu fragen, warum er so zynisch ist. Zumal er ja nicht alleine ist. Die meisten Leute machen es sich so leicht wie er.
Natürlich hassen wir die Bild-Zeitung. Natürlich hassen wir diese Sendungen auf RTL & Co. Wir halten nichts von DJ Ötzi und tanzen dennoch Foxtrott. Wir wissen, dass unsere Ernährung und Genußgewohnheiten uns schaden. Sicherlich ist uns klar, dass Facebook nicht das reale Leben ersetzt. Wir sollten langsamer fahren, öfter unsere Eltern anrufen und Müll trennen. Das ist uns alles sonnenklar.
Doch der innere Schweinehund hat zwischen Neujahr und dem ersten Advent Hochsaison. Es gibt gute Vorsätze für das neue Jahr. Es gibt aber zuviele Enttäuschungen und Ablenkmanöver, die uns wieder still stehen lassen.
Zumal Max Mustermann nicht alleine ist. Doch genau da liegt seine große Angst. Denn er weiß, dass er ohne alle diesen Schund sehr alleine wäre. Denn dann wäre nur noch er selbst übrig. Alles andere hat er zuvor schlecht geredet. Wie gesagt, es ist zu leicht für die Zyniker.
Drum begrüße ich die Weihnachtszeit. Die Zeit, in der jeder selbsternannte Zyniker ums Überleben kämpft. Seine Argumente sind schwach und werden meist ad absurdum geführt. Anstatt etwas zu verändern, verweigern sie. Sie sind ewige Nein-Sager und bewegen gar nichts, außer vielleicht ihren Kopf, den sie aus purer Gewohnheit schütteln.
Bessere Menschen. Natürlich kann man mir an dieser Stelle nun vorwerfen, dass ich die weihnachtliche Zeit zum Kitsch zerrede, wo alles kuschelt und die Welt ausgerechnet am 24. Dezember plötzlich versöhnt ist. Aber ich sehe es so ... Wenn man schon sonst an keinem Tage dazu fähig ist, irgendwas in seinem Leben zu ändern, dann sollte man die Hilfe von außen annehmen. Und wenn es nur ein blöder Taschen- oder Wandkalender ist, der einen dazu motiviert.
Das Wort zum Mittwoch ist somit beendet.
Und nun ruft endlich eure Verwandten (oder wen auch immer) an, um euch zu versöhnen.
Cheers.
Autor:Oliver Peters aus Dinslaken |
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